Tage Alter Musik – Programmheft 2025

Preis: 10,00 € 6. BIS 9. JUNI 2025 MUSIK VOM MITTELALTER BIS ZUR KLASSIK KONZERTE AN HISTORISCHEN STÄTTEN Regensburger Domspatzen La Cetra Basel (Schweiz) Hathor Consort (Belgien) The Tunelanders (Schweiz) Into The Winds (Frankreich) Batzdorfer Hofkapelle (Deutschland) Solomon’s Knot (Großbritannien) Tenebrae Choir (Großbritannien) Musica Gloria (Belgien) Cantoría (Spanien) The Beggar’s Ensemble (Frankreich) Ars Antiqua Austria (Österreich) St. Florianer Sängerknaben (Österreich) Cappella Pratensis (Niederlande) Sollazzo Ensemble (Frankreich) Newton Baroque (USA) La Néréide (Frankreich) Zefiro (Italien) Le Concert Spirituel (Frankreich) BEGLEITPROGRAMM Verkaufsausstellung von Nachbauten historischer Musikinstrumente, von Noten, Büchern und CDs „Giovanni Pierluigi da Palestrina zwischen Kirche, Kontrapunkt und Kommerz“ – Tagung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg Gesprächskonzert mit dem Ensemble Into the Winds Führungen durch die Bischöfliche Zentralbibliothek unter dem Motto „Palestrina in Regensburg – Handschriften und Drucke aus der Proske-Sammlung“ Orlando di Lasso, a composer’s life in the Renaissance, ein Film von Joachim Thôme Kurstag mit Susanna Ogata, Barockvioline

grußworte 5 außenansichten 8 Thomas Drescher soweit, so gut? 40 Jahre „tage alter Musik regensburg“ im spiegel der alte-Musik-bewegung – eine tour d’Horizon 12 sTephan schmID Die regensburger Domspatzen und die historische aufführungspraxis tradition und geschichte 24 KonzerT 1 regensburger Domspatzen – la Cetra basel 16 KonzerT 2 Dorothee Mields – Hana blažíková – Hathor Consort 30 KonzerT 3 the tunelanders 36 KonzerT 4 into the Winds 42 KonzerT 5 Xenia löffler – alfredo bernardini – Michael bosch batzdorfer Hofkapelle 48 KonzerT 6 solomon’s knot 58 KonzerT 7 tenebrae Choir 66 KonzerT 8 Musica gloria 72 KonzerT 9 Cantoría 78 KonzerT 10 the beggar’s ensemble 84 KonzerT 11 ars antiqua austria – st. Florianer sängerknaben 90 KonzerT 12 Cappella Pratensis – sollazzo ensemble 96 KonzerT 13 newton baroque 102 KonzerT 14 la néréide 110 KonzerT 15 zefiro 118 KonzerT 16 le Concert spirituel 124 orlando di lasso Dokumentarfilm 2024 (70 Min.) 140 orlanDo, a composer‘s life in the renaissance gesprächskonzert into the Winds 56 terminübersicht der rundfunkübertragungen 133 konzerteinführungen 134 internationale tagung: Palestrina zwischen kirche, kontrapunkt und kommerz 137 Führungen durch die bischöfliche zentralbibliothek 138 kurstag 143 Diskografie 144 ausstellung 148 konzertorte / Veranstaltungsorte 152 Dank 162 stadtplan 163 zeittafel 164 tage alter Musik regensburg Juni 2025 Inhalt 3

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 regensburg ist die ostbayerische Musikhauptstadt. dafür sorgen nicht nur die regensburger domspatzen, sondern auch Festival-highlights wie die „Tage alter Musik“. Jedes Jahr zu pfingsten ist die domstadt Feuer und Flamme für die faszinierenden klangwelten vergangener Jahrhunderte und wird so zum europaweiten anziehungspunkt für die Freundinnen und Freunde alter Musik. Mit ihrer über 2000-jährigen Geschichte und der eindrucksvollen altstadt bietet die Welterbestadt dabei die ideale kulisse: historische räume, innenhöfe und säle kreieren seit vier Jahrzehnten eine einmalige atmosphäre für das Festival. die Jubiläumsausgabe der „Tage alter Musik“ steht unter dem Motto „40 Jahre alte Musik – neue horizonte 2025“ und beweist damit erneut den künstlerischen anspruch und die innovationskraft dieses herausragenden Festivals. in den zurückliegenden vier Jahrzehnten ist es zu einem internationalen Leuchtturm für historische aufführungspraxis geworden. Musikerinnen und Musiker aus aller Welt erwecken die Musik vergangener Jahrhunderte mit großer Leidenschaft und wissenschaftlicher präzision zu neuem Leben. die beeindruckende erfolgsbilanz spricht für sich: über 150 europa- und deutschlandpremieren und rund 300 konzertübertragungen ins inund ausland. darüber hinaus haben sich die „Tage alter Musik“ als sprungbrett für die karrieren zahlreicher renommierter ensembles erwiesen. und auch in diesem Jahr erwartet das publikum ein hochkarätiges programm: in 16 konzertveranstaltungen erklingen Werke vom Mittelalter bis zur romantik an authentischen spielorten. ein ganz besonderes musikalisches highlight wird das feierliche eröffnungskonzert im dom st. peter sein, bei dem die regensburger domspatzen mit den Bläsern des Barockorchesters La cetra Basel musizieren und den 500. Geburtstag des großen renaissancekomponisten Giovanni pierluigi da palestrina ehren. aber auch auf ganz neue musikalische entdeckungen dürfen wir gespannt sein: eine instrumentenausstellung, Gesprächskonzerte sowie konzerteinführungen machen neugierig auf die Welt der alten Musik. die „Tage alter Musik“ sind aus dem bayerischen Festivalkalender nicht mehr wegzudenken. daher gilt mein herzlicher dank den Veranstaltern, Förderern und Mitwirkenden für ihr großes engagement. ich freue mich sehr, dass auch der Freistaat Bayern dieses außergewöhnliche Festival seit vielen Jahren als starker partner unterstützt. allen Musikliebhaberinnen und Musikliebhabern aus nah und Fern wünsche ich inspirierende Tage voller bewegender musikalischer Momente und Begegnungen! Markus Blume, MdL Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst konzerte an historischen stätten erleben – wo ginge das besser als in regensburg? unsere stadt bietet beste Voraussetzungen für ein Musikfestival, das sich der historischenaufführungspraxis verschrieben hat. räume und kirchen, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht, bilden authentische aufführungsorte und ermöglichen eindrucksvolle Veranstaltungen, die in erinnerung bleiben. seit ihrer Gründung im Jahr 1984 haben sich die Tage alter Musik zu einem kulturellen Markenzeichen mit internationalem renommee entwickelt. sowohl das publikum als auch die Musikerinnen und Musiker reisen teils von weit her an, um die besondere atmosphäre dieses Festivals erleben zu können. einst mit fünf konzerten und einem Workshop gestartet, umfasst die reihe mittlerweile 16 konzerte, die durch ein ebenso umfangwie abwechslungsreiches Begleitprogramm ergänzt werden. Mit Leidenschaft und großem sachverstand gelingt es den organisatoren Jahr für Jahr aufs neue, herausragende künstlerinnen und künstler nach regensburg zu holen und Musik auf höchstem niveau zu präsentieren. die programme setzen nicht nur auf Bewährtes, sondern laden stets dazu ein, neues kennenzulernen und sich auf (noch) unbekanntes einzulassen. auch in diesem Jahr wird es wieder einiges zu entdecken geben: Mit dem traditionellen auftaktkonzert der regensburger domspatzen, das diesmal ganz im Zeichen der renaissance