Tage Alter Musik – Programmheft 2011

Das Ensemble Lucidarium setzt sich aus internationalen Spezialisten für Musik des Mittelalters und der Renaissance zusammen. Neben ihrer intensiven Konzerttätigkeit sind die Mitglieder des Ensembles auch als Lehrende und Forschende an bedeutenden Instituten wie dem Centre de Musique Ancienne in Genf oder dem Centre Européen des Musiques Médiévales der Royaumont-Stiftung tätig. 2004 gastierte das Ensemble Lucidarium erstmals in Regensburg und machte die zahlreichen Besucher im Dom mit jüdisch-italienischer Kultur des 16. Jahrhunderts bekannt. Die Produktion „La Istoria de Purim“, die damals ihre Premiere feierte, hat das Ensemble seitdem weltweit von Budapest bis Berkeley über 70 Mal sehr erfolgreich aufgeführt; sie wurde beim CD-Label K 617 veröffentlicht. Die neueste CD-Einspielung „Una Musa Plebea“ erschien soeben beim Label Raumklang. Im Anschluss an das Regensburger Konzert gastiert das Ensemble Lucidarium in Boston beim renommierten Early-Music-Festival. Zum Programm: Unter den weitverzweigten Wurzeln der Commedia dell’Arte hat die alte Tradition des Straßentheaters zweifellos den größten Einfluss auf ihre Entwicklung genommen. Die wandernden Schauspieler der Zeit lebten immer noch am Rande der Gesellschaft. Bei ihren Vorstellungen, die alle Publikumsschichten anzogen, schöpften sie aus einem unermesslichen Repertoire komischer oder pathetischer Szenen und Charaktere und parodierten (auch durch übertriebene Kostüme) Typen wie den wohlhabenden Kaufmann, den armen Bauern oder den unverschämten Glücksritter. Es handelte sich um eine Form des Theaters, die von den Darstellern nicht nur artistisches Geschick, sondern auch große Eloquenz und musikalische Begabung erforderten. Aber die Commedia dell’Arte war viel mehr als das: Ihre 200-jährige Geschichte markiert ein Goldenes Zeitalter des Theaters zwischen Renaissance und Barock. Im Lauf des 16. Jahrhunderts, als das Mäzenatentum in Italien in eine Krise geriet, verloren viele Schauspieler und Musiker ihre Anstellung bei Hof. Um überleben zu können, organisierten sie sich in professionellen Kompanien, die nun öffentlich auftraten. Seit den Anfängen der Commedia und während ihrer gesamten Blütezeit kam dabei der kreativen Verbindung von Sprache, Gesang und Instrumentalmusik größere Bedeutung zu als den rein physisch-akrobatischen Aspekten des Genres. Tatsächlich basierte die Commedia dell’Arte in erster Linie auf einer Art Stegreifspiel, hoher verbaler Improvisationskunst und brillanter Situationskomik. Als sich um 1500 eine neue - dialektal wie in italienischer Hochsprache gepflegte - Form der «Frottola» herausbildete, deren Stoffe und Motive aus dem reichen Personal- und Szenenkatalog der Commedia dell’Arte stammten, geschah dies unter federführender Beteiligung norditalienischer Sängerlautenisten aus dem RaumMantua und dem Veneto. Interessanterweise stehen auf musikalischer Ebene leicht fassliche melodische Formen neben seriösem Kontrapunkt; ein mögliches Indiz dafür, dass diese Entwicklungen - vergleichbar dem zur selben Zeit florierenden französischen «Chanson rustique» - dramatischen Ursprungs waren. Als ihre eigentliche Geburtsstätte ist höchstwahrscheinlich Mantua anzunehmen, wo das Haus der Gonzaga seit dem Zeitalter des Humanismus eine der lebendigsten Kunst- und Musikszenen Italiens nach Kräften förderte. (Es ist wohl kein Zufall, dass es auch Mantua war, wo mit Angelo Polizianos «Fabula di Orpheo» 1480 der Prototyp der Barockoper geschaffen wurde.) Die Schöpfer dieser «theatralischen» Frottole waren oft anerkannte Meister ihres Fachs wie Marchetto Cara, Antonio Capriol und Rosso Mantovano. Dennoch ist der Großteil erhaltener Stücke anonym überliefert; gut möglich, dass es sich dabei um Werke berühmter Komponisten handelt, die mit diesem «niederen» Genre nicht TAGEALTERMUSIKREGENSBURG Ensemble Lucidarium (Italien) JUNI2011 Sonntag, 12. Juni 2011, 11.00 Uhr (Matinee) Minoritenkirche, Dachauplatz „Con l’Arte e con l’Inganno“ – Die Commedia dell’Arte und die Musik 28 Ensemble Lucidarium

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