Zum Programm: DieDalmatik , ein imMittelalter von Männern und Frauen getragenes Kleidungsstück, ist ein byzantinisches Priestergewand. Als symbolisches Verbindungsstück zwischen byzantinischer und römischer liturgischer Tradition war sie Inspirationsquelle für dieses Konzert, an dem sechs traditionelle Vorsänger aus Kroatien zusammen mit den vier Sängerinnen von Dialogos das dalmatinische Repertoire seit dem Mittelalter interpretieren. In vielen Regionen Kroatiens wurde der römisch-katholische Gottesdienst seit dem Mittelalter traditionell zusätzlich zum offiziellen Lateinisch in Altslawisch und Altkroatisch ( scavet ) gefeiert. Glagolitischer Gesang , so lautet der gebräuchliche Begriff für diese Art geistlicher Musik. Er ist noch erhalten in einigen kroatischen Gemeinden an der Küste, auf Inseln und im Hinterland, wo er regelmäßig das ganze Kirchenjahr hindurch intoniert wird mit Höhepunkten in der Weihnachts- und der Fastenzeit, besonders während der Karwoche. Die beiden Gesangsensembles erkunden Stücke aus der Mess- und Offiziumsliturgie sowie Rituale aus dem Volksglauben. Wir haben seltene Stücke ausgewählt, die Traditionen dieses Landes repräsentieren, die sich eines sehr speziellen „doppelten Status“ in der römischen Kirche erfreuten, da es kroatischen Priestern erlaubt war, die Liturgie in der kirchenslawischen Sprache in Gegenden zu feiern, wo das schon gebräuchlich war. Auf diese Weise lebten die dalmatinische Küste Kroatiens und die Inseln in einer doppelten, zweisprachigen liturgischen Tradition: lateinisch und glagolitisch. Aus dem mittelalterlichen Kroatien erhaltene liturgische Bücher bezeugen ebenfalls diese doppelte Tradition: Neben der wunderschönen Kalligraphie von in Beneventana-Notation geschriebenen Handschriften, die aus Süditalien kamen, finden wir andere Quellen in der in Kroatien benutzten glagolitischen Handschrift. Zwischen Genealogien, Ankündigungen beweglicher Feste und Akklamationen werden lateinische Gesänge meistens von den vier Sängerinnen vonDialogos dargeboten, während die glagolitischen Stücke von den sechs Sängern vonKantadurigesungen werden, wodurch ein reiches Klangfresko entsteht. DieDialogos -Sängerinnen präsentieren einzelne seltene Glanzstücke, die in kroatischen lateinischen Handschriften erhalten blieben, von denen einige aus Schwesternklöstern stammen. DialogosundKantaduri singen eine polyphone Lesung für die Weihnachts-Matutin, die aus der kontinentalen Tradition Kroatiens stammt, zusammen mit einer Reihe von Stücken aus verschiedenen Handschriften, die in den Klöstern an der dalmatinischen Küste kopiert wurden. Eines der wichtigsten Zeugnisse archaischer mittelalterlicher lateinischer Polyphonie ist das tropierte Sanctus aus dem Benediktinerinnenkloster in Zadar, das ein dissonantes, raues musikalisches Universum zeigt und vollkommen verschieden ist von dem sanften Tota pulchra es , Maria , das im Franziskanerkloster derselben Stadt kopiert wurde. Ein fragmentarisches Pergamentblatt in Zadar (mit dem ResponsoriumAnte sex dies ) zeigt noch eine weitere musikalische Tradition, die aus Süditalien übernommen wurde: Beneventana-Gesang. Dieselbe Beneventana-Tradition in Dalmatien ist auch erhalten in dem berühmten Gebetbuch aus Dubrovnik (mit der Karfreitags-Antiphon zur Verehrung des Kreuzes Crucem tuam). Aus der dalmatinischen Stadt Trogir repräsentieren zwei Quellen die lateinische und die kroatische Tradition: eine Weihnachts-Lesung (In principio erat verbum) und ein ergreifender Monolog des Judas, als er beschließt, sich aufzuhängen (Govorenje Judino). Die beiden Seiten dieses Programms sind wie zwei Perspektiven einer Realität, und einige der Stücke dienen einander buchstäblich als Spiegel: So stammen die Stücke O, Bog se rodo und Svit se konca beide aus einer Gedichtsammlung des 14. Jahrhunderts in altslawischer Sprache. Das erste von ihnen ist in diesem Programm als traditioneller Gesang von der Insel Rab enthalten, das