steht, startet ein bunter reigen von Matineen, soireen, nachmittags- und nachtkonzerten, der die Zuhörerinnen und Zuhörer mitnimmt auf eine reise durch die epochen. die internationale Verkaufsausstellung im salzstadel, ein Gesprächskonzert, eine palestrina-Tagung zum 500. Geburtstag des komponisten, konzerteinführungen, der Film „orlando“, Führungen durch die Bischöfliche Zentralbibliothek und ein kurstag an der hochschule für katholische kirchenmusik und Musikpädagogik runden das programm ab. die Tage alter Musik sind einaushängeschild für unsere stadt. es freut mich deshalb umso mehr, dass sie in diesem Jahr bereits zum 40. Mal stattfinden. herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und vielen dank an die organisatoren sowie an alle, die dieses außergewöhnliche Festival in regensburg möglich machen. ich wünsche ihnen spannende Veranstaltungstage mit vielen neuen eindrücken und unvergesslichen erlebnissen – und den Tagen alter Musik weiterhin viel erfolg und alles Gute! Gertrud Maltz-Schwarzfischer Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg ein aushängeschild für unsere stadt herzlichen Glückwunsch zum 40-jährigen Bestehen der Tage alter Musik! Bereits zum 40. Mal findet das Festival in regensburg statt und seine entwicklung von den kinderschuhen bis zu seiner heutigen Größe und Bedeutung mitzuerleben, war eine wahre inspiration. ich freue mich sehr auf die ganz besondere ausgabe in diesem Jahr, die unter demMotto „neue horiZonTe“ dieses Jubiläummit einem herausragenden programm und so hochkarätigen Virtuosinnen und Virtuosen begeht. die dargebotenen konzerte, die Musik vomMittelalter über die renaissance bis hin zur Frühromantik so authentisch in den historischen spielstätten regensburgs zum klingen bringen, sind wahrlich immer ein ergreifendes und herausragendes erlebnis. Zum ersten Mal fanden die Tage alter Musik 1984 statt, gegründet » ein kulturelles highlight Grußworte 5

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 von den drei regensburger domspatzen stephan schmid, Ludwig hartmann und christof hartmann. damals war das Festival noch klein mit nur einer handvoll konzerten. seither hat es sich gewaltig entwickelt und ist zu herausragendem renommee und großer Bekanntheit gelangt. die Tage alter Musik sind nicht nur ein kulturelles highlight, sondern auch ein bedeutender Beitrag zur internationalen Wahrnehmung regensburgs als Musik- und kulturstadt. Jahr für Jahr lockt das Festival zahlreiche Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber aus aller Welt in unsere stadt. die Verbindung von künstlerischer Meisterleistung und der atmosphäre der historischen spielstätten macht die Veranstaltung zu einem unverwechselbaren erlebnis. ein besonderer dank gebührt daher allen ehrenamtlichen helferinnen und helfern, den organisatorinnen und organisatoren sowie den künstlerinnen und künstlern, die mit großem engagement und sehr viel herzblut dafür sorgen, dass die Tage alter Musik Jahr für Jahr ein Festival von höchster Qualität bleiben. sie stehen dafür, dass sich das Festival weit über die Grenzen Bayerns hinaus zu einem der weltweit renommiertesten ereignisse für alte Musik entwickelt hat. in den prachtvollen aufführungsorten wie dem dom st. peter, der dreieinigkeitskirche, der Basilika st. emmeram und anderen historischen stätten begegnen sich Musik undarchitektur auf eindrucksvolle Weise. regensburg wird so zu einem lebendigen klangraum, der Besucherinnen und Besucher in vergangene musikalische epochen entführt. diese besondere Verbindung von kunst und Geschichte macht die Tage alter Musik zu einem unverzichtbaren Bestandteil des kulturellen Lebens in unserer stadt. Besonders freue ich mich auf den feierlichen auftakt des diesjährigen Festivals, der so viele Jubiläen vereint und zelebriert. anlässlich des 1050jährigen Bestehens der regensburger domspatzen und des 500. Geburtstags von Giovanni pierluigi da palestrina präsentieren die regensburger domspatzen mit dem ensemble La cetra Basel ein besonderes konzerterlebnis im dom st. peter. ich wünsche allen Festivalgästen unvergessliche konzerterlebnisse und inspirierende musikalische Momente bei den Tagen alter Musik in der unesco-Welterbestadt regensburg und dem Festival noch viele weitere erfolgreiche Jahre! Wolfgang Dersch Kulturreferent der Stadt Regensburg Maestro Gustave Leonhardt meinte, dass „sich nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren, eigentlich unabdingbare Voraussetzung ist“. er bezeichnete es als seine moralische pflicht, „sich um die Güter der anderen zu kümmern“. sich um das musikalische erbe zu kümmern, es zu pflegen und zu verbreiten mit den Mitteln, die uns heute zur Verfügung stehen. die Welt der alten Musik, in der die Tage alter Musik regensburg seit 40 Jahren eine bestimmende rolle spielen, hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. die historische aufführungspraxis, die früher als abseitig galt, ist heute weltweit üblich. die suche nach Quellenmaterial und artefakten wie z.B. historischen instrumenten steht im dienst einer interpretation des kunstwerks, die so weit wie möglich der gängigen praxis zur Zeit seiner entstehung, manchmal vor Jahrhunderten, entspricht. die interpreten haben in dieser hinsicht eine nicht zu unterschätzende Verantwortung. ein Musiker lebt heute, ist aber auch Teil eines größeren Ganzen. historische und künstlerische neugier, innovativer umgang mit parametern aus der Vergangenheit und das streben nach authentizität machen das Musizieren heute feiner gefärbt und vielschichtiger. in den letzten vier Jahrzehnten ist auch eine wachsende interdisziplinarität zu beobachten. alte Musik ist eingebettet in andere darstellende künste wie Theater und Tanz oder tritt in einen dialog mit Literatur, bildender kunst, Videokunst oder Multimedia. dies wirft die Frage auf, wie sich der Musiker zu diesem erbe verhält und wie sich die kuratoren im kulturellen Feld positionieren. es ist eine ständige aufgabe, über die eigenen Grenzen hinauszuschauen, die abschottung zwischen den kunstformen aufzubrechen und die Balance zwischen und innerhalb der verschiedenen disziplinen zu finden. heute stellt sich daher die entscheidende Frage, wie wir diesen Weg in regensburg und anderswo in der Welt der alten Musik weitergehen. historisch begründete oder zeitbezogene Musikaufführungen befinden sich in ihrer herausforderndsten, aber vielleicht auch schwierigsten phase. es geht nicht mehr nur um den einsatz alter instrumente, sondern um tiefere Fragen: was spielen wir, und vor allem, wie spielen wir es? schließlich unterscheidet sich das publikum des 21. Jahrhunderts grundlegend von dem des 15. Jahrhunderts. Bei einer aufführung geht es nicht nur um technisches können und