sönliche Betrachtung kann sich nur innerlich vollziehen. Auferstehungshistorie Im Laufe seines langen Lebens hatte Heinrich Schütz, der herausragende Pionier der deutschen Barockmusik, das Privileg, Zeuge zweier radikal unterschiedlicher Epochen zu werden. Er war, wenn man so will, ein Wanderer zwischen den Welten: zwischen der polyphonen Tradition der Renaissance, die die Vollkommenheit der Form über die Textausdeutung stellte ( Ars perfectanannten das die franko-flämischen Komponisten treffend) und der modernen Monodie, die aus Italien, der Heimat alles Modernen in der Musik, kam. So bediente er sich in seinem außerordentlich reichen Schaffen in vollkommener Weise dieses fundamentalen Dualismus. Er nutzte die Ressourcen des einen wie des anderen Stils, denn er hatte beide an den besten Quellen studiert: die venezianische Mehrhörigkeit zwischen 1609 und 1612 bei Giovanni Gabrieli, und die neue Expressivität des stile concitatozweifellos in den Jahren 1628/1629 anlässlich seines zweiten Besuchs in der Serenissima bei Claudio Monteverdi. In dieser Hinsicht wäre die 1623 komponierte Historia Der fröhlichen und siegreichen Aufferstehung unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi, SWV 50das erste bekannte deutschsprachige Oratorium, zweifellos ohne die transalpinen Vorläufer jener paraliturgischen Form, die 23 Jahre früher im Zuge der erbaulichen und katholischen Bewegung der Gegenreformation mit Emilio de' Cavalieris Rappresentatione di anima et di corpo in Rom entstanden ist, niemals geschrieben worden. Obwohl Schütz dem neuen Modell der Zeit folgend Rezitativ und Basso continuo und damit die Vektoren des konzertanten Stils verwendete, hinderte ihn das nicht, auch den alten Stil im Hinterkopf zu behalten. Umso mehr als lokale Modelle möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung der Partitur spielten, etwa dieResurrectio Domini Nostri Jesu Christi , des lombardischen Komponisten Antonio Scandello, der zwischen 1568 und 1580 sächsischer Hofkapellmeister war. Vor allem in dem nüchternen Bericht des Evangelisten, eine Art erneuerter gregorianischer Gesang, macht sich die Kraft der nationalen, lutherischen Tradition bemerkbar: Schütz, der sich in latinisierter Form auch Sagittarius nannte, bricht nicht aus dem formalen Rahmen des Lektionstons heraus, und notiert dieses nüchterne liturgische Rezitativ, ohne jemals den Ambitus einer Septime (d-c') zu überschreiten mit zahlreichen Phrasen, wo die Stimme des Solisten recto tono auf der fünften Stufe vom d des dorischen Modus, demOstertondes gregorianischen Gesangs, dahinfließt. Auf die musikalische Interpretation richtete der Komponist, wie wir sehen werden, sein besonderes Augenmerk. Für die Continuo-Gruppe, die den Evangelisten-Bericht begleitet, schrieb er Orgel, Laute, eine Pandora oder, noch besser - wo immer es möglich war - ein Gamben-Quartett vor, die ihre Stimmen mitpassaggi (nicht notierten Verzierungen) „zu besserer Würckung“ auszieren sollen. Was die anderen mitredenden Personen, die TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2005 39 Françoise Lasserre Jan Van Elsacker Foto: Guy Vivien
RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=