Tage Alter Musik – Programmheft 2024

Tage alTer Musik regensburg konzert 9 die älteste Musik unseres erbes ein weitgehend überholtes konzept und muss es wohl auch sein. Dennoch ist es unerlässlich, dieses repertoire weiterhin aufzuführen, um sein Fortleben zu sichern, sei es, um neues licht auf ein bekanntes stück zu werfen oder um die schönheit eines bisher übergangenen stücks durch die einzigartige ausdruckskraft eines künstlers zum leuchten zu bringen. einen Klang erzeugen Die einheit des klangs, die wir erzeugt haben, beruht auf der ambiguität des klangs von Flöte und gesangsstimme – beide Parts werden von derselben künstlerin vorgetragen. Wir beziehen Fidel, laute und Harfe mit ein, was uns erlaubt, eine monodische begleitung zu entwickeln, da sich diese drei instrumente in ihrem Timbre wunderbar ergänzen – eine Praxis, die weit entfernt ist vom immer noch vorherrschenden klischee des Troubadours, der sich selbst auf der Harfe begleitet, was zum Teil sicherlich der Wahrheit entspricht. Dieses experimentieren hat weitgehend auch die beobachtung unserer Vorgänger bei der interpretation von mehrstimmiger Musik aus dem vierzehnten Jahrhundert bestätigt, dass es sich nämlich als eine gute Wahl erweist, den Part des Contratenors auf einem gezupften saiteninstrument zu spielen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass nichts oder nur wenig bekannt ist, wie diese instrumente im Mittelalter gespielt wurden, obwohl sie in der ikonographie omnipräsent sind. Das reine instrumentalrepertoire ist – abgesehen von einer sammlung von Estampes, zu denen auchIsabella zählt – spärlich. Zudem stellt die interpretation von Vokalmusik, wenn sie von instrumenten mit fester Tonhöhe begleitet wird, die interpreten vor größere Herausforderungen, als wenn es sich um reine a-cappella-Werke handelt. Die Wahl einer pythagoreischen Temperierung, die die stimmung in reinen Quinten auf kosten einer stimmung in Dur-Dreiklängen (Terz, sext) bevorzugt, verleiht den intervallen eine besondere Färbung, indem sie seit dem 14. Jahrhundert den reiz von Halbtonschritten unterstreicht. schließlich haben wir den entschluss gefasst, das ganze Material von grund auf neu durchzugehen, auf mehr Quellen zurückzugreifen und verschiedene Herangehensweisen zu erproben, um ein frisches, in sich stimmiges konzept aufzustellen. Das beste beispiel dafür ist die interpretation der ballade Honte, paour, doubtance de meffaire von guillaume de Machaut, einer für singstimme adaptierten Version der instrumentalen Diminutionen und Verzierungen, wie sie im Codex Faenza erhalten sind. Diese Version erlaubt es, die für das 16. Jahrhundert so charakteristische Virtuosität in unser Programm zu integrieren. Ähnliche Charakteristika zeigen das Madrigal O crudel donna oder die ballade Medée fu en amer veritable, obwohl die traditionelle geschichtsschreibung die entstehung dieser Virtuosität viel später ansetzt zu gunsten einer auf Fortschritt ausgerichteten auffassung von geschichte, wie sie in unserer Mentalität noch allzu fest verankert ist. Wenn das Mittelalter irritiert Das Mittelalter ist eine schachtel, in der wir bequem alles verstaut haben, was der Moderne oder zumindest unserer Vorstellung von ihr mit der erfindung des buchdrucks, der kopernikanischen Wende und ganz allgemein dem erscheinen der modernen Wissenschaften vorausging. Das gleiche gilt für die Musik dieses „dunklen Zeitalters“, eingezwängt zwischen einem ideal der antike und der renaissance. Mittelalterliche Musik ist hauptsächlich Vokalmusik, die zu ihrer Textgrundlage in einer nur schwer durchschaubaren beziehung steht: sie „färbt“ die Worte nicht, und im gegensatz zur barocken Ästhetik zeigt sie keine „leidenschaft“, die den Text durch den klang untermalt. Die klänge erscheinen für unsere Ohren, die den komfort der Tonalität gewohnt sind, oftmals befremdlich, und die Ensemble ApotropaïK Foto: Vincent arbelet 67

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