rekonstruktion, sondern um eine tiefgreifende suche nach Bedeutung, Verbindung und authentizität. alte Musik kann keineswegs eine endstation sein: sie fordert hingegen einen ständigen dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. im rahmen dieser festlichen ausgabe der Tage alter Musik regensburg möchte ich ein herzliches plädoyer für eine nachhaltige und fundierte rückkehr zur Quelle halten. Für eine kreative interpretation von Forschungsergebnissen im dienste des publikums. Für eine kunstwelt, die es wagt, sich selbst zu hinterfragen und eine interne Qualitätssicherung zu betreiben. denn schließlich ist es, wie Leonhardt es formulierte, nicht mehr als eine „unabdingbare Voraussetzung“ oder eine denkweise, das zu schätzen, was diejenigen, die uns in diesem universum vorausgegangen sind, hinterlassen haben. Bart Demuyt Intendant Laus Polyphoniae, Direktor AMUZ und Alamire Foundation Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart seit vier Jahrzehnten begeistern die Tage alter Musik mit ihrem unverwechselbaren charme Liebhaberinnen und Liebhaber der historischen aufführungspraxis aus aller Welt. die Verbindung von musikalischer exzellenz und kultureller Vielfalt in den geschichtsträchtigen kulissen regensburgs macht dieses Festival zu einem besonderen erlebnis. als sparkasse regensburg dürfen wir mit stolz auf eine mittlerweile 20-jährige partnerschaft zurückblicken. unsere unterstützung für die Tage alter Musik ist ausdruck unseres engagements für die kulturelle Vielfalt und den erhalt des musikalischen erbes. es erfüllt uns mit Freude, Teil einer erfolgsgeschichte zu sein, die Tradition und innovation auf eindrucksvolle Weise verbindet. das Festival ist nicht nur ein Treffpunkt für hochkarätige kunstschaffende, sondern auch für ein publikum, das die außergewöhnliche atmosphäre und Qualität schätzt. die Tage alter Musik stehen für authentizität, Leidenschaft und einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart – Werte, die auch wir als sparkasse regensburg teilen und fördern möchten. Zum 40. Jubiläum möchten wir unseren tiefen dank und unsere anerkennung aussprechen: …den Veranstaltern, deren unermüdlicher einsatz das Festival Jahr für Jahr zu einem highlight macht, …den künstlerinnen und künstlern, die mit ihrem können und ihrer hingabe die Musik lebendig werden lassen, …und natürlich dem publikum, das diese besondere Veranstaltung erst komplett macht. Wir freuen uns darauf, auch in Zukunft ein verlässlicher partner der Tage alter Musik zu sein und gemeinsam die nächsten kapitel dieser faszinierenden Festivalgeschichte zu schreiben. herzlichen Glückwunsch zu 40 Jahren voller Musik und inspiration! Irene Dullinger Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Regensburg 40 Jahre Tage Alter Musik – 20 Jahre Partnerschaft, die verbindet 6

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 Die tage alter Musik regensburg begleitet der bayerische rundfunk seit ihrer gründung, also seit stolzen vier Jahrzehnten. Mich persönlich begleiten sie seit dem Pfingstsamstag 1993. Damals durfte ich auf der empore der Dominikanerkirche als junger redakteur zum ersten Mal die unvergleichliche atmosphäre eines der nachtkonzerte in regensburg erleben. 32 Jahre später und nach dem live-erlebnis von weit mehr als hundert konzerten mit vielen der bedeutendsten ensembles der alten Musik, aber auch mit zahllosen newcomern der szene, ist meine begeisterung für das regensburger Festival ungebrochen. Die tage alter Musik sind längst eines der wichtigsten Festivals für die historisch informierte aufführungspraxis weltweit. gleichzeitig machen es die wunderbaren historischen räume in regensburg zu einem der atmosphärisch sicher schönsten Festivals überhaupt. Die konsequenz und Hartnäckigkeit, der spürsinn und sachverstand, mit denen die künstlerischen leiter über Jahrzehnte hinweg ein gleichbleibend hohes musikalisches niveau bei den tagen alter Musik garantiert haben und weiterhin garantieren werden, sind bewundernswert. entsprechend geht die zahl der konzertmitschnitte, live-Übertragungen und -sendungen durch br-klassik mittlerweile in die hunderte. Diese vielen, vielen stunden haben unser klassikprogramm unendlich bereichert. und umgekehrt waren sie unverzichtbar für die mediale Verbreitung eines Festivals, das diese resonanz wirklich verdient hat. sie geschieht übrigens nicht nur im sendegebiet des bayerischen rundfunks, sondern über die ebu, die european broadcasting union, europa-, ja weltweit. zum 40. Mal finden die tage alter Musik regensburg nun statt, wieder mit einem gewohnt eindrucksvollen Programm. Mögen sie die Menschen noch viele, viele Jahre in ihren bann ziehen und verzaubern. Oswald Beaujean Leiter Programmbereich BR-KLASSIK br-KLassIK begleitet das Festival seit seiner Gründung als ich 2013 meine tätigkeit am institut für Musikwissenschaft der universität regensburg aufnahm, war mir bald klar, dass eine zusammenarbeit mit den tagen alter Musik ergiebig sein könnte. Während meiner zeit ammusikwissenschaftlichen institut der universität leuven (in meiner belgischen Heimat), das intensiv mit dem renommierten Festival van Vlaanderen kooperierte, habe ich festgestellt, wie gewinnbringend der Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft sein kann. in einem gespräch mit den organisatoren des regensburger Festivals ludwig Hartman, stephan schmid und Paul Holzgartner ergaben sich schnell verschiedene Möglichkeiten zur kooperation, wir entwickelten ideen und diskutierten über potenzielle Formate. seit nunmehr zwölf Jahren läuft die zusammenarbeit zwischen dem institut für Musikwissenschaft und den tagen alter Musik. Mitglieder des instituts schreiben Programmheftbeiträge und halten konzerteinführungen, studierende haben die Möglichkeit, bei der Durchführung der konzerte zu helfen und so wertvolle Praxiserfahrungen zu machen. Darüber hinaus findet jedes Jahr ein internationales symposiummit Vorträgen und Diskussionen zu einem konzert oder komponisten statt, aktuell zu giovanni Pierluigi da Palestrina. außerdem gibt es eine ausstellung in der bischöflichen zentralbibliothek zu „Palestrina in regensburg – Handschriften und Drucke aus der Proske sammlung“, an der auch studierende der Musikwissenschaft im rahmen eines seminars mitgewirkt haben. Das interesse an den tagen alter Musik ist groß, nicht nur auf regionaler, sondern auch auf internationaler ebene. trotzdem hat das Festival kein riesiges budget, sondern muss sparsam planen und kalkulieren. Diese tatsache (und die unsicherheit, welche die Pandemie mit sich gebracht hat) waren eine wichtige Motivation, weshalb 2021 der Verein „Freunde und Förderer der tage alter Musik regensburg“ ins leben gerufen wurde. Dank stetig wachsender