Tage Alter Musik – Almanach 2022

Tage Alter Musik Regensburg 2022 25 hig ist. Aber auch Bruno Philippe als Solist im Concerto für Violoncello, Streicher und Basso continuo g-Moll und Louise Ayrton als Sologeigerin ließen aufhorchen. Da sich Thomas Dunford am Zeigefinger der rechten Hand verletzt hatte, entfiel die Triosonate C-Dur. Stattdessen ergänzte Philippe das Programm mit zwei Sätzen aus Bachs Solosuite für Cello C-Dur. Den Solopart der Ecksätze des Lautenkonzerts D-Dur von Vivaldi spielte Louise Ayrton auf der Violine, während es sich Dunford nicht nehmen ließ, wenigstens den lyrischen Mittelsatz trotz seines Handicaps vorzutragen. So gelang es dem französischen Ensemble, diese Matinee zu einem umjubelten Höhepunkt des Festivals zu machen. Italienisch, dennoch deutlich ruhiger und meditativer ging es in der Minoritenkirche mit Musik des Spätmittelalters weiter. Rumorum aus der Schweiz erforschte die französischen Einflüsse auf die Musik Italiens im 14. und 15. Jahrhundert. Zu den Gesangsstimmen von Grace Newcombe und Miriam Trevisan erklangen in wechselnden Kombinationen gotische Harfe, Clavisimbalum, Doppelflöte, Laute, Rebec u.a. und ließen so dieses Repertoire in einem stets neuen Licht erscheinen. Chiara Margarita Cozzolani gehört neben Barbara Strozzi zweifellos zu den bedeutendsten Komponistinnen des 17. Jahrhunderts. Anders als die Gesangsvirtuosin aus Venedig verbrachte Cozzolani den Großteil ihres Lebens in einemMailänder Benediktinerkloster. Geistliche Musik steht somit im Zentrum ihres Schaffens. I Gemelli präsentierten ausgewählte Werke am Abend in Form einer Marienvesper. Das Vokalensemble mit seinem Leiter Emiliano Gonzalez Toro (Tenor) wurde von zwei Zinken/Blockflöten und Posaune sowie einer Generalbassgruppe mit Violoncello, Arciliuto, Harfe und Orgel begleitet. Der Sonntag klang schließlich mit einemNachtkonzert der renommierten Tallis Scholars im Regensburger Dom aus. Quasi schwerelos ließen die Briten unter der Leitung von Peter Philipps in dem gewaltigen gotischen Kirchenraum ihre Stimmen zu englischer Renaissancemusik erklingen. Die Homogenität und geradezu perfekte Balance, mit der sie die Kompositionen von John Taverner, Thomas Tallis, William Byrd, Peter Philips und Robert White interpretierten, ist nach wie vor mustergültig. Wenn man dann zusammen mit circa 900 Zuhörerinnen und Zuhörern zu nächtlicher Stunde dieser Musik lauschen darf, spürt man eine große Dankbarkeit, so etwas endlich wieder erleben zu dürfen. Es hat gefehlt! Bach auf einsamen Höhen – Puppenspiel mit Händel Leila Schayegh sollte eigentlich schon 2020 bei den Tagen Alter Musik mit einem Soloprogramm auftreten. Bekanntlich kam dann alles anders. Doch an diesem Pfingstmontag stellte sie sich mit „Wege zu Bach“ im Reichssaal dem Regensburger Publikum vor. Die musikalische Reiseroute führte über Johann Paul Westhoffs Partita VI D-Dur und Heinrich Ignaz Franz von Bibers Passacaglia aus den Rosenkranz-Sonaten über Johann Georg Pisendels Sonata a-Moll hin zu Johann Sebastian Bach. Schayeghs Spiel ist fein und facettenreich. Bibers berühmte Passacaglia gestaltete die Schweizerin wie ein zartes, inniges Gebet. In Verlauf der virtuosen Pisendel-Sonata machten sich Intonationsprobleme bemerkbar, die dem sich bei Sonneneinstrahlung stets aufheizenden Saal geschuldet waren. Leila Schayegh meisterte mit ihrer darmbesaiteten Guarneri-Geige von 1675 aber auch diese Unwegsamkeit souverän und charmant und erreichte mit Bachs