Tage Alter Musik – Programmheft 2011

talisten offiziell als Blockflötenspieler und Mitglieder eines bestehenden Blockflötenconsorts angestellt waren. Dank erhaltener Dokumente sind wir für den Zeitraum nach 1540 sehr gut über die Namen der damaligen Musiker und ihr Aufgabenfeld informiert; ihr Repertoire wird aber leider in Quellen und Aufzeichnungen nicht erwähnt. Für den Zeitraum vor 1540 gibt es keine Spuren solch eines unabhängigen Ensembles spezialisierter Blockflötenspieler am englischen Hof; es scheint, dass zu dieser Zeit das Spielen im Blockflötenconsort noch Teil der vielfältigen Aufgaben der Hofbläser war, entsprechend der Standardpraxis unter Berufsbläsern in England und Europa während des gesamten 16. Jahrhunderts. Und obgleich es Gründe genug gibt anzunehmen, dass Blockflöten am frühen Tudor-Hof ziemlich häufig gespielt wurden, vermissen wir wieder jedweden eindeutigen Beweis bezüglich der Musik, die dort aufgeführt wurde. Es war die Krönung des zweiten Tudor-Königs Heinrich VIII., die 1509 die Blütezeit des Blockflötenconsorts am englischen Hof einläutete. Heinrich VIII. spielte selbst Blockflöte: Wie eine Chronik bereits 1510 berichtete, »übte er sich täglich [...] im Spiel der Blockflöte«. Dies setzte er offensichtlich bis in die letzten Jahre seiner Herrschaft fort, denn 1542/43 wurde ein Futteral für sieben Blockflöten der königlichen Instrumentensammlung für » the King’s Majesty’s own use « (»der Königlichen Majestät eigenen Gebrauch«) reserviert. Zum Zeitpunkt seines Todes 1547 umfasste die königliche Instrumentensammlung außerdem nicht weniger als 76 » recorders greate and smale « (»große und kleine Blockflöten«). Letztlich war es den anhaltenden persönlichen Bemühungen Heinrichs VIII. zu verdanken, dass 1540 fünf Brüder der berühmten venezianischen Bassano-Familie, einer Dynastie von Bläsern und Holzblasinstrumentenbauern, schließlich überzeugt werden konnten, nach London auszuwandern, um dort ein spezialisiertes Blockflötenensemble zu gründen. Dieses Hof-Blockflötenconsort blieb bis etwa 1630 neben den anderen Instrumentalconsorts der Traversflöten, Violinen, Posaunen usw. bestehen. Die verstorbenen Mitglieder des ursprünglichen Consorts wurden durch ihre Söhne und einige einheimische Spieler ersetzt. Die Bassanos waren weder die ersten noch die einzigen italienischen Musiker am englischen Hof: Bereits im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wurden ein Lautenist und zwei Organisten italienischer Herkunft eingestellt, und im Verlauf der nächsten 20 Jahre waren nicht weniger als acht italienische Posaunisten am englischen Hof aktiv. Vier der Bassano-Brüder hatten London bereits 1531 (als Mitglieder dersackbuts ) besucht, und 1540 wurde parallel zu dem Blockflötenensemble ein Consort gegründet, welches aus sechs italienischen Gambisten bestand. Die große Bedeutung der Ernennung der Bassanos liegt also nicht so sehr darin, dass sie aus Italien kamen, sondern dass sie bereits vorher als Blockflötenspieler und Instrumentenbauer in Venetien berühmt waren. In dieser Region hatte das Blockflötenspiel zu diesem Zeitpunkt schon ein außergewöhnlich hohes Niveau erreicht. Dies bestätigt Sylvestro Ganassis TraktatOpera Intitulata Fontegara (Venedig, 1535), das erste und bei weitem auch kompletteste, ausführlichste und gründlichste Blockflötenlehrbuch, das jemals veröffentlicht worden ist. Zusätzlich zu ihrer Virtuosität und ihrer Repertoirekenntnis brachten die Bassanos große handwerkliche Kunstfertigkeit nach London mit und gründeten dort eine weltberühmte Holzblasinstrumentenbauwerkstatt. Einige der Bassanos waren außerdem als Komponisten aktiv. Auch Mitglieder des venezianischen Zweigs der Familie setzten ihre Arbeit als Spieler, Instrumentenbauer und Komponisten bis ins 17. Jahrhundert fort und erlangten damit internationalen Ruhm. Anmerkungen zum heutigen Programm Einige Ideen für das Repertoire des Blockflötenconsorts zu Beginn der Herrschaft Heinrichs VIII. können