Tage Alter Musik – Programmheft 2024

Tage alTer Musik regensburg konzert 1 zum Programm: Glanz & Gloria – Vivaldi & zelenka – Barocke zeitgenossen lange Zeit waren Jan Dismas Zelenkas (1679–1745) kompositionen in Vergessenheit geraten. erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich eine, wenn auch zögerliche Zelenka-renaissance beobachten, vor allem für den bereich seiner geistlichen Werke wie Messen und Vesperpsalmen. geboren in der nähe von Prag, ein Jahr nach seinem ungleich prominenteren Zeitgenossen antonio Vivaldi, zählt er zu einer großen gruppe böhmischer Musiker, die ihre Heimat überwiegend aus wirtschaftlichen gründen verließen, um ihr glück in anderen ländern zu suchen. spätestens im alter von etwa 30 Jahren verließ er Prag und wurde 1710 oder 1711 in der königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen kapelle am katholischen Hof augusts des starken in Dresden als kontrabassist angestellt. Die Jahre 1716 bis 1719 verbrachte Zelenka überwiegend in Wien als Mitglied eines Musikerensembles der Dresdner Hofkapelle, das wohl der unterhaltung des sächsischen Thronfolgers und seiner zukünftigen gattin Maria Josepha, erzherzogin von Österreich, dienen sollte. Diese Zeit nutzte er, um bei Johann Joseph Fux seine kompositionstudien fortzusetzen. nach seiner rückkehr nach Dresden spätestens anfang september 1719 war Zelenka nicht mehr nur als Musiker tätig, sondern unterstützte den Hofkapellmeister Johann David Heinichen bei der Organisation der katholischen Hofgottesdienste. Zu seinen neuen aufgaben zählte darüber hinaus die bereitstellung eigener und fremder neuer kompositionen. nachdem 1728 bzw. 1729 beide Hofkapellmeister, Johann Christoph schmidt und der bereits erwähnte Heinichen, verstorben waren, vertraute man Zelenka während der mehrjährigen Vakanz der beiden stellen die alleinige Verantwortung für die Hofkirchenmusik an, so dass er sich berechtigte Hoffnungen machen konnte, einen der beiden kapellmeisterposten übernehmen zu können. Friedrich august ii., der nach dem Tod seines Vaters 1733 die regierungsgeschäfte übernommen hatte, berief jedoch den vor allem als Opernkomponisten bekannten Johann adolf Hasse als neuen Hofkapellmeister. Für Zelenka bedeutete die Verlagerung der interessen des Hofes von der kirchenmusik auf die Oper, dass er fortan als Hauptkomponist für die Hofkirchenmusik zuständig war und darüber hinaus Hasse in seiner Funktion als kapellmeister während dessen häufigen abwesenheiten zu ersetzen hatte. im september 1735 wurde er schließlich in anerkennung seiner Verdienste zum „kirchen-Compositeur“ am Dresdner Hof ernannt, was jedoch nicht mit einer erhöhung seines gehaltes verbunden war. Das zweisätzige Magnificat in C-Dur für solosopran, vierstimmigen gemischten Chor, zwei Violinen, Viola, basso continuo sowie zwei Oboen ad libitum ZWV 107 komponierte Zelenka um 1727 für die sonntagsvespern der Dresdner Hofkirche. an die vollständige Vertonung der zehn Verse des Lobgesang Mariens aus dem ersten kapitel des lukas-evangeliums (Vs. 46–55) in den ersten beiden Teilen des ersten satzes (Vivace – Largo mit Wechsel in den 3/2-Takt) schließt sich hier diejenige der kleinen Doxologie an („gloria Patri, et Filio“), wobei es sich bei diesem dritten Teil um eine variierte und in sich gekürzte Wiederholung des Vivace-Teils mit neuer Textierung handelt. Den gesamten satz prägt ein achttaktiges Tutti, in dem der Chor den beginn der gregorianischen Magnificat-Melodie (Vs. 1, „Magnificat anima mea dominum“) imitatorisch verarbeitet, ein abschnitt, der im weiteren Verlauf ritornellartig auf verschiedenen Tonstufen wiederkehrt. in konzertierenden episoden zwischen diesen Tutti-abschnitten trägt der solo-sopran die Verse 2 bis 10 sowie das „gloria Patri“ mit jeweils neuemmotivischemMaterial vor. Das Magnificat schließt mit einer „amen“-Fuge des Chores, in der die streicher- und Oboenstimmen colla parte mit den Chorstimmen geführt werden. Die Simphonie à 8 Concertanti in a-Moll für zwei Oboen, Fagott, streicher und basso continuo ZWV 189 zählt zu einer gruppe von vier instrumentalwerken, unter ihnen die Ouverture à 7 concertanti in FDur ZWV 188 und das Concerto à 8 Concertanti in g-Dur ZWV 186, die laut eigenhändiger Datierung Zelenkas 1723 in Prag entstanden und möglicherweise im rahmen der Feierlichkeiten anlässlich der krönung von kaiser karl Vi. zum könig von böhmen im september des Jahres aufgeführt wurden. in der sechssätzigen Simphonie überrascht uns Zelenka nicht nur mit einer unkonventionellen satzfolge und häufig wechselnden ensemblebildungen, sondern auch mit einer Mischung aus Charakteristika des italienischen Concertos und der suite. auf einen umfangreichen schnellen Concerto-satz in aMoll mit dem typischen Wechsel von Tuttiund virtuosen solistischen Passagen folgt ein langsameres Andante für drei solostimmen (Violine, Oboe, Fagott) und basso continuo, in dem vor allem die virtuosen spielfiguren der Fagott-Partie erstaunen, sowie ein schwungvolles, von Dreiklangsbewegungen und schnellen skalenläufen geprägtes Capriccio (Tempo di Gavotta). Der durch einen mehrfachen Wechsel von lyrischen andante- und temperamentvollen allegroabschnitten charakterisierte, Aria da Capriccio überschriebene vierte satz beeindruckt in erster linie durch seinen ungewöhnlichen beginn mit einem von streicher-Pizzicati begleiteten Duett für Violoncello und Fagott. Die Simphonie beschließen zwei kurze, hinsichtlich der Tonart – a-Moll bzw. a-Dur – kontrastierende Menuette. antonio Vivaldis (1678–1741) geistliche Vokalmusik, aus der sie eine auswahl von drei kompositionen hören können, erschien im gegensatz etwa zu seinen berühmten Trio- und solosonaten-sammlungen op. 1 bzw. op. 2 oder den 12 konzerten des L’estro armonico op. 3 zu seinen lebzeiten nicht im Druck. Wiederentdeckt wurden seine kirchenmusikalischen Werke erst, nachdem die heutige biblioteca nazionale universitaria in Turin ende der 1920er-Jahre zwei der bedeutendsten sammlungen von Vivaldi-autographen erworben hatte, unter denen sich auch einige bände mit kirchenmusik befanden (raccolte Mauro Foà e renzo giordano). Heute geht man davon aus, dass Vivaldi einen großteil seiner über 50 überlieferten geistlichen Vokalwerke für den Chor und das Orchester des Ospedale della Pietà komponierte, eines jener vier berühmten Waisenhäuser, in denen Mädchen eine hervorragende gesangs- und instrumenAntonio Vivaldi (Kupferstich von François Morellon la Cave; 1725) 11

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