Tage Alter Musik – Programmheft 2023

TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 9 wendung von Akkordblöcken im tiefsten Register des Instruments gekennzeichnet ist. Die Dichte der Partitur spricht für sich selbst. Sie verrät auch einen bemerkenswerten Sinn für Dramatik, für Brüche, eine kraftvolle Rhetorik, die oft überrascht, und für die meisterhafte Beherrschung des Schwunges, unterbrochen durch plötzliche ausrufartige Gesten. Ich kann nicht sagen, ob der Mann von Wahnsinn befallen war, aber auf jeden Fall entspricht seine Klangsprache ganz dem von Le Blanc beschriebenen „temperamentvollen“ Charakter, der ebenso oft zu Wutausbrüchen wie zu Gefühlen der Zärtlichkeit neigt. Tatsächlich hat uns genau diese Idee auch dazu geführt, für jedes der Stücke eine charakteristische Farbe für das Continuo anzustreben. es scheint, als wäre die Geschichte der französischen Gambe mit den Forquerays an ihr ende gelangt, aber könnte der Grund hierfür auch sein, dass das Instrument die Grenzen seines Potentials ausgereizt hatte? Wir sollten uns daran erinnern, dass die Hauptursache für seinen niedergang im größeren Kontext zu suchen ist. Das Aufkommen öffentlicher Konzerte veränderte die Musikkultur und führte zu einer umkehrung der Rollen. Man musste sich an eine völlig neue akustische umgebung anpassen. Das Instrument hatte zweifelsohne noch viel zu bieten, seine einzige wirkliche Einschränkung war seine geringe Lautstärke. Als nächstes stellt sich das Problem des Repertoires, denn für Komponisten war es logischerweise lohnender, ihre Musik für ein großes Publikum zu komponieren als für private Salons, und sie bevorzugten daher als Medium die Violine oder große Ensembles. Die Gambe stand nicht mehr imMittelpunkt des kulturellen Lebens. Aber die Forquerays waren nicht die Einzigen, die Widerstand leisteten, und es wäre höchst ungerecht, so bedeutende Gambenspieler wie Louis de Caix d’Hervelois, Roland Marais, Jean-Baptiste Cappus oder Charles Dollé (der noch bis in die 1750er Jahre aktiv war) zu verschweigen. Durch die Aneignung von Werken, die ursprünglich für die Violine geschrieben waren, hatte Forqueray die Grenzen erheblich erweitert, die Gambe aus ihrer Komfortzone befreit und ihr neue Möglichkeiten gegeben, sie aber auch vor neue Herausforderungen gestellt. Doch ihr niedergang konnte nicht aufgehalten werden. Jean-Baptiste Forqueray äußerte in seinem Vorwort zu den Pièces de Viole den Wunsch, das vernachlässigte Instrument vor dem Vergessen zu bewahren, neue Rivalität anzuregen und das unsterbliche Erbe seines Vaters zu sichern…Wenn auch nicht ganz unsterblich, so ist Antoine Forqueray der nachwelt doch sicher erhalten geblieben: Dem Erfolg nach zu urteilen, den die Musik Forquerays heute beim Publikum genießt, bleiben seine Stücke ein Höhepunkt des Genres. Interview: Fannie Vernaz © 2018 harmonia mundi Deutsche Fassung: Janosch Umbreit LeS DéFIS De MonSIeUr ForqUerAy (1672-1745) DIe MUSIKALISCHen HerAUSForDerUnGen ForqUerAyS Unter DeM eInFLUSS ItALIenISCHer zeItGenoSSen MICHeLe MASCIttI (1664?-1760) Libro primo, Sonata II Adagio Allegro (fuga) Largo Allemanda Giga allegro AntoIne ForqUerAy (1672-1745) La Leclair (IIe Suite) JeAn-MArIe LeCLAIr (1697-1764) Quatrième Livre (oeuvre IX), Sonata 2 Andante dolce Allemanda Sarabanda Minuetto FrAnçoIS CoUPerIn (1668-1733) Troisième Livre, 17e Ordre La Superbe ou La Forqueray ArCAnGeLo CoreLLI (1653-1713) Sonate III, opus V Adagio Allegro (fuga) Adagio Allegro Allegro (giga) AntoIne ForqUerAy IVe Suite La Marella La Clément Sarabande La D’aubonne La Bournonville La Sainscy Le Carillon de Passy & La Latour Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Volker Platte, 42897 Remscheid/Lennep, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Konzertdauer: ca. 65 Minuten (keine Pause) ProGrAMM CD: Lucile Boulanger – Les Défis de Monsieur Forqueray CD: Pierre Gallon – J.S.Bach: Französische Suiten BWV 812-817 63

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