dem CodexGB-LblAdd.31922 entnommen werden, allgemein bekannt als das Henry VIII’s Manuscript . Inspiriert durch die vielen ähnlichen Codices, die um die gleiche Zeit für aristokratische Musikliebhaber in Süddeutschland und in Norditalien zusammengestellt wurden, repräsentiert sein Inhalt die Art von Musik, die in der nächsten Umgebung des Königs täglich erklungen sein muss. Das Manuskript, um 1520 zusammengetragen, enthält hauptsächlich drei- und vierstimmige Vokalmusik mit und ohne Text sowie instrumentale Stücke von einer Vielzahl sowohl bekannter als auch unbekannter englischer Komponisten, einschließlich einiger Werke Heinrichs VIII. Dazu kommen eine große Anzahl anonymer Werke und einige der populärsten Stücke der führenden franko-flämischen Komponisten jener Zeit. Bis in die frühen 20er Jahre des 16. Jahrhunderts wurde der musikalische Geschmack am Tudor-Hof durch den franko-flämischen Stil geprägt (eine wichtige Ausnahme bildete die geistliche Musik an der Chapel Royal). Diesen flämischen Einfluss kann man auch in einigen Werken der englischen Komponisten des Henry VIII’s Manuscriptwiederfinden. Für unser Programm entschieden wir uns für folgende Stücke aus dieser Sammlung: Das anonymeAnd I were a maiden , die einzige fünfstimmige Komposition des Manuskriptes; den dreistimmigen Satz Heinrichs VIII. des überaus populären basse-dance- LiedesTaunder naken ; den anonymen dreistimmigen Satz des ebenso populären Chansons Iay pryse amours ; sowie zwei Werke des südniederländischen Komponisten Heinrich Isaac: erstens das dreistimmige Benedictus aus derMissa Quant jay au coeur , und zweitens das vierstimmige Instrumentalstück La my . Die beiden letzten Kompositionen waren über die Grenzen Englands hinaus bekannt und sind in vergleichbaren europäischen Quellen des frühen 16. Jahrhunderts zu finden. Als Eröffnungsstück unseres Programms haben wir ebenfalls ein Werk eines franko-flämischen Komponisten gewählt: Adiutorium nostrum von Antoine de Févin. Dieses Stück bildet als secunda parsmit demCeleste beneficium (alsprima pars ) von Jean Mouton (hier nicht aufgeführt) die feierliche Eröffnungs- und Widmungsmotette des prächtigen, illuminierten CodexGB-LblRoy.8.G vii, welcher zwischen 1513 und 1525 im damals weltberühmten scriptorium des Petrus Imhoff (alias Van den Hove, oder besser bekannt unter seinem Pseudonym Petrus Alamire) in der flämischen Stadt Mechelen zusammengestellt wurde. Möglicherweise war es ein Geschenk der Habsburger an Heinrich VIII. und seine erste Frau Katharina von Aragón. Alamire handelte auch mit Musikinstrumenten und war zwischen 1515 und 1518 als Spion für den englischen Hof tätig. Während der ersten zwei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts waren alle Hof-Bläser Heinrichs VIII. flämischer Herkunft, und ebenso sein neuer Lautenist Philip Van Wilder, der sich um 1520 in England niederließ. Van Wilder wurde einer der Lieblingsmusiker des Königs; er stieg zur Position des Lautenlehrers der königlichen Prinzen und Prinzessinnen auf, wurde offizielTAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI2011 13 Reichssaal Regensburg war seit den Karolingern bevorzugter Ort für die Abhaltung von Reichstagen. Im Mittelalter zählte man 45 Reichstage in Regensburg. 1541 war der Reichssaal Ort des berühmten Religionsgesprächs zwischen Melanchthon und Dr. Eck. Von den Reichstagen sind besonders der von 1623, bei dem Bayern die Kurwürde erhielt, und der von 1630, als Wallenstein von der Mehrheit der katholischen Fürsten abgesetzt wurde, zu nennen. Von 1663 bis 1806 war der Reichssaal Tagungsort des „Immerwährenden Reichstags“. Er ist als erstes deutsches Parlament anzusehen. Der um 1360 gebaute Reichssaal darf in seinen Dimensionen und seinemAlter für Deutschland als einzigartig gelten. Hervorzuheben ist die mächtige Holzdecke, an deren Unterseite man die Relieffigur des thronenden Petrus (des Stadtpatrons) erkennt.

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