Tage Alter Musik – Almanach 2009

www.klassik.com Kimonos am römischen Kaiserhof – Monteverdis L´incoronatione di Poppea mit La Venexiana Autor: Prof. Dr. Michael Bordt Vor zwei Jahren, 2007, war La Venexiana schon einmal bei den Tagen der Alten Musik in Regensburg zu Gast, um eine vielbeach- tete Aufführung von Claudio Monteverdis ‘L’Orfeo‘ zu geben. Dieses Jahr nun folgte Monteverdis ‘Krönung der Poppea‘, ein ungleich längeres und auch nicht ganz so eingängiges Stück. Monteverdi komponierte diese Oper nicht für einen reichen Fürsten, der sich ein großes, eigenes Orchester leisten konnte, sondern für das Teatro SS. Giovanni e Paolo in Venedig, und das bedeutete, dass das Stück Geld einspielen und das Orchester dementsprechend reduziert werden musste. So hängt bei diesem Stück viel an der Ausdruckskraft der Protagonisten, der Musik und der Regie. Zunächst zur Regie von Paola Reggiani: Um es kurz zu sagen – es gab sie nicht. Es gab zwar ein paar fragwürdige Ideen (so z.B. die Handlung im Japan der 60er anzusiedeln, was man allerdings nur an den Kostümen von Claudio Cavina, dem Leiter von La Venexiana, und an herabhängenden Stoffbahnen sehen konnte, durch die die Vorderbühne, auf der gespielt wurde, von der Hinterbühne, auf der das Orchester saß, getrennt wurde), aber jede Dorfbühne im Landkreis Regensburg dürfte zweifelsohne über- zeugendere Interaktionen der Schauspieler zu Stande bringen. Personenregie: Totalausfall! Nur Emanuela Galli als Poppea hat ein Naturtalent zum Schauspiel, mit feinen Gesten und differenzierter Mimik beherrschte sie die Szene. Roberta Mameli würde man viel- leicht einen Cherubino oder einen Octavian abnehmen, aber als Nero war sie darstellerisch ein wirkliches Ärgernis. Wer also meinte, eine Opernaufführung zu besuchen, wurde herbe enttäuscht. Wenn man hingegen einmal akzeptierte, dass man einer konzertanten Opernaufführung beiwohnte, in der die Darsteller mit unterschiedlicher Kostümierung entweder von rechts oder links auftreten und die Beleuchtung zwischen rot, blau und weiß wechselt, der kam mit Monteverdi voll auf seine Kosten. Denn was musikalisch geboten wurde, war größtenteils vom Feinsten. Einmal abgesehen davon, dass es heutzutage völlig unverständlich ist, warum man Nero nicht mit einem Falsettisten, sondern mit einer Sopranistin besetzt: Mamelis starker, voller, ausdrucksstarker und dabei klarer Sopran überzeugte ebenso wie Emanuela Galli. Nie habe ich eine Poppea berechnender und erotischer singen gehört. Etwas eindimensional blieben andere Protagonisten: Xenia Meijer als Ottavia und Claudio Cavina als Ottone vermittelten zu stark den Eindruck eines permanenten Lamentierens, anstatt die Partien unterschiedlich – mit Licht und Schatten – zu gestalten. Matteo Bellottos als Seneca blieb in den Tiefen schwach, Ian Honeyman spielte doch arg überdreht die alte Amme Arnalta. Der eigentliche Star des Abends aber war Claudio Cavina – nicht als Kostümbildner, Choreograph oder Ottone, sondern als Dirigent! – und die üppig besetzte Continuo-Gruppe mit allein drei Theorben, zwei Cembali, einer Erzlaute, Barockgitarre und einer Harfe, die intensiv eingesetzt wurde. So gerieten die Rezitativpassagen nie zäh oder langweilig. Die große Kunst der Textausdeutung und barok- ken Improvisation: Das Orchester beherrscht sie perfekt. Irritierend das Schlussduett: Claudio Cavina verweigert eine ‚schöne‘ Begleitung, lässt in dem Orchester Vorhalte und Dissonanzen unaufgelöst, verschiebt den Rhythmus und verfremdet so musikalisch das erste, große Liebesduett der italienischen Oper. Dadurch erreicht er eine Verstörung des Publikums, die das Schiefe dieses Schlusses klar markiert. Großer, wenn auch nach knapp vier Stunden etwas müder Applaus. Nordischer Händel - Concerto Copenhagen mit Händel und Roman Autor: Prof. Dr. Michael Bordt Eine 25-jährige Tradition kann das Festival der Tage der Alten Musik nun schon vorweisen, das jeweils am Pfingstwochenende in Regensburg ausgerichtet wird. 14 Konzerte in vier Tagen - eine beachtliche auch überregional beachtete Leistung mit internationa- len Spezialisten, die ohne das Engagement von Ludwig Hartmann, Stephan Schmid und Paul Holzgartner nicht so hätte stattfinden können. Ganz aus dem Norden kam das aus dänischen und schwedischen Musikern bestehende Orchester Concerto Copenhagen (genannt ‚CoCo‘), um unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen einerseits dem diesjährigen Händeljubiläum mit vier seiner Concerti grossi op. 3 Tribut zu zollen, andererseits aber auch, um einen in unseren Landen eher unbekannten Schweden, Johan Helmich Roman (1694-1758), bekannter zu machen. Und Roman ist nicht irgendwer: Er ist der erste bedeutende schwedische Komponist, komponier- te im Stil der italienischen Barockmusik und arbeitete auch in London einige Jahre mit Händel zusammen. Dennoch, wer seine Musik nicht kennengelernt hat, hat nicht wirklich etwas in seinem Leben verpasst. Sieben seiner 45 Stücke umfassenden Golovin-Suite, für die Krönung von Peter II. komponiert, und sein beinahe schon frühklassisches Oboe-d’amore-Konzert standen auf dem Programm. Der erste Teil des Programms geriet eher nordisch kühl. Die Musik blieb schwerfällig, der Klang des 18-köpfigen Orchesters wenig transparent. Selbst die Soloviolinen wurden im Concerto grosso Nr. 2 vom Orchesterklang überlagert. Zu wenig exakt waren die Instrumentalisten aufeinander abgestimmt, die Pausen nicht genau genug eingehalten. Wenig hilfreich war sicher auch, dass Mortensen am Cembalo zwar mit Körperbewegungen und vielsagenden Blicken sein Bestes zur Koordinierung der Musiker tat, seine Schlagtechnik aber eher rund und nicht präzise war. Zum Problem wurde das vor allem bei Händels Concerto Nr. 5. Der erste Satz ist eigentlich zu komplex, als dass er derart ‚dirigiert‘ werden sollte - hier fehlte eine klare Koordination. Das änderte sich deutlich hörbar nach der Pause. Der Klang war schlanker und die einzelnen Instrumentengruppen waren besser aufeinander eingespielt. Händels Concerto Nr. 3 war dynamisch genau abgestuft, rhythmisch exakt musiziert, und ‚Coco‘ bewies Mut zu Crescendi, denn insgesamt bevorzugt die dänische Gruppe einen eher akademischen Originalklang, wenig bis gar kein Vibrato und auch keine großen dynamischen Kontraste. Beim Oboenkonzert, von Frank des Bruine untadelig gespielt, fühlten sich die Musiker stärker in ihrem Element als bei Händel, denn mit dessen Leichtigkeit oder tänzerischem Schwung taten sich die Musiker schwerer. Sehr freundlicher Applaus.

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