Mitgliederzahlen ist der Verein in der lage, die tage alter Musik zu unterstützen und Projekte zu ermöglichen, die sonst nicht ohne Weiteres machbar wären. es ist für mich erfüllend zu sehen, wie viele Menschen sich dafür einsetzen und so das Festival mitgestalten und dessen Weiterleben garantieren. Jeder, der die tage alter Musik schon einmal besucht hat, kann bezeugen: es herrscht eine ungezwungene atmosphäre, aber gleichzeitig sind die abläufe hochprofessionell. Das Festival bot von anfang an konzerte auf dem allerhöchsten niveau mit international führenden ensembles, die an historisch bedeutsamen orten Musik vomMittelalter bis zur Frühromantik aufführen. Die vielen konzerte, die ich seit anfang meiner „regensburger zeit“ erleben durfte (ein besonderes Faible habe ich für die nachtkonzerte), zeigen, dass die alte Musik-szene keineswegs altmodisch und verstaubt ist, sondern sich im gegenteil ständig weiterentwickelt – genauso wie die tage alter Musik von anfang an nie stillstanden, sondern immer nach neuen Möglichkeiten suchten. Das kann auf vielfältige art und Weise passieren, sei es durch die entdeckung neuer repertoires, das erforschen von aufführungstraditionen und -stilen oder (was ich besonders faszinierend finde) die erkundung von globalen, nicht-europäischen Musikrichtungen. Dieses Weitersuchen nach neuen Horizonten, diese offenheit und diese abenteuerlust wünsche ich den tagen alter Musik und uns für die zukunft. ich freue mich über und auf den fruchtbaren Dialog zwischen Wissenschaft und aufführungspraxis, den austausch mit den organisatoren des Festivals und die begegnung mit besucher:innen, die jedes Jahr wieder nach regensburg kommen. Prof. Dr. Katelijne Schiltz Inhaberin des Lehrstuhls für Musikwissenschaft der Universität Regensburg und Vorsitzende des Vereins Freunde und Förderer der Tage Alter Musik e.V. Dialog zwischen praxis und Wissenschaft 7

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 außenansichten Freitag vor Pfingsten. Für die Domspatzen der große auftritt bei den tagen alter Musik in regensburg. bereits große emotionen bei den Proben mit dem orchester und staunen über das große können der großartigen instrumentalisten und der gesangssolisten. Für alle sänger der Domspatzen mit ihrem Chef das staunen und Freuen über große Musik in so hoher Qualität. „Männer, nun gilt es, wir haben gut geprobt und brauchen keine angst zu haben, dass etwas nicht klappt; lasst euch in die Musik hineinfallen, gebt euer bestes. ihr schafft mit eurem klang etwas ganz besonderes.“ Die ansage des br läuft schon, auftritt, begrüßungsapplaus; jetzt nur noch große innere Freude und genuss. Die tage alter Musik in regensburg haben begonnen. Roland Büchner Emeritierter Domkapellmeister beim blick in die dankenswerterweise online archivierten Programme der letzten 40 Jahre könnte man allzu leicht in nostalgischselbstbezogenes schwärmen geraten: Die tage alter Musik haben mir als jungem regensurger Musikhörer und ab ende der 1990er Jahre als kritiker musikalische schlüsselerlebnisse beschert – ohrenöffner für neuentdeckungen aus den tiefen der Jahrhunderte und für frische Herangehensweisen an vermeintlichaltbekanntes. eine euphorische aufzählung möge der geneigten leserschaft an dieser stelle erspart bleiben. Dafür aber um so herzlicher: Danke stephan schmid, ludwig Hartmann und Paul Holzgartner für das Möglichmachen dieser bereichernden erfahrungen! nach 40 Jahren stellt sich indes nicht nur für die tage alter Musik, sondern für die szene insgesamt die Frage: Hat die Historische aufführungspraxis ihr ziel nicht längst erreicht? Haben sich ihre erkenntnisse in sachen spieltechnik und stilempfinden nicht schon so weit durchgesetzt, dass sie sich überflüssig gemacht hat? Für bestimmte epochen mag das ein stück weit gelten und dazu geführt haben, dass manches spezialensemble – aus gründen der Distinktion vom neuen, selbst mitverantworteten Mainstream – sein Heil in exzessiver tempoverschärfung, maximaler schroffheit der klanggebung und kleinstmöglicher besetzungsstärke bzw. -schwäche sucht. im besten Falle aber sorgen die große bandbreite an interpretatorischenansätzen, das durch die akademische ausbildung enorm gestiegene spielniveau und der spürsinn für immer entlegenere repertoire-nischen dafür, dass originalitätsfallen gemieden und routinegefahren gemeistert werden. Dass dieser beste Fall auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder in regensburg eintreten möge, das wünsche ich den tagen alter Musik mit ihren Verantwortlichen und Helfern von ganzem Herzen. bleibt so, wie ihr seid! Dr. Juan Martin Koch Dramaturg Konzerthaus Blaibach und Musikjournalist immer, wenn die rede auf und die erinnerung an regensburg kommt und die für mein Hirn untrennbar damit verbundenen, weil immer gern und oft besuchten tage alter Musik und die noch untrennbarer mit ihnen verbandelten musiksüchtigen teamanführer stephan schmid und ludwig Hartmann, dann muss ich an die businen denken. Von denen hatte ich bis zu einem spätnächtlichen konzert in der Minoritenkirche noch nie gehört und sie selbst natürlich erst recht nicht, aber sie machten aus mehrerlei gründen tiefsten eindruck auf mich. businen, sie haben möglicherweise einen orientalischen Migrationshintergrund, sind trompeten, die keinerlei rückgratverkrümmung aufweisen, weil sie wie alphörner gefühlte Meter lang sind und steil in die Höhe gestellt gespielt werden, um dann einen zukunftsträchtigen Weckruf zu erzeugen, der mühelos jeden raum erfüllt und zum leuchten bringt – die späteren, handelsüblichen trompeten sind vielfältig gefaltet, sie fügen sich - wenn nicht kleinlaut, aber angepasst - pragmatisch in jedes ensemble ein, sie gefährden dort niemanden und sind auch nie davon bedroht, plötzlich abzuknicken. nun ähnelt das Duo Hartmann & schmid sichtbar durchaus keinem businenpaar, doch ihr oldschoolmusicfestival erweck(ruf)t den gleichen eindruck wie die Mittelaltertrompeten. giuseppe Verdi hat einmal in etwa gesagt (der geneigte leser möge das originalzitat aus dem internet herausfischen), dass ein schritt zurück Fortschritt ermögliche. genauso sind die tage ein schritt zurück und ermöglichen vielerlei Fortschritte: 1. ein Festival mit menschlichem antlitz (man sehe nur in die gespannten gesichter der zuhörenden, die konzentriert neugierig Dinge hören, von denen sie nie gehört haben und die sie oft nie wieder hören werden. Was für eine aufgeschlossenheit dem anderen, dem Fremden, dem sich entwickelnden gegenüber! Dieses auditorium ist die blaupause für eine aufgeschlossene gesellschaft, die ihren eigenen lebensstil nicht zum absoluten Maßstab aller Dinge macht.) 2. ein kontrapunkt zum gängigen, auf brillanz und Überwältigung getrimmten Musikalltag, der zunehmend und nicht nur durch die derzeit eine besonders querständige tarantella aufführende berliner antikulturpolitik in bedrängnis gebracht wird. 3. ein riesiges Vergnügen (natürlich erfreut es jedes Musicolog(inn)en-Herz, mal eine busine live zu hören oder die anzüglichkeiten in „Watkinson’s ale“. Da aber, leider (?), der großteil der Menschen keine Musicolog(inn)en sind und selbst diese ein Herz haben – stopp!!!, der text muss jetzt hier enden, weil der Hartmann ludwig höchstens 2400 zeichen bestellt hat, und wer wollte dem Donnerwort eines mit businen lockenden antimusikmanagers zuwiderhandeln, auch wenn der leser versichert sei, dass sich die begonnene liste mühelos bis zum 111. eintrag fortsetzen ließe (schließlich darf beethoven selbst in regensburg nicht fehlen)… Reinhard J. Brembeck Redakteur Süddeutsche Zeitung 8

