Tage Alter Musik – Almanach 2023

52 hovens ausschließlich in solchen Bearbeitungen zu hören bekamen. Und das ist zum Teil recht unterschiedlich zu dem, was man in den großen Sinfoniekonzerten vernahm. Denn nicht selten wirken diese Bearbeitungen wie eine Hülle ohne Inhalt. Vor allem wenn die Hörner oder die Violone beziehungsweise der Kontrabass ihre Einsätze haben, verliert sich die Melodie der allein auf weiter Flur agierenden, einzelnen Ersten Geige doch stark. Das gilt ebenso für die einzige Zweite Geige oder das einzige Violoncello, wenn es die Melodie führt. So entsteht beim Hören nicht selten der Eindruck, dass die eigentlich nur die Harmonie unterstützenden Instrumente hier imwahrsten Sinne des Wortes den Ton angeben und somit die Melodie verkörpern. Aber genau das birgt auch viel Interessantes, weil es von einer anderen Perspektive in die Partituren blicken lässt. Manchmal entstehen dabei sogar recht mystische und modern anmutende Klanggebilde, wie beispielsweise in den lyrischen Passagen des Finales der „Eroica“. Vorgetragen wurde dieses Experiment von allen elf Beteiligten auf musikalisch hohem Niveau in Bezug auf die Intonation, das Umsetzen der Spannungsbögen und die Bühnenkommunikation. Das Publikum nahm dieses Kuriosum begeistert auf und wurde mit einer Zugabe in Form einer stark verkürzten Ausgabe des Finalsatzes von Beethoven „Eroica“ belohnt. Regensburger Zeitung Wenn man unter Zeitdruck steht, kann es schon sein, dass man Teile des Programms kurzentschlossen streichen muss. Zum Beispiel aufgrund einer Live-Übertragung des Bayerischen Rundfunks, wenn die Übertragung um 19 Uhr beginnt und 21 Uhr endet. Das dürfte wohl der Grund gewesen sein, warum das polnische „{oh!} Orkiestra“ seinen Auftritt zum Abschluss der 38. Regensburger Tage Alter Musik in der Dreieinigkeitskirche spontan etwas verkürzt über die Bühne brachte. Würdiger Abschluss trotz kleiner Unzulänglichkeiten Schlecht ist dabei nur, dass das Publikum dies nicht erfuhr. Gut war in diesem Zusammenhang aber, dass das Orchester ein Programm mit Barock-Suiten präsentierte, in welchen mehrere Tanzsätze aneinandergereiht sind, und wenn man hier den einen oder anderen spontan nicht zur Aufführung bringt, dann fällt dies nicht so stark ins Gewicht. Dass es auch an diesem Zeitdruck lag, dass das Orchester den Menuett-Schlusssatz in Georg Muffats „Suite Eusebia“ in einem unangemessen schnellen Tempo zur Aufführung brachte und den etwas aus dem Ruder gelaufenen Finalsatz der Sonate in CDur von Esaias Reusner nochmal neu beginnen musste, wäre allerdings eine wohl böse Unterstellung. Vor allem deshalb, weil das Orchester unter der Leitung der Konzertmeisterin Martyna Pastuszka insgesamt auf einem hohen Niveau agierte und sein Können somit durchaus unter Beweis stellte. Über einige Tempi und auch sogenannte „Romantisierungen“ verschiedener Barocksätze in Form von stärkeren Ritardandi kann man sich natürlich streiten. Aber das ist mühselig, da die Musikwissenschaft bis heute keine definitiven Erkenntnisse zur barocken Aufführungspraxis hat und wahrscheinlich auch nie mehr bekommen wird. Beeindrucken konnte beispielsweise die mit einem ausdrucksstarken Generalbass an der Chitarrone ausgelegte Pastorelle in Georg Philipp Telemanns Suite in e-Moll „L‘Omphale“. Auch die schnellen Tanzsätze überzeugten durch viel Schwung und Lebendigkeit. Von der Truhenorgel schön eingeleitet vernahmman die Sinfonia in Johann Rosenmüllers Sonata in C-Dur. So war es durchaus gerechtfertigt, dass sich das Publikum in der gut besetzten Dreieinigkeitskirche noch zwei Zugaben erklatschte. Daher bot dieser Abend trotz der kleinen Unzulänglichkeiten insgesamt einen würdigen Abschluss der diesjährigen mit 16 Konzerten bestückten Regensburger Tage Alter Musik. Mit Schwung und Lebendigkeit Mit Suiten aus dem Barock beendet das polnische „{oh!} Orkiestra“ die Regensburger Tage Alter Musik Autor: Stefan Rimek // 1. Juni 2023 {oh!} Orkiestra, Anna Firlus, Cembalo, Orgel & JanČižmář, Laute in besonderem Licht beim Abschlusskonzert in der Dreieinigkeitskirche STIMMEN ZUM FESTIVAL TAGE ALTER MUSIK 2023 … danke für alles! Es war wieder einmal eine großartige Zeit bei den Tagen Alter Musik! Bernhard Albrecht Tonmeister BR

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=