Tage Alter Musik – Programmheft 2004

TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2004 fitieren, und in der Tat pflegte Bach oft sein eigenes Material in dieser Weise wiederzuverwenden. Dario Castello, erster Bläser des San-MarcoDoms in Venedig im ersten Teil des 17. Jahrhunderts, war einer der kühnsten Exponenten des Stilus Phantasticus ; seine erstaunlichen Instrumentalkompositionen kombinieren Elemente von Tanz-, Lied- und Operngestus in wilder und unberechenbarer Weise und spiegeln so den extravaganten Zeitgeist wider. Weniger extrem, aber nicht weniger unterhaltsam ist die Musik von Maurizio Cazzati, einem Violinvirtuosen und versierten Tanzmusik-Komponisten des 17. Jahrhunderts. Seine unbeschwerte Ciaconna swingt über einem populären Renaissance-Bassriff, das durch Claudio Monteverdi in seinem Lied Zefiro Torna berühmt gemacht wurde. Wir springen nun zu den äußersten Grenzen der Barockära zu einem der berühmtesten und magischsten Flötensolos aller Zeiten – Glucks Reigen seliger Geister ausOrfeo ed Euridice . Einige Musikwissenschaftler glauben, dass dieses sehnsüchtige und wunderschöne Werk ursprünglich für die damals aus der Mode gekommene Blockflöte komponiert wurde, so sehr passt es zu Tonumfang und Timbre dieses Instrumentes. Französische Musik des 18. Jahrhunderts ist vielleicht weniger bekannt für Ausbrüche von Feuer und Fantasie als vielmehr für kultivierte, subtile Verfeinerung, Nuance und delikate Verzierung. Jean Marie Leclair war jedoch einer der wenigen Komponisten jener Tage, die erfolgreich diesen sinnlichen Stil mit der Pracht der italienischen Schule (in der er als Violinvirtuose geübt war) verbanden – zu einer Synthese, die erstklassig gezeigt wird in denDemon Airsund der abschließendenSymphonie seiner OperScylla et Glaucus . Beim Arrangieren dieser Stücke war es nötig, den typisch französischen Klang von zwei Violen auf eine einzelne Violine zu komprimieren und dabei etwas von unserem eigenen Material hinzuzufügen, um ein reiches, volkstümliches Klang-Polster zu schaffen, über dem die Blockflötenmelodie fliegen kann. Und damit zumAbschluss und zur ultimativen Entfesselung unserer musikalischen Vorstellungen. La Folia – wörtlich eine Torheit oder sogar Verrücktheit – erblickte das Licht der Welt als eine 16-taktige Bassmelodie irgendwann im 16. Jahrhundert in Portugal. Wer auch immer das Stück schrieb, sollte posthum eine beträchtliche und längst überfällige Honorarzahlung beanspruchen dürfen, weil die Melodie eine der langlebigsten und meistverwendeten aller ostinaten Bassmelodien werden sollte, erweitert und variiert von Komponisten von Vivaldi bis Rachmaninov und darüber hinaus. Einer der berühmtesten Sätze von Folia -Variationen wurde von dem gefeierten italienischen Geiger Arcangelo Corelli irgendwann um das Jahr 1700 herum als Abschluss seines Opus-5Zyklus von Violinsonaten geschrieben und später für Blockflöte und Continuo bearbeitet. Diese spätere Version benutzen wir als Rahmen für unsere, fügen eine zweite Violinstimme hinzu und lassen frei unser eigenes musikalisches Material einfließen. Wenn auch die entstehende musikalische Verrücktheit nicht in die gegenwärtig akzeptierten Grenzen von „Authentizität” passen mag, so hoffen wir doch, dass sie in dem wahrhaft barocken Geist, in dem sie gedacht ist, angenommen wird... © Piers Adams 35 AUSFÜHRENDE REDPRIEST Piers Adams Blockflöten Julia Bishop Violine Angela East Violoncello Howard Beach Cembalo PROGRAMM ANTONIOVIVALDI Konzert für Blockflöte, Streicher und (1678-1741) Basso continuo g-Moll „La notte“ RV 439 - Op. X Nr.2 Largo – (Fantasmi) Presto – Largo – Presto – (Il sonno) Largo - (La Caccia) Allegro English Fantasy Suite ROBERTJOHNSON The Satyrs' Masque (1583-1633) The Flatt Masque NICHOLASLESTRANGE The Furies (17. Jahrhundert) ROBERTJOHNSON The Witches' Dance HENRYPURCELL Two in One upon a Ground (1659-1695) Fairy Dance Chaconne JOHANNSEBASTIANBACH Konzert a-Moll nach der (1685-1750) g-Moll Flötensonate BWV 1020 Allegro – Adagio – Allegro DARIOCASTELLO Sonata decima (17. Jahrhundert) MAURIZIOCAZZATI Zephiro’s Ground (1620-1677) CHRISTOPHWILLIBALD Reigen seliger Geister GLUCK (1714-1787) JEAN -MARIELECLAIR Suite aus „Scylla und Glaucus“ (1697-1764) Demon Airs & Simphonie REDPRIEST Fantasie über Arcangelo Corellis (1997- ) „La Folia“ - Variationen Alle Arrangements von Red Priest Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos.

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