Tage Alter Musik – Programmheft 2023

TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 halte? Worin besteht der unterschied zwischen ausübenden MusikerInnen und KünstlerInnen anderer Art? Warum sollte ich mich darauf beschränken, mich nur durch Instrumentalmusik auszudrücken? Könnte ich mich nicht eher als Künstler allgemein und nicht nur als Musiker betrachten? und was ist das Ziel dieser Projekte, deren Entstehung so unendlich viel Zeit in Anspruch nimmt? natürlich, die Musik selbst ist wichtig, aber wie sieht es mit der Kommunikation mit dem Publikum aus? Wie kann ein ‚normales‘ Konzert in ein besonderes Ereignis verwandelt werden – etwas Einzigartiges, das nur einmal in einem bestimmten Raum und zu einer bestimmten Zeit stattfindet und alle Anwesenden, Aufführende und Publikum, einbezieht? ‚Effekthascherei‘ ist typischerweise keine schmeichelhafte Beschreibung für den Charakter eines Musikers oder einer Musikerin. Aber warum ist das so? Sollte in unserer Zeit, in der alles, was die Welt zu bieten hat, auf Knopfdruck über das Internet, Streaming, Social Media usw. abrufbar ist, nicht das Hauptziel einer Live-Vorführung darin bestehen, die ultimative und genuine Show zu schaffen, eine echte Verbindung zwischen Aufführenden und Publikum herzustellen? Für mich kommt kein anderer Weg in Frage, und durch die verschiedenen Programme, die wir mit Barokksolistene erarbeitet haben, haben wir einen reichen Erfahrungsschatz zur Begegnung von Publikum und Aufführenden gesammelt. Durch die Verbindung von improvisatorischen Elementen – sowohl musikalischen als auch theatralischen – und dem Erzählen von Geschichten und halbszenischen Exzerpten aus Opern wagen wir es, Risiken einzugehen: Wir laden unser Publikum ein, mit uns zu singen, oder lassen es zur Rhythmus-Gruppe werden. Einbeziehen, Engagieren und Erforschen sind die Mantras unserer Barokksolistene-Aufführungen. Barokksolistene auf der Bühne In den letzten Jahren haben wir uns zunehmend mit szenischen Produktionen auf die Bühne begeben. Wir haben an verschiedenen Versionen von Purcells Dido und Aeneas mitgewirkt: So waren wir etwa an einer Kooperation von Ballett und Oper für die norwegische nationaloper und das norwegische Ballett (mit dem Choreographen Andreas Heise), einer Version mit SängerInnen und Puppen von Thomas Guthrie und zuletzt einer Version für die norwegische Opernakademie in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Stefan Herheim beteiligt. Ein vereinendes Element all dieser verschiedenen Produktionen ist, dass die Barokksolistene-Musiker unter meiner musikalischen Leitung stets als Teil der Inszenierung integriert sind. Der traum Ende 2019, kurz vor der Pandemie, führten wir am HaugesundTheater in norwegen eine Inszenierung von Shakespeares Ein Sommernachtstraum auf. Hierfür entwickelte ich gemeinsam mit dem Regisseur Erlend Samnøen ein neues Textbuch, und mit sechs prominenten norwegischen SchauspielerInnen und dem Barokksolistene-Team von The Alehouse Sessions wurde Shakespeares Komödie mit der jakobinischen Welt der Alehouse-Playhouse-Sessions durchsetzt. Der Dachboden des Staalehuset in Haugesund wurde in eine Bühne verwandelt und das Publikum zu Getränken und einer Show eingeladen – hier vermischten sich der theatralische Lockdown aus Cromwells London und die Handlung des Sommernachtstraums. Durch das Auftreten der Musizierenden als das Athener Orchester, als Elfen, als Handwerker und auch als sie selbst wurde die Musik zum zentralen nerv der Geschichte. Die MusikerInnen schufen LiveKlanglandschaften, gemischt mit Musik von Purcell (hauptsächlich aus The Fairy Queen), anderen Barockkomponisten und Volksmelodien sowie unseren eigenen Kompositionen. Ich selbst trat als Puck, Philostrates (Diener des Theseus und Dirigent der Hofkapelle) und als ‚Toastmaster‘ des Abends auf und fungierte somit als Bindeglied zwischen Bühne und Publikum, Realität und Schein, Träumen und Wachen, Erzählung und Schauspiel. Vor dem Hintergrund dieser und vieler weiterer Erfahrungen war es unvermeidlich, dass unser nächstes Aufnahmeprojekt The Playhouse Sessions heißen musste: eine Fortsetzung der unbändigen Alehouse Sessions, ohne eine vorhersehbare zweite Auflage derselben zu sein. Es sollte die Erzählungen des Alehouse erweitern, mit szenischer Musik experimentieren und tiefer in Purcell, Shakespeare und die ‚Broadside Ballads‘ eindringen. Darüber hinaus hat es mir auch die Möglichkeit gegeben, eigene Musik zu bekannten und unbekannten Texten zu komponieren und unsere Erzählungen zu aktualisieren. Die Musik – was ist das für ein Genre? Die einfache Antwort wäre, dass unsere Musik sich Grenzen und Klassifizierungen entzieht. Gleichzeitig beginnt sie jedoch mit der Militärmusik und lässt sich im Folgenden von verschiedenen Musikstilen inspirieren. Wie das Gesamtkonzept der Aufnahme selbst wird sie zu einem eigenen Theater, mit allen Elementen, die wir auf die Bühne bringen: Erzählungen, Humor, Überraschungen, Improvisationen, berührende Melodien und vieles mehr. Die Faszination, die diese alten Melodien und der Klang, den historische Instrumente auf mich ausüben, ist auch heute noch sehr lebendig. Aber ich möchte weiter expandieren, erforschen, frei und kreativ herausfordern und dafür die Disziplin und die Ausdrucksformen der Alten Musik als mein Handwerkszeug nutzen. Bei der einzigartigen Konstellation an äußerst neugierigen, erfinderischen und phantasievollen MusikerInnen, die wir mit Barokkso- VorSCHAU tAGe ALter MUSIK 2024 Im nächsten Jahr finden die tage Alter Musik regensburg zum 39. Mal statt. Bitte merken Sie sich den Termin vor: 17. bis 20. Mai 2024 newsletter anfordern unter: www.tagealtermusik-regensburg.de 80

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