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 gerade habe ich mir den Mitschnitt des bayerischen rundfunks unseres ersten auftritts am 28. Mai 1988 aus der Minoritenkirche in regensburg anlässlich der tage alter Musik angehört, um mich andeutungsweise in die situation und atmosphäre dieses erlebnisses von vor 37 Jahren zurückzuversetzen. ludwig Hartmann und stephan schmid hatten sich mit allen Mitteln ins zeug gelegt, um die künstleragentur der DDr weichzuklopfen, akaMus (akademie für alte Musik berlin) nach regensburg zu bringen. es waren zeiten des eisernen Vorhangs! sensationell für uns, hier in dieser herrlichen stadt und in so illustrer gesellschaft auftreten zu dürfen. keiner von uns allen ahnte, was sich in den folgenden Monaten ereignen sollte. in der zeit von 1988 bis 2012 gastierten wir neun Mal in dieser Metropole der alten Musik, allerdings dann ohne den besonderen kick, Musik über eine Mauer mit stacheldraht zu lancieren, um uns hier an diesem idealen ort mit unseren jeweiligen Highlights vorzustellen. Die Freude an diesem tun war von vornherein gegeben. Das Publikum, hörtrainiert, hörbewusst und sehr, sehr dankbar. Die vielfältigen exklusiven auftrittsorte: Minoritenkirche, Dreieinigkeitskirche, reichssaal, neuhaussaal, st. emmeram. und hier gilt hervorzuheben die arbeit mit den Domspatzen und deren Domkapellmeister roland büchner. leider kam es in dieser glücklichen kombination nie zu einem konzert im Dom. ganz besonders zu würdigen gilt es aber die Veranstalter und deren Mitstreiter. Hier verdient niemand etwas – sie verdienten alles! sie nehmen gerne unsere Dankbarkeit, Freude an der Musik, genießen die hochgestimmte atmosphäre während der Festivaltage intensivsten austausches zwischen Musikern und gästen – aber sie nehmen kein geld! Das passt in keine zeit. ehrenamtlich und hier monatelang im künstlerischen und im organisatorischen recherchiert, geplant und letztlich auf diesem unglaublichen niveau eingeladen, vorgestellt und durchgeführt. alles zum größten Vergnügen. und genau das soll euch noch lange gelingen, mit diesem elan, bei gesundheit, kraft und lust, uns allen in zukunft erhalten zu bleiben. Herzliche gratulation zum Vierzigsten von den dankbaren Musikern der akaMus berlin. und glückwünsche auch besonders von mir, der sich durch diese langjährige freundschaftliche beziehung zu diesem ort der Musik und zu ludwig Hartmann, einem seiner ideellen träger, sehr glücklich fühlen darf. sehr herzlich stephan Mai, ehemals akaMus. Stephan Mai Langjähriger Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin Dona nobis pacem aus bachs h moll-Messe, die immer noch aktuelle bitte um Frieden, bildete den abschluss der ersten ausgabe des oude Muziek Festival utrecht am sonntag, den 5. september 1982. ie positive aufnahme des ersten Festivals konnte nur eine konsequenz haben, eine tradition war geboren. Was wir an diesem abend nicht ahnen konnten, war, dass der ausverkaufte saal gleichzeitig der nährboden für eine weitere Festivaltradition war. Darum geht es in diesem beitrag. nach dem abschlusskonzert fuhren zwei junge Deutsche mit demnachtzug zurück nach regensburg. Müde, weil sie tagsüber aus der bayerischen Domstadt angereist waren, um in der niederländischen Domstadt bachs h-Moll Messe unter der leitung von ton koopman zu hören. Doch an schlaf war in der nächsten nacht nicht zu denken: Der kurzbesuch der beiden ehemaligen regensburger Domspatzen in utrecht wirkte wie ein katalysator für das Projekt W., das schon länger in ludwigs und stephans Herzen schlummerte: die Förderung alter Musik in der lokalen und regionalen Musikszene. steht das W für Wolfgang, den bischof, der 925 die erste Domschule und damit den ersten Chor, die späteren Domspatzen, gründete? Die stadt regensburg sollte natürlich durch die zusammenarbeit mit den Domspatzen (vielleicht sogar im eröffnungskonzert?) einen prominenten Platz im Projekt erhalten. auch eine zusammenarbeit mit der universität erschien logisch und sollte geprüft werden. apropos universität: Die studentenschaft wäre doch hoffentlich bereit, mitzuhelfen? natürlich wäre eine zusammenarbeit mit dem kulturund Fremdenverkehrsamt erforderlich. und für die Öffentlichkeitsarbeit müsste die Mittelbayerische zeitung mit ins boot geholt werden. Welche konzertorte würden zur Verfügung stehen? Mehr Fragen als antworten für den Moment! noch vor dem lokomotivwechsel im grenzbahnhof emmerich waren die grundzüge des Projekts abgesteckt (historische aufführungspraxis, repertoireerweiterung, talentförderung), im weiteren Verlauf der reise folgten neue Details, in Windeseile wurden Vergangenheit und gegenwart verknüpft. Verlässliche Hilfe sollte bei der bearbeitung und Übersetzung der liedtexte gefunden werden, ein unverzichtbarer Dienst am Publikum. im umfeld von Düsseldorf (schumann) und bonn (beethoven) wurde diskutiert und beschlossen, dass auch die Musik der romantik von dem neuen schwung profitieren sollte. in köln wurde überlegt, ob eine zusammenarbeit mit demWDr sinnvoll sei, der ja schon lange die alte Musik förderte. es schien besser, den bayerischen rundfunk miteinzubeziehen. » als Jubiläumszahl erscheint die 40 zunächst nicht sehr markant. bis man sich einmal mit der Fülle symbolischer und spiritueller bedeutungen befasst, die der zahl 40 in der religiösen und literarischen Überlieferung fast aller Weltkulturen zugeschrieben werden, ganz abgesehen von einigen elementaren naturzyklen, in denen sie sich wiederfindet. schon aus diesem verblüffenden Phänomen lässt sich schließen, dass die tage alter Musik regensburg heuer ein überaus wichtiges Jubiläum begehen, zu dem die 40-stimmigen kompositionen von alessandro striggio imabschlusskonzert die glanzvolle musikalische entsprechung bilden. auch wenn die Chronologie, bedingt durch einen ausfall während der Covid-Pandemie, ein wenig stolpert: nach lebensjahren gerechnet statt