Tage Alter Musik – Programmheft 2022

43 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 8 im Schlaf“) hat Vivaldi – anspielend auf das zentrale Textmotiv – als wiegenliedaffines, schwermütiges Largo im 12/8-Takt vertont. Anders als im Falle der zeitlich konzentriert entstandenen geistlichen Musik ist die Oper in Vivaldis Karriere praktisch durchgehend ein wichtiger Fixpunkt gewesen. Schon zu Anfang der 1720er Jahre ist er offensichtlich eine prominente Figur der venezianischen Opernszene gewesen, wie Benedetto Marcellos anonym publizierte Satireschrift Il teatro alla moda (1720) belegt, in der Vivaldi als „Aldiviva Licante“ persifliert wurde. Zur Spitzenliga italienischer Opernkomponisten hat er dennoch nie auf Dauer gehört und trotz früher erfolge kein anhaltendes Renommee auf hohem niveau etablieren können. Opernaufträge („scritture“), die einen wichtigen Gradmesser für das Ansehen eines Opernkomponisten darstellten, kamen selten von Theatern ersten Ranges. Auch Anzahl und einschlag seiner erfolgsopern sowie die handschriftliche Überlieferung von einzelarien weisen ihn gerade im Vergleich mit zeitgenössischen Größen wie Alessandro Scarlatti (1660–1725), Leonardo Leo (1694–1701) oder Johann Adolf Hasse (1699–1783) nicht unbedingt als internationales Bühnenschwergewicht aus. Immerhin aber gehörte Vivaldi zu Beginn seiner Opernkarriere in den 1710er Jahren neben anderen Landsleuten wie Antonio Lotti (1667– 1740) oder Tommaso Albinoni (1671–1751) zu den erfolgreichen Vertretern eines genuin venezianischen einflusses auf die „Opera seria“ – wie das maßstabbildende „dramma per musica“ der Zeit heute genannt wird. Deren allgemeingültige Grundkonzeption bestand aus einemWechsel von handlungsvorantreibendem Rezitativ und reflektierender Arie (regulär in Da-capo-Form), der typischerweise drei Akte ausfüllte und Chorsätzen nur eine Randrolle zugestand. Das Personentableau des Librettos sah meist zwei Liebespaare vor, einen Herrscher und ein oder zwei zusätzliche Vertraute, die durch ein oftmals verwirrendes Wechselbad von Intrigen, Täuschungen und Irrtümern geführt wurden, bevor schließlich ein unfehlbar erreichtes glückliches ende („lieto fine“) alle Konflikte in mehr oder weniger zwanghaft hergestellte Harmonie auflöste. In diese Rahmenbedingungen fügte Vivaldi vor allem durch einen dramatischen Orchestereinsatz, der ihm als hochbegabtem Instrumentalkomponisten nahelag, neuartige dramatische Ausdrucksmöglichkeiten ein. nach den 1720er Jahren scheint dieser Zug allerdings wieder außer Mode gekommen zu sein, während ein Vivaldi eher fremder, stärker auf vokale Biegsamkeit abonnierter Stil, für den etwa Hasse stand, erfolge verbuchen konnte. Vivaldis Opernlaufbahn hatte nach 1736 ihren Zenit überschritten, und von den skandalträchtigen beruflichen niederlagen, die er kurz darauf im Zusammenhang mit Bühnenprojekten in Ferrara hinnehmen musste, sollte sich sein Ansehen nicht mehr erholen. Über zwei Jahrzehnte zuvor hatte Vivaldis Opernkarriere mit Ottone in Villa begonnen, das 1713 am Teatro delle Grazie in Vicenza aufgeführt wurde. nach gesamtitalienischen Maßstäben handelte es sich hier um eine zweitrangige Bühne, aber die folgenden Opern des Komponisten sollten bereits in der prestigeträchtigen Lagunenstadt inszeniert werden. Titelheld in Vivaldis erstling ist der historische Kurzzeitkaiser Otho (32–69), allerdings interessiert sich das Libretto nicht im Geringsten für dessen Rolle Antonio Vivaldi?, Anonym 1723 Antonio Vivaldi, Kupferstich von François Morellon la Cave, 1725

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