Tage Alter Musik – Programmheft 2010

Anima Eterna Bruggeund Jos van Immerseel, diese beiden Namen sind untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Symphonieorchester Anima Eterna Brugge geht der Dirigent Jos van Immerseel immer wieder aufs Neue auf die Suche nach den Ursprüngen einer jeden Komposition. Die Zusammenarbeit zwischen dem Dirigenten und seinem Orchester ist geprägt von der gemeinsamen Leidenschaft für die epochengetreue Rekonstruktion des musikalischen Erbes. Mozart verlangte von den Musikern, die seine Stücke aufführten, „dass jedermann glaubt, dass der Musiker der Komponist selber ist“ . An diesem Postulat orientiert sich auch Anima Eterna Brugge , was den Konzerten des Orchesters Farbe und Reichtum verleiht. Anima Eterna Brugge vereint Forschung und Praxis zu einer überzeugenden Symbiose, indem es die originalen Partituren einer kritischen Untersuchung unterzieht und auf Epocheninstrumenten spielt und so die ursprüngliche Orchestrierung rekonstruiert. Dies hat zur Wiederentdeckung eines Klangidioms geführt, das mit dem üblichen modernen Orchesterklang in keiner Weise übereinstimmt. In den vergangenen Jahren ist es Anima Eterna Brugge gelungen, einen ausgezeichneten Ruf zu erlangen. Er ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Orchester häufig und erfolgreich die ausgetretenen Pfade des späten 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts verließ, wobei die neuen Erkenntnisse als Leitfaden dienten. So wurden die Aufführungen und Einspielungen der symphonischen Werke von Mozart, Beethoven und Schubert, Brahms und Johann Strauß, Tschaikowsky und RimskiKorsakov, Liszt und Ravel von der internationalen Musikkritik begeistert gefeiert. Das Regensburger Tage-AlterMusik-Publikum konnte in den vergangenen 10 Jahren die rasante Entwicklung von Anima Eterna Brugge hautnah miterleben. Nach 2000 (Mozart: Klavierkonzerte), 2001 (Brahms, Strauß) , 2004 (Rimski-Korsakov, Borodin), 2006 (Liszt, Grieg, Tschaikowski), 2008 (Berlioz, Liszt) gastiert dieses Ausnahmeorchester zum sechsten Mal bei den Tagen Alter Musik. Seit 2003 residiert Anima Eterna Brugge mit Jos van Immerseel als „Orchestra in residence“ im neuen Concertgebouw in Brügge. Bis heute hat das Orchester ca. 40 CDs eingespielt, darunter Gesamteinspielungen von Mozarts Klavierkonzerten, der Symphonien Schuberts und Beethovens. Jüngste Veröffentlichung (Februar 2010) für Zig-Zag-Territoires ist eine fantastische Neuproduktion der Symphonie fantastique von Hector Berlioz. Zum Programm: Die letzten drei Sinfonien oder Mozart der Fortschrittliche, befreit von den Fesseln des Wiener musikalischen Geschmacks… „Mozarts Sinfonienwaren kein L’art pour l’art, sondern Musik, die in einer ganz bestimmten Absicht geschrieben wurde. Wer diese Werke aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang reißt, beraubt sie eines Teils ihrer Tragweite“ (Neal Zaslaw: Mozarts Sinfonien). Im Laufe des Sommers 1788 schrieb dieser Komponist und Musiker in kaum 10 Wochen drei Sinfonien von großer Qualität, die sowohl im Hinblick auf ihre Komplexität als auch auf ihre Länge neue Wege einschlugen. Mozart war damals 32 Jahre alt. Er lebte in Wien, einer Stadt, die ihm in den vergangenen Jahren zahlreiche Chancen geboten hatte. Soziologisch gesehen fand er dort ein Milieu vor, das die besten Musiker mit einem enthusiastischen Publikum zusammenbrachte. Persönlich ermöglichte ihm diese Stadt, sich dem emotionalen Druck seines Vaters Leopold und seines alten Arbeitgebers, des Salzburger Fürstbischofs Hieronymus von Colloredo, zu entziehen. Das Wiener Publikum war jedoch konservativer denn je und versagte dem Meister auf seinem modernistischen Kurs die Gefolgschaft. Als Wolfgang seine Konzerte für die Spielzeit 1788/89 zur Subskription annoncierte, fand sich nur ein einziger Abonnent: der Baron van Swieten! Strukturell war das Wiener Stadtbild der getreue Spiegel des sozialen Gewebes seiner Einwohner. In seiner lebendigen „Skizze von Wien“ (1786-1790) beschrieb Mozarts Freund und Logenbruder Johann Pezzl sein Funktionieren folgendermaßen: „Wenn der Neuankömmling zunächst seine Werkstatt in einer Vorstadt aufschlägt, ist es stets seine heftigste Begierde, in wenigen Jahren Herr der Inneren Stadt zu werden. Ein junger Geselle, der seine Laufbahn in den randständigen Vierteln beginnt, glaubt, daß er einen nennenswerten Erfolg erzielt hat, wenn er neun Monate später eine Stelle in einer Werkstatt der Inneren Stadt gefunden hat und dafür von seinen Kameraden beneidet wird. (…) Alles was wichtig, prunkliebend, adelig und wohlhabend ist, findet seinen Weg durch die Innere Stadt. Die Vorstädte rangieren weit unterhalb der Herrin der Quartiere, die sich mitten in ihrer Mitte befindet.“ Als Mozart diese Sinfonien schrieb, wohnte er bereits seit einigen Jahren (seit dem 16. Februar 1785) notgedrungen in der Domgasse nahe der Großen Schulergasse im Schatten der Peripherie Wiens. So trug der beliebte und beklatschte Komponist, der mit seiner „Hochzeit des Figaro“ (1786) gerade einen seiner großen Erfolge feiern sollte, ein Stigma an sich. Wien „hatte verschmäht, was er zu bieten hatte, hatte seine Inspiration versiegen, seine Bitten abblitzen lassen“ (Wolfgang Hildesheimer: Mozart). Mozart wollte sich nicht länger an die Wiener Mode der galanten Musik halten und man warf ihm vor, ein Dissonanzenjäger zu sein. Als Zentrum des musikalischen Lebens beherbergte Wien in seinen Adelskreisen zahllose komponierende Amateure, deren Stil konservativ war. Wollten sie Mozart ausschließen, um sich selbst zu schützen? Die schwierige ökonomische Situation, Ergebnis des bewaffneten Konflikts zwischen Österreich und dem Ottomanischen Königreich, tat ein übriges, das Lebensniveau TAGEALTERMUSIKREGENSBURG Anima Eterna Brugge (Belgien) MAI2010 44 Anima Eterna Brugge Foto: Christoph Kalscheuer Montag, 24. Mai 2010, 20.00 Uhr, Neuhaussaal, Arnulfsplatz Leitung: Jos van Immerseel Jos van Immerseel Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791): Die letzten drei Symphonien Foto: H. Sorgeloos

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