Tage Alter Musik – Almanach 2009

Elsacker, Tenor, und Arnaud Marzorati, Bass, standen ihr da nicht nach – und vereinten sich doch bei aller solistischen Ausdruckskraft auch problemlos zum wunderbar homogenen Vokalensemble. Dazu kamen die souveränen, aber für die Bedürfnisse der Sänger sehr sensiblen Instrumentalisten, die reich diminuierten und verzierten – ein wirklich genussträchtiges Konzert! Das Zefiro Baroque Orchestra Alfredo Bernadinis huldigte im nächsten Konzert dem meistgefeierten Jubilar des Jahres: Georg Friedrich Händel. Zwei „Concerti a due cori“, dazu das Concerto „Alexander’s Feast“ und die „Feuerwerksmusik“ standen auf dem Programm, das in der sehr halligen Minoritenkirche allerdings nur in den vorderen Reihen wirklich differenziert zu genießen war. Dort allerdings ließ sich mit großem Vergnügen insbesondere die beeindruckende Virtuosität der Bläser dieses Barockorchesters konsta- tieren. Nicht dass bei den oft sehr gewagten Tempi Bernadinis nicht auch mal ein Tönchen in den Oboen durch- oder in den Hörnern verrutschte – doch im Großen und Ganzen sausten die Oboen ungefährdet durch die Koloraturen, landeten (Natur-)Hörner und (Natur-)Trompeten exakt da, wo es vom Komponisten vorgesehen war; und das ziemlich schnell. Sehr schön auch die musikalische Gestaltung mit spannungsreich gezirkelten Melodiebögen, kräftigen Akzenten und dynamischen Überraschungsmomenten und eben- so die Präsentation speziell der „Feuerwerksmusik“, bei der die Musiker – allesamt im Stehen agierend – sich mal dem Publikum zu, mal von ihm weg drehten und so originelle Klangeffekte zeitigten. Ganz anderen Charakters dann das Nachtkonzert dieses Tages, in welchem man das französische Vokalensemble Ludus Modalis unter und mit Bruno Boterf erleben konnte. Die acht Sänger interpretierten Musik von Paschal de L’Estocart (1537-?), ein Repertoire, das ob seiner oft sehr erstaunlichen Harmonik – einesteils voller überraschender Querstände und Dissonanzen, anderenteils ganz im strahlenden Kontrapunkt der Hochrenaissance eines Lassus oder Palestrina gehalten – fasziniert. Als höchst lobenswert wäre dabei vor allem die auch nach Mitternacht noch durchgängig sehr gute bis makellose Intonation des Ensembles zu bemerken. Doch musikalisch blieb manche Frage offen: So bemüht sich Boterf zwar ausdrücklich um ein Klangideal, das eben nicht (wie bei den mei- sten Renaissance-Ensembles) auf perfekte Homogenität setzt, sondern auf individuelle Stimmfarben, auf dass das Endergebnis mög- lichst durchhörbar sei. So erlebte man hier auch keine vollkommene Homogenität – aber andererseits auch wieder nicht so viel Individualität, dass tatsächlich eine besonders bemerkenswerte Durchhörbarkeit aufgekommen wäre; und naturgemäß ist diese in einer so kleinen Besetzung ohnehin recht klar. So hatte man also in gewisser Weise nichts Halbes und nichts Ganzes. Ähnlich sah das mit der Gestaltung der Melodiephrasen aus: Dabei möchte Boterf bewusst nicht mehr „Interpretation“ als die sich aus der Tonhöhe quasi natürlich ergebenden dynamischen Unterschiede einbauen. Das macht die Sache ein wenig eintönig, da oft schlicht die Spannung einer Linie fehlt; und solches wird nach 90 Minuten dann doch immer weniger interessant. Dennoch ging diesem Konzert keinesfalls der Genussfaktor ab, der sich schlicht aus dem insgesamt trotz der Schwankungen zwischen Homogenität und Inhomogenität sehr schönen Klang des Ensembles, den klaren Sopranen, sonoren Bässen ergab, sowie aus den schwebungsfrei strahlenden, sauberen Intervallen, die Ludus Modalis da erzeugte. Mit dem Ensemble Ex Umbris unternahm man dann eher einen kleinen Ausflug in die Event- als in die eigentliche Alte-Musik-Kultur. Die Sängerin und die vier Musiker aus den USA spielten und sangen weltliche Musik aus dem elisabethanischen England und illu- strierten sie auch darstellerisch. Das war ausgesprochen unterhaltsam und vielfach lustig inszeniert – wobei die Beteiligten das gesamte Programm auswendig darbrachten –, dafür allerdings musikalisch wenig befriedigend. So sang die (kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungene) Sopranistin mit typisch amerikanischem Vibratosound, der sich zu Dowland’schen Linien einfach unpassend ausnahm, besaßen die restlichen