Das Ensemble européen William Byrd zählt zu den herausragenden professionellen Vokalensembles Frankreichs. Seit zwölf Jahren hat die Gruppe unter ihrem Leiter Graham O’Reilly regelmäßig an zahlreichen wichtigen europäischen Festivals teilgenommen. In der Saison 2002/2003 sind Konzerte u.a. beim Early Music Festival in Vancouver und beim Boston Early Music Festival geplant. Bislang hat das Ensemble sieben CDs veröffentlicht. Die jüngste Aufnahme mit „Miserere”-Vertonungen von Allegri, Leo, Scarlatti und Viadana entstand in Zusammenarbeit mit dem Festival von Ambronay und wurde von der Fachpresse überschwänglich gelobt. Zum Programm: La Messe de Nostre Dame Guillaume de Machaut , Musiker und Dichter, war der wichtigste Komponist der als Ars Nova bekannten Periode. Seine ungemein ausgefeilte Technik erlaubte es ihm sich in allen Stilen und Formen seiner Zeit auszudrücken und zwar in einer Musik voller Eleganz und Emotion. Die Messe de Nostre Dame gilt als Höhepunkt der spätmittelalterlichen Musik Frankreichs und bietet eine eindrucksvolle Zusammenfassung der zu dieser Zeit bevorzugten Techniken und Stile. Die Messe war höchstwahrscheinlich zur Aufführung in der Kathedrale von Reims gedacht, wo sich Machaut ab 1340 niederließ. Sie gilt als das erste Beispiel eines von einem namentlich bekannten Komponisten vollständig vertonte Messordinarium. Es ist auch die erste Messvertonung, die man als ein musikalisches Ganzes betrachten kann und die einen Standard setzt, nach dem alle zukünftigen Messen beurteilt werden. Sie beansprucht somit einen ähnlichen Platz in der Entwicklung der Messekompositionen wie Monteverdis Orfeoin der Geschichte der Oper. In denGloria- undCredo- Vertonungen benutzt Machaut den deklamatorischen Stil, wie man ihn - abgeleitet vomConductus - in derMesse de Tournai findet. Er gestaltet die langen Texte so kurz wie möglich und setzt sie syllabisch in allen vier Stimmen Note gegen Note. Dies ist ein Stil, der vermutlich in der langlebigen Tradition improvisierter Mehrstimmigkeit seine Wurzeln hatte. Die ausgefeilten „Amen”- Vertonungen dieser Sätze und alle übrigen Teile der Messe ( Kyrie, Sanctus-Benedictus, Agnus Dei und Ite Missa est ) benutzen verfeinertere Techniken: Etwa die Isorhythmik, sie bedeutet, dass die denCantus firmus tragende Stimme auf der Wiederholung einer rhythmischen Formel beruht. Dieses Prinzip hat Machaut auf alle vier Stimmen erweitert. Oder die Hoquetustechnik, bei der zwei oder mehr Stimmen, die jeweils gegeneinander versetzt in schnellem Wechsel ertönen bzw. pausieren, sich zu einer gemeinsamen Melodielinie ergänzen. Man hat lange geglaubt, dass die Messe zur Krönung Karls V. im Dom zu Reims im Jahre 1364 komponiert worden sei. Allerdings gibt es keinen Beweis, der diese alte Theorie stützen könnte. Egal, ob dies wahr ist oder nicht, die Messe muss etwa aus dieser Zeit stammen, da sie ganz deutlich ein Werk aus der Reifezeit des Komponisten ist. Ihre Harmonien sind gleichzeitig fremd und modern. Es ist nützlich, sich beim Hören an Folgendes zu erinnern: In Machauts Zeit wurden Tonleitern und Intervalle oft mit Glocken (mit ihren exotischen harmonischen Obertönen) gelehrt und vermittelt und für unsere heutigen Ohren sind Terzen und Sexten harmonisch zusammenklingende Intervalle, aber für den Hörer im 14. Jahrhundert waren nur Oktaven, Quarten und Quinten konsonante Intervalle. Dies mag nicht völlig unabhängig sein von der Tatsache, dass sie die am leichtesten zu stimmenden Intervalle auf der Orgel sind, die zweifellos in jener Zeit das einzige regelmäßig in Kirchen benutzte Instrument war. Wir beschließen unser Programm mit Musik der Generationen nach Machaut, die er selbst nie gehört hat. Die Motetten vonBinchois und Dufay sind deutlich weniger kompliziert als der größte Teil der Machaut-Messe. Die Motetten von Ockeghem andererseits signalisieren eine Rückkehr zur Kompliziertheit, aber eine eher von musikalischen als von theoretischen Überlegungen geführte Kompliziertheit. Intemerata Dei mater ist eines jener Werke, die alle hundert Jahre einmal vorkommen - eine perfekte Kombination aus Technik und Gefühl. Das Stück ist vielleicht des erste reine Meisterwerk westlicher Musik. © Graham O’Reilly Ensemble européen William Byrd (Paris) JUNI 2003 Freitag, 6. Juni 2003, 22.45 Uhr (Nachtkonzert) Dom St. Peter , Domplatz 6 Leitung und Orgel: Graham O’Reilly Guillaume de Machaut: “Messe de Nostre Dame” - Motetten von Binchois, Dufay und Ockeghem - Orgelmusik aus dem Buxheimer Orgelbuch und Gregorianische Choräle Graham O’Reilly Ensemble européen William Byrd
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