nach der Häufigkeit der Wiederkehr, wäre das Festival ja bereits 41. seine geburt im orwell-Jahr 1984 aber könnte man ebenfalls symbolisch deuten: zur Finsternis jener romanfiktion, von der so manches sich seither bewahrheitet hat, stand und steht dieses Projekt in seiner Mischung aus Courage, entdeckerfreude, schönheitssinn, geschichtsbewusstsein und gelebter unabhängigkeit in denkbar größtem kontrast. Vor der inspirierenden kulisse der stadt regensburg mit ihren vielfältigen klangräumen wurde der ensemblegeist, der die Historische aufführungspraxis vom genieund Hierarchiekult eines späteren Musikverständnisses unterscheidet, auch in der organisation und gestaltung des Festivals verwirklicht und bis heute beibehalten. so wurde das alljährliche ereignis, bei dem sich immer wieder musikalische Pfingstwunder erleben ließen, nicht nur ein zuverlässiger begegnungsort für ein Publikum, das solche Qualitäten zu schätzen weiß, sondern gewann auch in der internationalen alte-Musik-szene einen herausragenden ruf, der ebenso viel mit künstlerischemanspruch wie mit menschlichem umgang zu tun hat. in der numerologie wird die 40 mit der Vollendung eines entwicklungszyklus assoziiert, die etwas neues einleitet. Der Dichter goethe notierte: „Die 40 scheint dem beschauen, erwarten, vorzüglich aber der absonderung gewidmet zu sein.“ im Fall der tage alter Musik regensburg ist das beschauen des erreichten eine Freude, erwarten dürfen wir hoffentlich noch viel, und „absonderung“ interpretieren wir hier als die selbstbewusste Freiheit, anders und besonders zu bleiben, auch in zukunft. Kristina Maidt-Zinke Freie Literatur- und Musikkritikerin 9

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 Das würde auch die reichweite deutlich erhöhen und neugierig auf eine mögliche Folgeausgabe machen. nach der loreley wandte man sich in bingen der Musik Hildegards zu, deren Wiederentdeckung außerhalb ihres eigenen klosters in den Weinbergen am rhein gerade erst begonnen hatte. in Frankfurt am Main wurde der traditionelle Musikbetrieb mit einem augenzwinkern als „Mainstream“ bzw. „allgemaingut“ bezeichnet. Die alte Musik war weit davon entfernt, dazuzugehören. Der standort der Deutschen bundesbank wies zudem schmerzlich auf eine schwachstelle des Projekts hin: Wie sollten sie - als Privatinitiative - ihre Pläne finanzieren können? steht das W in Projekt W vielleicht für Wagnis? Die Müdigkeit drohte gelegentlich über das adrenalin zu siegen, aber immer wieder flammte das Feuer auf und neue ideen wurden lanciert und abgewogen. in nürnberg gab die renommierte instrumentenabteilung des germanischen nationalmuseums den anstoß, das Projekt um eine ausstellung zu erweitern. in der erwartung, dass ein teil des konzertpublikums selbst musiziert und beim sehen, Hören und ausprobieren zum kauf von kopien historischer instrumente angeregt werden könnte und von noten, ob als Faksimile oder nicht. schließlich war die neugierde die grundlage für die suche nach der historischen aufführungspraxis. ich habe die originalnotizen dieser historischen nachtreise nie gesehen, aber zahlreiche andere aspekte müssen diskutiert worden sein, bevor am frühen Morgen die regensburger Domtürme auftauchten und der Heimathafen erreicht war. Der austria-express fuhr weiter nach Wien; eine aufgabe, deren größe und umfang sie noch nicht erahnen konnten, wartete auf ludwig und stephan. Mit den tagen alter Musik 1984 konnte das Projekt zwei Jahre später endlich aus der taufe gehoben werden, das Märchen erlebt in diesem Jahr seine 40. (!) auflage. in der schönen Domstadt an der Donau ging ein traum in erfüllung. zwischen 1986 und heute bin ich 20 Mal mit dem zug die strecke utrecht-regensburg gefahren und konnte die Hälfte der 39 Festivals erleben. immer wieder wurde mir klar, dass hier in regensburg etwas sehr Wertvolles entstand. Wenn überhaupt, dann gilt hier an der Donau: gutta cavat lapidem, non vi sed saepe cadendo (Der tropfen höhlt den stein nicht durch kraft, sondern durch stetes Fallen). Die Hartnäckigkeit der initiatoren (und die Überzeugungskraft der vielen eingeladenen Musiker) hat ein neues Publikum für alte Musik geschaffen. inzwischen ist „regensburg“ seit Jahren eine feste größe auf der weltweiten Festivallandkarte. Die tatsache, dass „utrecht“ eine bescheidene rolle bei der entstehung des Projekts Wagnis spielen durfte, macht mich bei jedem besuch sehr glücklich. Wagnis, Wahnsinn oder Wut, alle möglichen bedeutungen und emotionen des W haben bestanden und überlebt. regelmäßig höre ich das Prädikat „wunderbar“ als kommentar, so dass mir die einzig passende erklärung erscheint: Projekt W ist natürlich Projekt Wunderbar! ich wünsche „regensburg“ eine wunderbare und glorreiche Fortsetzung! Jan Nuchelmans Ehemaliger Leiter Festival Oude Muziek Utrecht Vier Jahrzehnte ein und dasselbe Festival gestalten und dann noch mit alter Musik – das ist doch langweilig; oder? Da wäre etwas Wahres dran, gäbe es nicht ein „trio“ besonderer Couleur: Hartmann, schmid & Holzgartner. sie verwalten ihre Veranstaltungen nur im nebenfach, im Hauptfach sind sie unverbesserliche Musikenthusiasten, und zwar von kindesbeinen an. Dementsprechend ähnelt die alljährliche Programmgestaltung einem streifzug durch den Dschungel, immer auf der suche nach noch unentdeckten spezies. als ich anfang der 90er Jahre die taM kennen lernte, haben mich gleich mehrere Facetten begeistert: zum einen gab es Programme, die speziell für das regensburger Festival entwickelt wurden, ergo nicht die typischen tournee-Programme, die man wieder und wieder in diversen deutschen städten erleben kann. und dann traten ensembles auf, die teilweise noch wenig bis gar nicht bekannt waren – das gottvertrauen muss man als Veranstalter erst einmal haben! in regensburg ging dieses konzept auf. Der Mut zum risiko mitsamt einer prinzipiellen ehrfurcht vor der künstlerschaft hat das „trio“ niemals verlassen, die routine erhielt nie eine Dominanz über die Programmplanung. Das hat dem Publikum zahllose großartige erlebnisse beschert. so routiniert die abwicklung der Festivals (u.a. mit zahllosen freiwilligen Helfern) ablief, so verwegen hat man Jahr für Jahr immer neue akzente gesetzt, immer andere Programmideen entwickelt. als ich dienstlich mit den taM in kontakt kam (als redakteurin für alte Musik beim DlF kultur), fiel es mir leicht, „autochthone“ konzertprogramme ausfindig zu machen. so war DlF kultur der erste sender, der live ein konzert von den taM regensburg übertrug, überdies noch deutschlandweit. und noch ein weiterer aspekt nahm mich für das Festival ein: Wie auch beim utrechter alte Musik Festival pflegte man in regensburg einen schlichten und völlig alltäglichen umgang zwischen Veranstalter, künstler und