Partita d-Moll BWV 1004 den Höhepunkt ihres Programms. Von der Allemande über Courante, Sarabande und Gigue gelangte sie quasi mühelos zum Gipfel, der großen abschließenden Ciacconna. Beeindruckend, wie sie die technischen Schwierigkeiten dieses Satzes mit angenehm weichem Ton, tadellosen Arpeggi und Barriolages meisterte. In der Minoritenkirche ging es anschließend noch einmal zurück in das mittelalterliche Italien. Canticum Novum interpretierte auf sehr eigenwillige Weise Laudes aus der Zeit Franz von Assisis, geistliche Gesänge in italienischer Sprache, die in der Regel von Laienbewegungen gepflegt wurden und ein Ausdruck der wachsenden Bedeutung der Städte im 13. Jahrhundert waren. Mit einem bunt gemischten Instrumentariumwie Fidel, Drehleier, Oud und Nyckelharpa, gewürzt mit einer gehörigen Portion Percussion, interpretierten die Musikerinnen und Musiker die Bezeichnung „historisch informiert“ sehr frei. Sie konnten nichtsdestotrotz das Publikum mit einer unterhaltsamen Stunde Musik begeistern. Am Nachmittag stand ein weiteres Mal mehrchörige geistliche Musik an der Schwelle von der Renaissance zum Barock imMittelpunkt. Das Ensemble La Guilde des Mercenaires aus Frankreich unter der Leitung von Adrien Mabire (Zink) lenkte nunmehr den Blick zurück zu den Anfängen dieser Praxis in Venedig, insbesondere zu Giovanni Gabrieli. Die sechs Sängerinnen und Sänger, zwei Zinkenisten, drei Posaunisten und Philippe Grisvard an der Orgel ließen diese faszinierende Musik gemischt vokal-instrumental, in stets anderen Kombinationen in der Dreieinigkeitskirche erklingen. Allerdings ging durch die permanenten Umstellungen der Akteure und den Applaus des Publikums nach quasi jedem der recht kurzen Stücke der rote Faden des Programms verloren. Mit Georg Friedrich Händels Masque „Acis and Galatea“ in der Fassung von 1718 (HWV 49a) gingen die Tage Alter Musik im Theater am Bismarckplatz zu Ende. Der Schäfer Acis und die Nymphe Galatea finden in der Idylle Siziliens ihr Liebesglück. Doch leider hat auch der einäugige Riese Polyphem Gefallen an Galatea gefunden. Nachdem er von ihr brüsk zurückgewiesen wurde, erschlägt er den Nebenbuhler. Die Nymphe, vom Chor an ihre magischen Fähigkeiten erinnert, verwandelt ihren toten Geliebten in einen Fluss. – Es ist sicherlich nicht das spannendste Libretto, das Händel vertont hat, aber das Collegium Marianum unter der Leitung von Jana Semerádová und das Marionettentheater Buchty a loutky zeigten eine kurzweilige Inszenierung, in der reale Akteure und Puppen einander ergänzend stimmungsvolle Szenen entstehen ließen. Wirkte manches wie ein Kindertheater mit tragischemAusgang, wog letztlich die offensichtliche Spielfreude aller Beteiligten dies auf. Helena Hozová (Galatea) und Vojtech Semerad (Acis) sangen und spielten in den Hauptrollen. Ihnen zur Seite agierten Ondrej Holub (Damon) und Tomás Lajkep (Coridon) sowie – die Rolle bis hin zum Klamauk gelegentlich überzeichnend – Tomás Kral als Zyklop Polyphem. Im Großen und Ganzen hätte ich mir, abgesehen von vielen teils humorvollen Details, mehr Aktionen der Puppen von Buchty a loutky insbesondere in den zentralen Szenen gewünscht. Dessen ungeachtet ließ der Abend vor allemmusikalisch kaum Wünsche offen. So endeten die 37. Tage Alter Musik mit Standing Ovations und mit der Hoffnung, dass man sich im kommenden Jahr in Regensburg wiedersieht. Leila Schayegh bei ihrem Solorecital im Reichssaal

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