Seit dem Gewinn des ersten Preises beim renommierten Alte-Musik-Wettbewerb in Antwerpen 2002 im Rahmen des FlandernFestivals hat sichLiber unUsualishöchste internationale Reputation erworben. Es folgten Konzertreisen durch die USA, England, Wales, Belgien, Spanien und Frankreich. Mit dem Debut bei den Tagen Alter Musik gastiert das Ensemble erstmals in Deutschland. Für die erste CDEinspielung „Unrequited“ (2003) mit Musik von G. de Machaut und der französischen Ars Nova erhielt Liber unUsualis auf Anhieb die höchste Auszeichnung des Fachmagazins Goldberg (5 Sterne) und exzellente Kritiken in Gramophone, Fanfare und im Early Music America Magazine. Im August 2004 erschien die zweite CD „Flyleaves“ mit mittelalterlicher Musik aus England beim Label Passacaille. Zum Programm: Bei der Durchsicht von Repertoire aus dem 14. und 15. Jahrhundert stießLiber unUsualisauf ein anscheinend zahlenmäßiges Übergewicht von Musik zu Ehren von verschiedenen Heiligen oder zur Beschreibung von Ereignissen in deren Leben. Beim tieferen Eindringen in die Menge des Repertoires bemerkten wir, dass dieser Umstand nicht nur auf Zufall beruhte, sondern wirklich einen bemerkenswerten Anteil der Musik für Heilige darstellte. Natürlich kann man bei jedem Gang in einen gotischen Dom oder den Mittelalterflügel einer Kunstgalerie sofort die Dominanz der Darstellungen von Heiligen auch in der bildenden Kunst sehen. Es erhebt sich dann die Frage: was machte die Heiligen für die Kultur des Mittelalters so populär und was erlaubte es ihnen, alle Kunstrichtungen der Zeit zu beeinflussen? Man könnte leicht mutmaßen, dass Heilige nicht nur Beispiele für gute christliche Lebensführung darstellen, sondern einem Bittenden bei Gebeten zu Gott auch helfen oder Krankheiten heilen können, die sich dem Zugriff der medizinischen Künste der Zeit noch entzogen. Heilige sind Helden, auch im Tode unbesiegbar; Bösewichter, besonders der Teufel, werden durch die Tugenden ihrer Opfer bezwungen. Die Geschichten von der inneren Stärke und den von den Heiligen ertragenen Qualen sollen ihre Leidensfähigkeit zeigen als Beispiele für unbeugsamen Glauben; die von ihnen gewirkten Wunder sollen die Gläubigen ermutigen. Diese Geschichten und Texte stellen Leben und Seele der mittelalterlichen Bilderwelt dar. Bücher mit den Lebensgeschichten der Heiligen, sogenannte Hagiographien, waren daher im Mittelalter ungeheuer populär und sorgten auch für die Verbreitung der Heiligengeschichten. Eine der einflussreichsten Hagiographien ist die Legenda Sanctorum von Jacobus de Voragine (1228/30–1298). Im ersten Jahrhundert nach Erfindung des Buchdrucks erschienen über 150 Ausgaben und Übersetzungen, und mehr als fünfhundert Handschriften dieses Werkes gibt es noch. Die Legenda Sanctorum ist das Buch, nach demman zuerst greift, wenn man einer ungewöhnlichen bildlichen Darstellung auf einem Kapitell oder einem Portal gegenübersteht oder einem obskuren Vorfall in einer Handschrift oder im Text eines Liedes begegnet. Ein weiterer Grund für die zunehmende Beliebtheit verschiedener Heiliger ist die Verbreitung von heiligen Reliquien – Knochen, kleinen Stücken unverwesten Fleisches, Kleidungsstücken, Folter- und Marterinstrumenten – in Kirchen und Kathedralen überall in Europa. Für die frühen Christen waren die Überbleibsel von Märtyrern „wertvoller als Juwelen”, und eine Kirche erwarb Macht und Ansehen aufgrund des Besitzes von Reliquien verschiedener Heiliger. Je populärer ein Heiliger war, desto mehr Ruhm ruhte auf seinen Reliquien. Je mehr Ruhm die Reliquien genossen, desto mehr Geld und andere Zuwendungen konnte eine Kirche zu Ehren jenes Heiligen erwarten. Immense Popularität, weite Verbreitung von Geschichten, Macht, Ruhm und Geld: dies alles trug zum häufigen Erscheinen von Heiligen in visueller wie akustischer Kunst bei. Ein Großteil der im 14. und 15. Jahrhundert entTAGEALTERMUSIKREGENSBURG Liber unUsualis (Boston) MAI2005 Samstag, 14. Mai 2005, 22.45 Uhr (Nachtkonzert) Dominikanerkirche , Predigergasse Melanie Germond, Sopran Carolann Buff, Mezzosopran William Hudson, Tenor 20 Liber unUsualis Foto: Liz Linder „Ein mittelalterliches Reliquiar“ – Heiligenverehrung im Mittelalter
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