Publikum. statt anzüge, sakkos, geschniegelte und überaus ‚wichtige‘ Menschen sah man beispielsweise schwarze Jeansjacke, Jesuslatschen, zopf und alltagspulli. Das „trio“ stand in den konzerten meistens ganz hinten in der nähe des eingangs; manchmal durfte man sogar schnell mal ohne karte irgendwo kurz „hineinschnuppern“. eigentlich war in regensburg eher der niederländische (als der typisch westdeutsche) Habitus zuhause, ich empfand das als angenehm. und es schien mir, als ob künstler und Publikum das gleichfalls goutierten. nach langen Jahren des ringens um eine finanzielle grundausstattung und um landesweite reputation ist es den taM inzwischen erfolgreich gelungen, überregional und international einen festen Platz unter den herausragenden Festivals einzunehmen. Dem „trio“ und seiner innovativen Durchhaltekraft sei Dank. Weiter so! Bettina Schmidt Musikwissenschaftlerin und Redakteurin beim DLF Kultur bis Ende 2022 IMPRESSUM Eine Veranstaltung von PRO MUSICA ANTIQUA in Zusammenarbeit mit und gefördert durch die STADT REGENSBURG / Kulturreferat PLANUNG UND KONZEPTION: PRO MUSICA ANTIQUA (Stephan Schmid, Ludwig Hartmann) GESCHÄFTSLEITUNG: Paul Holzgartner HERAUSGEBER: TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG (Stephan Schmid, Ludwig Hartmann) Postfach 10 09 03 D–93009 Regensburg E-Mail: TageAlterMusik@t-online.de www.tagealtermusik-regensburg.de REDAKTION: Ludwig Hartmann, Stephan Schmid, Paul Holzgartner REDAKTIONSSCHLUSS: 25. April 2025 LEKTORAT: Christina Bergmann, Dr. Hannsjörg Bergmann HINTERGRUNDBILD TITELSEITE: Museen der Stadt Regensburg, Historisches Museum; Foto: Michael Preischl SATZ & LAYOUT: DTP-Studio DENZL, www.dtpd.com 11

bereits 40 Jahre gibt es die tage alter Musik regensburg (taM), und wer die Programme revue passieren lässt, findet dort nicht nur das who is who der alten Musik seit vier Jahrzehnten, sondern auch eine große anzahl weniger bekannter Musikerinnen und Musiker. Die Veranstalter haben nicht nur die etablierte tradition und den «mainstream» zu ihrem recht kommen lassen – man denke nur an die großen eröffnungskonzerte mit den regensburger Domspatzen – sondern stets auch viel neugier für weniger bekannte, aber vielversprechende künstler:innen, ensembles und repertoires bewiesen und damit das spektrum der ästhetischen zugänge wie der regionalen Differenzen für ihr Publikum erheblich ausgedehnt. Diese ausgeprägte Diversität ist eines der faszinierendsten Merkmale der alten Musik. zugleich sind die vier Jahrzehnte des regensburger Festivals ein verhältnismäßig kurzer zeitraum in der gesamten entwicklungslinie Historischer Musikpraxis und rechtfertigen daher einen notgedrungen kurzen blick in größere zusammenhänge. es ist wie beim Öffnen einer Matrjoschka-Puppe: sobald man eine station in der rezeption älterer Musik näher betrachtet, entdeckt man eine noch ältere schicht, auf der sie steht. Die generation der 1970er und 1980er Jahre (gebrüder kuijken, Frans brüggen, Jordi savall, benjamin bagby & barbara thornton, reinhard goebel et al.) – um mit den anfangsjahren der taM zu beginnen – profitierte ihrerseits von der generation aus der Mitte des 20. Jahrhunderts (nikolaus und alice Harnoncourt, gustav und Marie leonhardt, thomas binkley, konrad ruhland etc.), diese erhielten anregungen von den kurz vor oder nach 1900 geborenen (august Wenzinger, alfred Deller, safford Cape, Paul Hindemith), und die wiederum hatten ihre Vorbilder in arnold Dolmetsch, Wanda landowska und anderen zeitgenoss:innen, die um 1850 geboren wurden. sogar gustav Mahler (geb. 1860) veranstaltete «historische konzerte» und war in einem brief von 1909 darum besorgt, Werke von bach mit einer Continuostimme begleiten zu lassen – selbstverständlich auf dem klavier. Weiter zurück geht es mit französischen bzw. belgischen (z.b. F.-J. Fétis in Paris und brüssel) und deutschen (a. F. J. thibaut in Heidelberg) Pionieren. Mendelssohn bearbeitet bach, Mozart bearbeitet Händel, J. s. bach sammelt die Musik seiner eigenen Vorfahren, und man weiß sogar, dass Jean Jacques rousseau Übertragungsversuche der Missa von guillaume de Machaut (14. Jh.) unternommen hat. in england gab es schon seit dem frühen 18. Jahrhundert eine tradition der auseinandersetzung mit historischem repertoire, ganz besonders mit den italienischen Madrigalisten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts in «the royal academy of Vocal Music». Der erste Vorsitzende dieser Vereinigung wurde 1727 der nicht einmal in england ansässige italienisch-deutsche komponist und Diplomat agostino steffani (1654-1728). robert lucas Pearsall (gest. 1856), der bewegende historisierende Vokalmusik hinterlassen hat, ist einer der letzten Vertreter dieser gruppierung. Die seit dem 16. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert besonders in regensburg so wirkungsmächtige Figur des giovanni Pierluigi da Palestrina ist schließlich gegenstand einer tagung innerhalb des diesjährigen Festivals – womit sich ein großer kreis schließt. Mit diesen sehr subjektiv gewählten beispielen bleiben viele weitere ungenannt, die in ganz unterschiedlichen zugängen den boden für das bereitet haben, was wir heute unter dem begriff «alte Musik» verstehen. eines wird damit aber schon deutlich: die beschäftigung mit älterer Musik ist ein unvermeidlicher teil der Musikgeschichte selbst und keineswegs ein neueres Phänomen. relativ neu ist hingegen ihre Wahrnehmung als eigene musikalische sparte und ihr genereller einfluss auf den «klassik»-Markt, der sich, genau betrachtet, parallel zur alte-Musik-bewegung herausgebildet hat. Die erfolgreiche geschichte der tage alter Musik regensburg ist damit ein element dieser entwicklung und zugleich ein brennglas für die alte Musik-Praxis ihrer eigenen zeit. panorama Vor diesem grob skizzierten Hintergrund ist es nicht mehr überraschend, dass alte Musik im heutigen konzertleben und auf dem multimedialen Musikmarkt eine omnipräsente spielart geworden ist, oder man könnte auch sagen: eine Marke, wenngleich mit unscharfen grenzen. so umfasst sie in der gegenwart eine standardisierte, festspieltaugliche und an die Vermarktungsstrategien großer Medienkonzerne anschlussfähige seite ebenso wie die spezialisierte, ausdifferenzierte und in die entferntesten regionen des repertoires und der spielpraxis reichende – sowie alles, was dazwischen liegt.1 an den rändern berührt sie auch die sphäre traditioneller Musikpraktiken, zeigt Verwandtschaft mit dem Jazz und findet anschluss an das aktuelle kompositorische schaffen. Der erfolg der alten Musik macht sie inzwischen auch interessant für Musiker:innen konventioneller ausrichtung, die sich gerne mit den spezialist:innen verbinden. Moderne symphonie- oder kammerorchester sowie etablierte opernhäuser lassen sich umgekehrt durch alte Musik-expert:innen am Dirigentenpult inspirieren. Diese einladungen werden von den repräsentanten der alten Musik auch bereitwillig angenommen, weil sie zutritt zu der einst verschlossenen, aber prestigeträchtigen und finanziell gut ausgestatteten sphäre der öffentlich subventionierten Hochkultur verschaffen. Dass das Thomas Drescher soweit, so gut? 40 Jahre „Tage alter musik regensburg” im spiegel der alte-musik-bewegung – eine Tour d’horizon 1 Dieser breiten Definition entsprechend umfasst der begriff «alte Musik» in diesem text alle aktivitäten, die sich im sinne einer wie immer gearteten rekonstruktiven Forschung und Praxis mit einem älteren musikalischen repertoire befassen. Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 12

