Tage Alter Musik – Almanach 2007

digen Boden. Musik: Antonio Vivaldi: Il Gardellino, 1. Satz, Michael Oman, Blockflöte, Oman Consort SWR 2 mit Alter Musik und Klangeindrücken von den alljährlich am Pfingstwochenende stattfindenden “Tagen Alter Musik Regensburg”. Der Blockflötist Michael Oman und sein Oman Consort spielten den ersten Satz aus Antonio Vivaldis “Il Gardellino”. Vivaldi eig- net sich mit seinen programmatischen Konzerten bestens für Klangexperimente. Johann Sebastian Bach konservierte einige Konzerte für den alleinigen Gebrauch auf dem Cembalo. Das wiederum fand der Cembalist Naoki Kitaya wohl zu fade. Er hat die Bachschen Solofassungen diverser Konzerte wieder mit einem Basso continuo belebt und das klingt dann so: Musik: J. S. Bach: Concerto D-Dur BWV 972 nach Vivaldis op.3/9 Naoki Kitaya, Cembalo & Continuo Consort Der 1. Satz aus Bachs Concerto D-Dur für Cembalo solo nach Vivaldis Violinkonzert aus op.3 in der wieder um einen Basso conti- nuo angereicherten Fassung. Ein abendfüllendes Programm mit solchen Bearbeitungen hatte sich der Cembalist Naoki Kitaya für sich und sein Züricher Continuo Consort ausgedacht. Die Musik ist wunderbar, im Original, in der Bachschen Bearbeitung und auch in dieser Zwitterfassung, die allerdings mit einem schlüssigeren und konsequenteren Generalbass hätte versehen sein können. Um die Ohren wieder frei zu machen, diese Musik wieder neu zu hören, ist das jedenfalls als einmaliges Erlebnis interessant. Mitunter hört man Musik auch anders, wenn die optische Verpackung Aufsehen erregt. Darauf hatten “I Furiosi” gebaut, barocke Punker aus Toronto mit bunten Haaren in Latexklamotten. Auf ihr Regensburger Europadebut war auch gleich eines der Toplabel scharf, dem unglücklicherweise Vanessa-Mae und Nigel Kennedy entgangen sind. Die 4 Furiosi - 2 Geigerinnen, ein Cellist und eine Sängerin - haben auch wirklich ein tierisches Konzert gegeben, “welcome to the jungle” betitelt, mit all den bekannten barocken Tierstücken vom bereits gehörten “Gardellino” bis zur verliebten Nachtigal von Monsieur Couperin, hätte da nicht die Sängerin Blechtrommelerinnerungen wach gerufen. Aber die Butzenscheiben des ehrwürdigen Reichsaals, in dem über Jahrhundert die Reichtage abgehalten wurden, hielten auch ihrer schneidenden Stimme stand. Was gab es noch Spannendes bei den “Tagen Alter Musik” in Regensburg? Ein Konzert des belgischen Ricercar Consorts mit 4 frühen Bachkantaten in solistischer Vokalbesetzung im typischen Ricercarsound, mit warmem und reich ausgestatteten Bassregister, zu dem neben der Gambe des Ensembleleiters Philippe Pierlot ein Cello, ein Fagott und ein Kontrabass beitrugen. Bald wird das auf CD hören zu sein. Das jetzt schon als CD Tipp, wenn es so eine dichte, stimmige und beseelte Aufnahme wird, wie es das Konzert war. Außerdem gab es eine szenische Aufführung von Monteverdis Orfeo, der dieses Jahr 400 Jahre alt wird. Dazu hatte sich das Ensemble Venexiana, u.a. in Solisten aufgelöst und instrumental verstärkt. Das war das begehrteste Ereignis des diesjährigen Festivals und hielt den hohen Erwartungen sowohl musikalisch als auch optisch stand. Auch das ist gerade als CD erschienen. Dann gab es das erwähnte Konzert des französischen Barockorchesters Café Zimmermann, das zwar die Lebendigkeit der CD halten konn- te, aber nicht ihr Klangbild. Die allzu unhistorische, pastose und intonationsmäßig freizügige Spielweise des Cellisten in Carl Philipp Emanuel Bachs Solokonzert passte so gar nicht zu der Frische des Gesamtklangs und das Cembalo ging unter, obwohl nur 6 Streicher das Orchester bildeten. Das allerdings ist und bleibt ein Thema. Auch im wirklich sehr beeindruckenden Abschlusskonzert der Tage Alter Musik. Da wurde es wieder vergleichsweise modern: Arthur Schoonderwoerd spielte auf dem Hammerflügel zwei Beethovenkonzerte: das 3. Klavierkonzert und die Klavierfassung des berühmten Violinkonzertes und da musste man seine Ohren schon spitzen, um den Hammerflügel gut zu hören, auch wenn die Streichergruppe wieder nur aus 2 Geigen, 2 Bratschen, einem Cello und einem Bass bestand. Ihnen stand die kleinstmögliche Bläserbesetzung gegenüber, immerhin 12 Bläser. Hat sich das Ohr dann einmal auf diesen Sound eingestellt und der Kopf darauf eingelassen, dann werden sie mit einem Mikrokosmos feinster Klangschattierungen belohnt. Darauf kann man in Zukunft die gewohnte Klangvorstellung mit einem 500 Kilogramm-Steinway an großer Orchesterbesetzung justieren. Faszinierend ist nicht nur der zarte, belebte Klang des Fritzflügels aus dem Uraufführungsjahr des Violinkonzerts, sondern auch, wie homogen sich die Instrumentalfarben der Orchesterinstrumente mit dem Klavier verbinden und trotzdem ihre Eigenständigkeit bewahren. Und wie fein diese historischen Klangverhältnisse ausbalan- ciert waren und eben immer noch sind. Hier der letzte Satz des D-Dur-Konzertes mit dem Orchester “Cristofori”. Musik: L. v. Beethoven: 3. Satz des Violinkonzerts D-Dur in der Klavierfassung, Arthur Schoonderwoerd, Hammerflügel, Orchester Cristofori Sie hörten den letzten Satz des D-Dur Klavierkonzerts von Ludwig von Beethoven, das parallel zur Violinkonzertfassung 1808 gedruckt wurde. Arthur Schoonderwoerd leitete vom Hammerflügel aus sein Orchester “Cristofori”. Auch das ist gerade aufgenom- men worden, dürfte also demnächst als CD erscheinen. Das war ein kurzer Klangflug über die Tage Alter Musik Regensburg. Seit 23 Jahren gelingt es ihnen jeweils am Pfingstwochenende aus der stets in Änderung begriffenen Alten Musik Szene eine spannende und kontrastreiche Auswahl zu treffen, die Ohren und Kopf betört, fordert und auch entrümpelt. Wenn Sie sich das geben wollen: der BR sendet einige der Konzerte zwischen dem 2. und 18. Juli. Am Mikrophon verabschiedet sich Dagmar Munck-Sandner. Ich bedanke mich fürs Zuhören und wünsche Ihnen noch einen schö- nen Abend.

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