zweite dient als Basis für eine melodische Rekonstruktion eines Gesangs über das Ende der Welt. Das Vokalensemble Kantaduri bringt eine Auswahl von geistlichen, liturgischen und paraliturgischen Gesängen aus lokalen Traditionen (städtischen und ländlichen) von Küsten-, Insel- und Hinterlandregionen Kroatiens. Durch die ganze Geschichte hindurch wurden und werden die meisten dieser Traditionen geschaffen, überliefert, geleitet und erhalten von männlichen Sängern. Das Repertoire der Kantaduri-Sänger erforscht die Verschiedenheit regionaler Herangehensweisen an liturgischen Gesang durch die Besonderheiten lokaler Repertoires. Ihr Singen eröffnet einen Blick auf nebeneinandergestellte charakteristische Gesangstraditionen. Beispiele für die archaischsten Gesangs-Stile sind Bog se rodi v Vitliomi, gesammelt in Supetarska Draga (Insel Rab), Strofa aus der Prozession Za krizen, gesammelt in Vrbanj (Insel Hvar) und Kantanje aus der Karfreitags-Prozession, gesammelt in Zagvozd (dalmatinisches Hinterland). Die Beispiele aus der Zadar-Region (sowohl Inseln als auch Hinterland) und der Neretva-Tal-Region gehören zur älteren Tradition, die charakterisiert wird durch Quinten-Endungen (pjevanje na bas). Die übrigen musikalischen Beispiele entsprechen neueren traditionellen Singstilen, modifiziert unter dem Einfluss des vorherrschenden traditionellen Stils namens klapa-Gesang. Eine überraschende Vielfalt musikalischer Stile und Nuancen eröffnet sich modernen Hörern und wirft eine subtile (und fast unangenehme) Frage auf über unseren Versuch, einen „authentischen“ Klang historischer liturgischer Musik von jedem denkbaren Ort zu rekonstruieren: Diese hochvirtuosen Gesänge glagolitischer und lateinischer Tradition kommen aus benachbarten Städten und Dörfern oder sogar vom selben Ort. Ihre vokalen und musikalischen Stile bezeugen außerordentlich große Unterschiede, die auch für andere Örtlichkeiten in Kroatien typisch sind. Der Prozess der Überlieferung von Melodien vom Vater auf den Sohn zeigt eine sehr detaillierte Genauigkeit bezüglich jeder Charakteristik von Textartikulation, Stimmung und Verzierung. Wenn wir eine mittelalterliche Sing-Tradition der Stadt Zadar rekonstruieren sollten, welches der Klöster würden wir als Modell nehmen, wenn wir für unser Werk nur Zugang zu einem geschriebenen Dokument aus der Hauptpfarrkirche der Stadt hätten? Musikalische Traditionen der Vergangenheit scheinen aus sehr viel delikateren und unterschiedlicheren Fäden komponiert zu sein, als wir erwarten; manchmal entgehen sie unseren analytischen Versuchen genauso, wie die Sensibilität lebender Kantoren den geschriebenen Aufzeichnungen der seltenen erhaltenen Handschriften entgeht. Wie die Byzantiner nicht zögerten, verschiedene Perlen und Edelsteine an ihre Dalmatik zu nähen, so weben unsere beiden Gruppen von Sängern eine Dalmatik, die in einer Vielfalt von liturgischen und devotionalen Sprachen aus demmittelalterlichen Kroatien leuchtet. © Katarina Livljanic & Josko Caleta Dominikanerkirche Die Dominikanerkirche gehört zu den frühesten Schöpfungen der deutschen Gotik und ist eine der größten Bettelordenskirchen in Deutschland. Mit ihrem Bau wurde 1246 begonnen. Anfang des 14. Jahrhunderts war die Kirche bereits fertiggestellt. Albertus Magnus, der berühmte Gelehrte und Bischof von Regensburg, wirkte von 1236 bis 1240 im Regensburger Dominikanerkloster. Die Kirche wurde gemäß der Regel des Bettelordens der Dominikaner in strenger Schlichtheit erbaut. Sie besitzt deshalb auch keinen ihren Ausmaßen entsprechenden Turm. Unter den Wandfresken im Inneren ist v. a. eine Darstellung der 14 Nothelfer von 1331 hervorzuheben, eine der frühesten, die wir kennen. Die Fresken wurden bei Renovierungsarbeiten zwischen 1967 und 1973 freigelegt. TAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI2011 23 Cover der CD “La Vision de Tondal” von Dialogos
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