Tage alTer Musik regensburg Juni 2025 Dirigieren in der heutigen interpretierenden ausprägung erst weit nach 1800 üblich wurde (und die Dominanz der regie nochmals 100 Jahre später), wird dabei nicht weiter kritisch hinterfragt. aus diesem groben Panorama wird bereits ersichtlich: Den einen und einzigen standort der alten Musik gibt es nicht, sondern viele verschiedene, je nach musikalischer Herkunft, marktpolitischer ausrichtung und künstlerischer zielsetzung. und dies könnte auch schon das Fazit sein: alte Musik ist heute in fast alle bereiche des «klassischen» Musiklebens vorgedrungen und hinterlässt mit unterschiedlichen intentionen unterschiedliche spuren. zugleich ist diese Feststellung aber ein Problem, denn man könnte mit recht fragen: was ist dann eigentlich der kern der alten Musik? Voraussetzungen an dieser stelle hilft vielleicht nochmals, in fahrlässiger Verkürzung, ein blick in die geschichte. unter den heute etablierten begriffen «Historische aufführungspraxis»/«Historisch informierte aufführungspraxis» (englisch abgekürzt: HiP)/«Historische Musikpraxis», um nur die gängigsten labels zu nennen, werden aktivitäten verstanden, die Musik der Vergangenheit aus den bedingungen ihrer entstehungszeit heraus in einem dialogischen Verfahren zu befragen und in der gegenwart aufzuführen. Das ist ein forschungsintensiver Prozess, bei dem die Musikwissenschaft seit den großen bach-, Händel- und schütz-ausgaben des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Partner geworden ist. Das gesamte repertoire der alten Musik erstreckt sich mittlerweile über einen zeitraum von etwa 1000 Jahren, vom frühen Mittelalter mit den Dichter-komponisten des 9. Jahrhunderts aus st. gallen und der reichenau bis zur romantischen Musik um ca. 1850 und nicht selten darüber hinaus, man denke an Wagner mit historischen instrumenten, oder noch weiter in die Vergangenheit zurück, wie z.b. mit einer historisch fundierten re-imagination griechisch-antiker Musik. Die geschichte der alten Musik im engeren sinn beginnt jedoch erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als das ältere repertoire nicht mehr in einem «aktualisierenden Modus» rezipiert wurde, der eine bewusste anpassung an die klangvorstellungen der jeweiligen gegenwart erforderlich machte, sondern ein «historisch-rekonstruktiver Modus» leitend wird, der sich schon seit den 1830er Jahren beobachten lässt (begrifflichkeit nach Dahlhaus 1980). Die Protagonisten des frühen 20. Jahrhunderts wollten sich zudem vom «epigonentum der spätromantik» absetzen (so die gründer:innen der schola Cantorum basiliensis ende der 1920er Jahre) und zeigten damit auch berührungspunkte mit den Jugendbewegungen der zeit um und nach 1900. Diese kritische Widerständigkeit gegenüber eingeschliffenen Produktions-, aufführungs- und rezeptionsgewohnheiten, verbunden mit historischer informiertheit und der neugier auf bisher ungehörtes repertoire und neue klanglichkeiten, gehört zur Dna der alten Musik und zeichnet sie in ihren besten Momenten auch heute noch aus. Wichtige katalysatoren für die entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert waren funktionslos gewordene alte instrumente, die von amateuren und Professionellen wieder gesammelt, gespielt und nachgebaut wurden (Cembalo, laute, gambe, blockflöte etc.). sie sind, erweitert mit den historischen bauformen ‘moderner’ instrumente, bis heute das äußerliche erkennungsmerkmal der alte Musik-bewegung geblieben, als anregende Wegweiser zur erforschung historischer klangwelten. schwieriger ist die lage beim gesang, der nicht auf historische kehlköpfe zurückgreifen kann, doch auch hier nähert man sich unterdessen historischen Perspektiven an. bei alledem ist den beteiligten bewusst, dass eine heutige aufführung älterer Musik weder original, noch authentisch, noch historisch «richtig» sein kann – obwohl Marketingverantwortliche diese begriffe leider immer noch bedenkenlos verwenden. Dennoch handelt es sich nicht um bloße Fiktion, sondern die künstlerischen entscheidungen sollten auf dem Fundament von solidem historischemWissen, informierter intuition und aufführungspraktischer erfahrung getroffen werden – von der (inzwischen) selbstverständlichen technischen Meisterschaft auf dem instrument oder beim singen nicht zu reden. Die lesarten dieser Voraussetzungen verändern sich jedoch von generation zu generation, und so verändert sich auch die alte Musik selbst unablässig und blickt nun auf eine eigene geschichte von circa 200 Jahren zurück, die sie ebenso beeinflusst wie alles darum herum. unausweichlich ist damit jede aufführung ebenso ein spiegel der gegenwart wie der Vergangenheit. Die zeitgenossenschaft lässt sich nicht abschütteln, weder bei den ausführenden Musiker:innen noch beim Publikum. Mit dieser einsicht ist alte Musik ein teil des zeitgenössischen Musikschaffens. ausbildung Mittlerweile ist alte Musik auch tief in die musikalische berufsausbildung integriert, mit spezialisierten instituten in basel, genf, Den Haag, lyon, bremen, indiana/il und andernorts sowie mit abteilungen oder einzelnen klassen an zahlreichen MusikhochThomas Drescher ist seit seiner schulzeit im gymnasium der benediktinerabtei niederalteich in der alten Musik aktiv. nach dem studium der germanistik und Musikwissenschaft in München und basel begann er 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der schola Cantorum basiliensis (Musikakademie basel/Fachhochschule nordwestschweiz), 2015-2022 leitete er das institut. er hat darüber hinaus ca. 50 CDs bei renommierten labels produziert und war über Jahrzehnte als Vorstandsmitglied und künstlerischer leiter einer konzertreihe für alte Musik tätig. in diesen Funktionen hat er erfahren, dass die ansprüche aus Forschung und ausbildung und die realitäten des konzertbetriebs und der Medien zwei sehr unterschiedliche Dinge sein können. Foto: susanna Drescher 13

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