Tage Alter Musik – Programmheft 2006

einer kraftvollen Folge abstürzender Klavierakkorde. Nach dieser packenden Einleitung folgen prägnante, echt Grieg’sche Themen. Höhepunkt aber ist die überaus brillante Kadenz. Nach dem langsamen, innigen Satz mit der schönen Volksmelodie und dem duftigen Klaviersatz ist das unmittelbar anschließende Finale erfüllt von eigenartig gefärbten, elektrisierenden Rhythmen. Das idyllische zweite Thema wird zum Schluss machtvoll ausgebaut im Glanze des vollen Orchesters, als großartige Apotheose, prunkvoll umrauscht vom Soloinstrument. „Ohne Musik wäre ich bestimmt verrückt geworden. Für den im Dunklen herumtastenden Menschen ist die Musik sicherlich das allerschönste himmlische Geschenk (...) Wir wollen ihr deshalb unser sterbliches Leben widmen, so lange es geht.“ Die WortePeter Tschaikowskysweisen auf die enge Beziehung hin, die zwischen seinem persönlichen Gefühlsleben und seiner Musik bestand. Das gilt ganz besonders für seine vierte Symphonie, an der er in einer sehr turbulenten und unglücklichen Periode seines Lebens (Winter 1876 - Winter 1877) arbeitete. Der russische Musikwissenschaftler und Biograph André Lischke schrieb darüber: „Die Vierte bringt eine Art von Ästhetik zum Ausdruck, die sehr gut die menschliche und die musikalische Persönlichkeit Tschaikowskys kennzeichnet, der - gequält vom Schicksal und Menschenfeind aus Verlegenheit - sich in das unergründliche Universum seiner inneren Welt zurückzieht, wo er Aneinanderreihungen imaginärer Ereignisse erstellt, sie theoretisiert und mit einer musikalischen Inszenierung versieht ...“ Tschaikowsky war mit Kommentaren zu seinen Arbeiten sehr zurückhaltend. Er sehnte sich danach, in seiner Musik genau das auszudrücken, wofür Worte nicht mehr ausreichen. Nach langem Drängen seiner Verehrerin und Mäzenin Nadezjda von Meck (1831-1894) machte der Komponist eine Ausnahme und beschrieb für sie in einem außergewöhnlichen Brief das Programm der Symphonie Nr. 4 in f-Moll, die er ihr gewidmet hatte. Der Brief trägt das Datum vom 17. Februar 1878. „Du fragst mich, ob mir beim Komponieren dieser Symphonie ein bestimmtes Ziel vor Augen schwebte. Diese Art von Fragen zu meinen symphonischen Arbeiten beantworte ich meistens mit den Worten: überhaupt nichts, aber eigentlich ist diese Frage sehr schwer zu beantworten. Unsere Symphonie enthält eine Botschaft. Das bedeutet, dass es möglich ist, den Inhalt in Worten zum Ausdruck zu bringen, und ich werde dir, als einziger, erzählen, was das ganze Werk bedeutet und was die einzelnen Teile beinhalten. Natürlich kann ich das nur in großen Zügen verdeutlichen. Die Einleitung ist der Kern, das Basiskonzept des gesamten Werkes. Dabei handelt es sich um das Schicksal, die unentrinnbare Macht, die unser Streben nach Glück enttäuscht, bevor wir unser Ziel erreicht haben, und die mit eifersüchtigen Augen darüber wacht, dass unser Friede und unser Glück nicht zu vollkommen und sonnig werden. Es ist eine Macht, die uns, wie das Schwert von Damokles, fortwährend über dem Kopf schwebt und die Seele immerzu bitter stimmt. Man kann ihr nicht entkommen und sie auch nie besiegen. Man kann nichts anderes tun, als sich ihr zu unterwerfen und sich leise zu beklagen. Das Gefühl der totalen Verzweiflung wird immer stärker und eindringlicher. Kann man sich da nicht besser von der Wirklichkeit abwenden und sich den Träumen hingeben? Oh, wie herrlich, ich versinke in einem süßen, sanften Traum. Eine helle, friedliche Erscheinung führt mich weiter. Wunderbar! Wie weit entfernt klingt jetzt das Thema des ersten Allegro. Immer weiter verliert sich die Seele in den Träumen. Finsternis und Verdruss sind von ihr gewichen. Das ist das Glück! Aber es ist nur ein Traum und mit grausamer Kraft weckt uns das Schicksal. Im ganzen Leben wechseln grimmige Wahrheit und flüchtige Träume vom Glück einander ab. Es gibt keinen Himmel. Wir werden von den Wellen mitgerissen, hierhin und dorthin, bis das Meer uns verschlingt. Das ist ungefähr der Inhalt des ersten Teils. Der zweite Teil handelt von einer anderen Phase des Leidens. Jetzt ist es die Melancholie, die uns übermannt, wenn wir abends allein zu Hause sitzen, müde von der Arbeit, während das Buch, das wir zur Zerstreuung lesen wollten, uns aus der Hand gleitet. Alte Erinnerungen an früher tauchen wieder auf. Es macht uns traurig, daran zu denken, obwohl es bereits vergangen ist und niemals wiederkehrt. Trotzdem sind diese Erinnerungen an unsere Jugend süß. Wir betrachten die Vergangenheit mit Bedauern, obwohl wir weder den Mut noch die Sehnsucht danach haben, ein neues Leben anzufangen. Wir sind des Lebens ziemlich müde. Wir würden uns gerne etwas ausruhen und auf unser Leben zurückblicken, während wir uns an alles Mögliche erinnern. Einst strömte das Blut warm durch unsere Adern und das Dreieinigkeitskirche Die Dreieinigkeitskirche an der Gesandtenstraße ist ein stattlicher Bau des 17. Jahrhunderts. Ungewöhnlich sind die barocken Prunk-Grabmäler an den umgebenden Hofwänden. Die Namen der Verstorbenen sind eindeutig unregensburgerisch: von Kniestedt, von Treskow, Björnstjerna. Etwa 40 Grabsteine halten hier das Andenken an evangelische Exulanten und Reichstagsgesandte wach, die hier verstarben. Der Bau der Dreieinigkeitskirche war notwendig geworden, weil in der Stadt nur wenige Bauten – vor allem die Neupfarrkirche – dem evangelischen Gottesdienst zur Verfügung standen. So errichtete 1627-31 der Nürnberger Baumeister Hans Carl auf städtischem Grund einen einschiffigen, tonnengewölbten Raummit den üblichen Emporen einer Predigtkirche. Von den beiden Osttürmen wurde nur der nördliche vollendet. Die Formen der Architektur sind frühbarock, jedoch noch mit Anklängen an die Gotik, vor allem im stuckierten Rippenwerk des Inneren. Die Dreieinigkeitskirche zählt zu den ersten bedeutenden Kirchenbauten in Bayern. TAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI2006 6 Rian de Waal Foto: Hermien Lam Jos van Immerseel Foto: Johan Jacob Peter Tschaikowsky

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