40 nmz eue usikzeitung 30. Mai 2023 // Autor: Juan Martin Koch Das schreckt im Stammpublikum des Traditionsfestivals natürlich niemanden – rappelvoll war der historische Reichssaal jedes Mal. Meret Lüthi ist die Waghalsige, die sich zusammen mit ihrem Ensemble Les Passions de l’Âme in die drei mal fünf Sonaten plus Solo-Passacaglia stürzte, und das weitgehend mit einer einzigen Violine. Das Umstimmen der Saiten – Biber verlangt für jede Sonate eine andere Skordatur – gehört für Lüthi zumWerkerlebnis dazu. Von gelegentlichem Nachjustieren zwischen den Sätzen abgesehen, machte die Jakob-Stainer-Geige das erstaunlich gut mit. Lüthis Kondition und die Verve, mit der sie sich und das Publikum in die verschiedenen „Stimmungslagen“ der vielgestaltigen Werke versetzte, waren bewundernswert. Die Begleitung (inklusive gewöhnungsbedürftigem Psalterium) unterstützte das ausgezeichnet. Geigerinnen im Vergleich Beachtliche Geigerinnen waren auch beim {oh!} Orkiestra und bei Oslo Circles zu erleben: Das norwegische Septett rund umKonzertmeisterin Astrid Kirschner führte gekonnt durch die Inspirationswelt Henry Purcells. In den Instrumentalsätzen aus seinen Bühnenwerken wogen das rhythmisch flexible Zusammenspiel und die Schlagwerkfarben das Fehlen von Blasinstrumenten auf. Astrid Kirschner streute an der Solovioline immer wieder spontan wirkende Verzierungen ein und führte ihre Gruppe in entsprechenden Sätzen auch mal ganz handfest auf den Tanzboden. In andere Sphären führte zwischendurch Countertenor David Hansen, der sich zunehmend frei sang und mit beinahe ekstatisch hingetupften Spitzentönen betörte. Im polnischen {oh!} Orkiestra gibt Martyna Pastuszka den Ton an. Sie sorgte für den überzeugendsten Geigenklang des langen Pfingstwochenendes und für einen veritablen Schmiss mitten in der BR-Live-Übertragung. Nach einem „I’m so sorry“ nahm sie zusammen mit ihrem atemlos pulsierenden Orchester ihre Reise durch Suitenwelten mit ungebrochenem Elan wieder auf. Perkussiv aufgepeppt machten hierbei Johann Caspar Ferdinand Fischers Gattungsbeiträge den meisten Effekt. Anna Dmitrieva wiederum bestätigte im Kammerkonzert von Ludus Instrumentalis (Werke von Bach und Goldberg) den Eindruck, der sich schon beim Auftritt der Compagnia di Punto angedeutet hatte: Im Vergleich zum Konzertmeister beider Formationen Evgeny Sviridov hat sie den schöneren, sprechenderen Violinton. Der half freilich der Rumpfbesetzung auch nicht auf, in der man zu zehnt Mozarts großer g-MollSinfonie gerecht zu werden versuchte. Die Intensive Verbindungen hergestellt: Tage Alter Musik Regensburg 2023 Sind Bibers Rosenkranzsonaten der Nibelungen-Ring des Barock? Blöde Frage, natürlich nicht. Aber die Tage Alter Musik Regensburg behandelten den monumentalen Violin-Zyklus ähnlich wie die Bayreuther Festspiele Wagners Tetralogie: Er wurde, auf zwei Tage und drei Konzerte verteilt, nur im Ganzen verkauft. Dialogos & Kantaduri in der Minoritenkirche Foto: Michael Vogl
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