Tage Alter Musik – Almanach 2007

den B’Rocker. Das Durchschnittsalter des Orchesters dürfte bei 25 Jahren liegen und - nomen est omen - in Barock steckt auch Rock und der steht für die Dynamik, den Drive und die Expressivität der jungen Musiker. Sie gehen mit einer Besessenheit, einem Eifer und einer Frische ans Werk, wie es nur junge Musiker beim ersten Entdecken der Werke tun. Und diese eigene Faszination überträgt sich. Zu ihrem Deutschlanddebut hatten sie den französischen Blockflötenstar Julien Martin eingeladen, den Sie eben mit einem Satz aus der Ouvertüre a-moll für Altblockflöte, Streicher und Basso continuo von Georg Philipp Telemann hörten. Vom Cembalo aus lei- tete Skip Sempé das Ganze. Auch er ist mit seinem eigenen Orchester “Capriccio stravagante” bekannt für farbenfrohes und beschwingtes Wiederbeleben barocker Musik. Hier ist noch einmal B’Rock mit “Les Boiteux et les Coureurs” - die Hinkenden und die Läufer - aus Telemanns Ouvertüre “Les Nations”. Musik: Georg Philipp Telemann: “Les Boiteux et les Coureurs” aus der Ouvertüre “Les Nations” B’Rock, Leitung: Skip Sempé Das Orchester B’Rock mit dem Finale der Ouvertüre “Les Nations” von Georg Philipp Telemann. Ein bisschen schien den B’Rockern allerdings doch die übergroße Akustik der Minoritenkirche zu Schaffen gemacht zu haben, die ein exaktes Zusammenspiel erschwert. Für die alta capella des amerikanische Renaissanceensembles Ciaramella war das wiederum genau der richtige Raum. Alta capella bezeichnet schlicht die laute Kapelle mit Pommern, Trompeten und Posaunen, also den Instrumenten, die hervorragend zu offiziel- len Anlässen im Freien aufspielen konnten. Für diese Besetzung gibt es nicht viel Notiertes, aber Vokalstimmen lassen sich natür- lich genauso instrumental ausführen. Das tut Ciaramella. Und nicht anders als bei den heutigen Blaskapellen präsentieren sie die alten Hits von anno dazumal. Zum Beispiel die um 1450 komponierte, dreistimmige Chanson “Se la face ay pale” von Guillaume Dufay. Musik: Guillaume Dufay: “Se la face ay pale”, Ciaramella Das Ensemble Ciaramella wechselt die Besetzungen zwischen “alta capella”, der lauten also, mit Schalmeinen und Pommern und der “capella bassa”, das ist die leise mit Blockflöten besetzte Kapelle, zu denen sich auch Gesang gesellen kann, wie hier in Werner Fincks lateinisch textiertem deutschen Lied “Wär ich ein Falk”, das als Cantus firmus durch die Stimmen wandert. Musik: Werner Finck: „Wär ich ein Falck“, Ciaramella In der besten Art damaliger Spielleute verstehen es die Mitglieder von Ciaramella alle anstehenden Instrumente zu bedienen, egal ob Blockflöte, Schalmei oder Dudelsack. Debry Nagy ist zudem noch Sängerin. Polyphone Musik des Mittelalters und der Renaissance ist auch die Spezialität des italienischen Vokal- und Instrumentalensembles Cantica Symphonia. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen die Werke Guillaume Dufays, der Bugfigur der flämischen Schule im 15. Jahrhundert. Und mit dessen Missa “Resvellies vous” und 3- und 4-stimmige Motetten stellten sie sich auch dem Regensburger Publikum vor. Faszinierend ist, wie klar sich bei Cantica Symphonia die einzelnen Stimmen sanft bewegt zu einem Gesamtgewebe fügen, immer durchhörbar, reinst und feinst intoniert. Und da die 5 Sänger nicht, wie zumeist üblich, a capella singen, sondern ihre Stimmen mit Posaunen, Fidel und Orgel mischen, von der Harfe umspielt, wird der Klang reicher und farbiger, sphärischer, wird “tönend bewegte Form”. Musik: Guillaume Dufay: Balsamus et munda cera, Cantica Symphonia Das war, als Ausschnitt aus dem Konzert des Ensembles Cantica Symphonia Guillaume Dufays vierstimmige isorhythmische Motette “Balsamus et munda cera”. Noch weiter zurück in die Vergangenheit reichte das spanische Ensemble Alia Musica mit geistlich jüdisch-spanischer Musik des Mittelalters. Das Klangbild der Musik der spanischen Juden hat anno dazumal Hesperion XX wieder belebt. Und viele der nachfol- genden Ensembles haben sich an diesem satten, rhythmusbetonten Sound orientiert. Das sechsköpfige spanische Ensemble “Alia Musica” geht seit über 20 Jahren einen anderen Weg. Ganz sparsam begleiten sie die allerdings auch wesentlich frühere Musik mit Laute, der arabischen Flöte Nay und der arabischen Zither Kanun. Nur gelegentlich unterlegt eine Trommel oder ein Tambourin einen Rhythmus. Hier zunächst ein Gebet auf spanisch aus dem 12. / 13. Jahrhundert, in dem Gott u.a. gebeten wird, seine Kornkammer zu öffnen und Geld zu schicken, und danach die musikalische Umsetzung eines 1000 Jahre alten hebräischen Gebets. Musik: Copla. (Istanbul) und Ki esmera sabat, Alia Musica „Mögest Du jetzt meine Zuflucht sein, ganz wie gestern und morgen. O Gott, lass mich nicht warten!“ Abwechslungsreich und fan- tasievoll in der Begleitung und mit himmlischer Ruhe vermittelte Alia Musica die geistliche jüdische Musik aus dem spanischen Mittelalter in diesem Konzert der “Festtage Alter Musik Regensburg”. So, wie es auch die ausgezeichneten Aufnahmen des Ensembles vermitteln. Mit der Qualität der CDs werden Maßstäbe gesetzt, die im Konzert mitunter schwer einzulösen sind. Nach den brillianten Aufnahmen des Orchesters Café Zimmermann und des Oman Consorts waren dort die Erwartungen natürlich beson- ders hoch. Live hört man, dass die halsbrecherischen Tempi doch schwer erarbeitet sind und nicht mit der Leichtigkeit daherkom- men, die man auf den CDs bewundern kann. Trotzdem ließ der Chef des Oman Consorts, der Blockflötist Michael Oman, den Protagonisten in Antonio Vivaldis Flötenkonzert “Il Gardellino”, den Stieglitz also, munter singen. Ein lustiger Vogel ist das, auch wenn er manchmal leicht schrägt pfeift und den anderen hinterher flattern muss. Diesen anderen allerdings, angeführt von der Geigerin Amandine Beyer, von der es auch wiederum feinste Aufnahmen gibt, bereiteten ihm einen wunderbar federnden und leben-

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=