Tage Alter Musik – Programmheft 2004

Die Harfenistin und Gitarristin Christina Pluhar hat sich mit ihrem 1999 gegründeten Ensemble L’Arpeggiata in kürzester Zeit in die vorderste Reihe der Alte-Musik-Formationen gespielt. Ihre bei den Labels Alpha und Ambroisie erschienenen CDs erhielten zahlreiche Preise. Unkonventionelle und mitreissende Aufführungen bei wichtigen europäischen AlteMusik-Festivals wurden von Presse und Publikum begeistert aufgenommen. Zum Programm: Antidotum Tarantulae Magie, Mythos und Heilung Orfeo vestuto a lluongo co la stola De sacerdote, accorda la vocella Co sette corde, e ffa co la viola Mo na ceccona e mo na tarantella. („Eneide, tradotta in lingua napoletana“, Nicola Stigliola, 1699) Die Faszination der Heilung jener Krankheit, die angeblich durch den Biss einer Spinne verursacht wurde und seit dem Mittelalter „tarantismo“ genannt wird, bleibt bis heute von unerklärbarer Komplexität. So verschieden wie die Symptome und Ursachen der Krankheit sind auch die musikalischen Formen, die jene heilen sollen. Der Ursprung dieses rituellen Tanzes wird von einigen Theoretikern dem Dionysoskult zugeschrieben, der über die Jahrhunderte seine Verbreitung in Süditalien fand. Die Mythologie überliefert zwei Fabeln über den Ursprung der Tarantella, die in Sorrent und Capri - in mündlicher Überlieferung erhaltenen Homerdichtungen - erzählt werden: In einer wird erzählt, dass die Sirenen Ulisse mit ihrem Gesang zu bezaubern versuchten, was jenen aber nicht gelang, da er gewarnt war und seine Ohren mit Wachs v e r s t o p f t hatte. Die Sirenen riefen daraufhin die Grazien zu Hilfe und baten jene, ihnen einen erotischen Tanz beizubringen. Die Grazien aber machen sich über die Sirenen lustig und erfinden daraufhin die Tarantella, wohlwissend, dass jene keine Beine hatten, um diese zu tanzen... Seitdem wird die Tarantella von den jungen Mädchen Sorrents getanzt, die von den Grazien gelehrt wurden. Die andere Geschichte erzählt, dass die Sirenen, bekannt für ihren betörenden Gesang, die schönsten Beine hatten und diese dazu nutzten, Ulisse mit ihrem erotischen Tanz zu verzaubern. Ihre liebreizenden Bemühungen wurden aber von den Göttern unterbunden, die deren wunderschöne Beine in einen Fischschwanz verwandelten... Orfeo, der mit Hilfe der Magie seines Gesanges in die Unterwelt gelangt, Tiere besänftigt und Steine erweicht, wird 1699 in der „Eneide, tradotta in lingua napoletana“ des Dichters Nicola Stigliola im Zusammenhang mit der Tarantella erwähnt: „Orfeo bekleidet mit einer langen Stola eines Priesters, intoniert seine Stimme, und mit sieben Saiten spielt er auf seiner Lyra bald eine Ciaccona, bald eine Tarantella“. (En.VI.155) Ein neues Bild der mythologischen Figur entsteht vor unseren Augen: Orfeo, in einer sakralen Kulthandlung, gewandet mit der priesterlichen Stola, bedient sich der hypnotischen Tarantella, die Magie, Heilung, Trance und Ewigkeit symbolisiert, da sie - ohne Anfang und Ende - ständige Veränderung über einer gleichbleibenden Konstante beinhaltet. Die Macht der Musik, die heilt, verzaubert, verführt, emotionelle und körperliche Veränderung hervorruft und den Weg zu einer anderen Welt oder einem anderen Bewusstseinszustand öffnet, hat die Menschen seit jeher fasziniert. Alchimisten, Dichter und Philosophen, Mythen und Märchen überliefern uns ihre Näherung an dieses Phänomen, die Bevölkerung Süditaliens lebt ihre eigene Version bis in heutige Zeit. Die Tarantella dient der Wiederherstellung der kosmischen Ordnung im Menschen. Um das Gift zu überwinden, muss er zerbrochene Equilibrien in TAGEALTERMUSIKREGENSBURG L’Arpeggiata - Christina Pluhar MAI2004 Montag, 31. Mai 2004, 10.30 Uhr (Matinee), St.-Oswald-Kirche , Weißgerbergraben „La Tarantella” Antidotum Tarantulae, Magie, Mythos und Heilung 36 Lucilla Galeazzi Christina Pluhar

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