Ex Umbrianer kaum Gesangsausbildung und sangen dementsprechend ungestützt und – vor allem im Ensemble zu bemerken – auch etwas unsauber und waren die instrumentalen Leistungen nicht gerade glänzend zu nennen. So musste man konstatieren, dass hier der Fokus wohl einfach mehr auf dem Unterhaltungswert der Darstellung als auf dem ästhetischen Wert der Musik lag. Auch eine Herangehensweise – vielleicht auch eine, die man gerade von einem amerikanischen Ensemble erwarten durfte – aber keine auf Dauer sehr interessante. Als wirklich enttäuschend entpuppte sich dann ein Konzert mit dem Ensemble La Chapelle Rhénane mit einem Schütz-Programm. Das Problem lag hier zu einem Teil in den beiden für diese Musik einfach gänzlich ungeeigneten Sopranstimmen, die für die theore- tisch wunderbar schwebenden Schütz’schen Partien schon viel zu viel Tremolo mitbrachten, um einen präsenten Klang zu gerieren, eine zielgerichtete Linie durchzuziehen (nicht dass sie sich damit allerdings auch viel Mühe gemacht hätten...), und dazu in den Höhen oft scharf wirkten. Doch der andere Teil des Problems entpuppte sich schnell als der noch größere: Ensembleleiter Benoît Haller, der sich hier gleichzeitig als Sänger und als Dirigent zu etablieren suchte. So stand er etwa in manchen Stücken als Sänger im hinteren Teil der Bühne, ließ es sich aber nicht nehmen, von dort aus sein – sowieso nicht gerade überbordend riesiges – Ensemble noch zu dirigieren. Mit Dirigentenstab. Bei Schütz. Im Ernst. So mussten sich die Musiker immer wieder zu ihm umwen- den, der seinerseits – nicht nur in diesem Stück – naturgemäß vor allem die Höhepunkte der von ihm gesungenen Tenorlinie dirigier- te und für sonstige Kadenzierungen und zum Aussingen/spielen einladende Passagen vergleichsweise wenig Erbarmen zeigte. Und damit klang, trotz Dirigent, denn auch nicht alles und immer sonderlich gut zusammen. Dass er ein „Kleines Geistliches Konzert“ für zwei Soprane und Continuo gleichfalls (diesmal immerhin von vorne) dirigierte (mit Stab, natürlich, auch hier!), konnte dann schon kaum noch verwundern. Schade nur für die agierenden Musiker, denen er auch dabei vielfach seine Vorstellungen von Kadenzgestaltung überstülpte, und insbesondere für die beteiligten, durchaus guten Instrumentalisten, von denen man manche gerne einmal hören würde, wenn ein etwas mutigerer Ensembleleiter ihnen die Möglichkeit gibt, wirklich Musik zu machen. Diese Möglichkeit genossen die Beteiligten am nächsten Konzert in exakt dem richtigen Maße: Fabio Bonizzoni führte mit seiner Gruppe La Risonanza Händels frühes Oratorium „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“ auf und überzeugte dabei mit (immerhin drei- einhalb Stunden!) insgesamt wunderbarer und fast durchgängig sehr spannungsreich gehaltener Interpretation voller Leben und Esprit. Sein wunderbarer erster Geiger Nick Robinson, die stets präsente Continuo-Cellistin Rebecca Ferri sowie das restliche, sowohl als Begleitensemble wie auch in den solistischen Leistungen überzeugende Orchester standen ihm dabei in vorbildlicher Weise zur Seite, wenn es auch immer wieder kleine Tempowackler gab und man sich vielleicht für manche Melodielinie noch etwas deutlichere dynamische Gestaltung hätte wünschen können. Kleine Einbrüche waren allerdings bei den Sängern zu verzeichnen: Sopranistin Nuria Rial sang ihre freilich auch enorme „Bellezza“-Partie wunderbar klangschön, meistenteils gut gestaltend und recht sauber, schien jedoch mehrfach andere Tempovorstellungen zu haben als Bonizzoni, so dass es bei Übergängen dann ein wenig klapperte. Trotzdem: Respekt allein vor dieser Konzentrationsleistung. Mit Yetzabel Arias Fernandez stand ihr eine herrlich harmonie- rende „Piacere“ zur Seite, die ihrerseits mit ihrer leicht kopfigen, seiden-matten Stimme erfreute, allerdings sehr zu Intonationsproblemen neigte und mit Ausdrucksmitteln eher sparsam verfuhr. Als „Disinganno“ konnte Elena Biscuola dagegen nur in ihren wenigen sehr getragenen Passagen Punkte sammeln, wo ihre an sich warme, angenehme Altstimme sehr positiv zum Tragen kam; in bewegteren Teilen und vor allem den vielen unangenehm tiefen Lagen der Partie hörte man viel Vibrato und wenig Ton. Ähn- lich sah das mit Krystian Adam aus, der möglicherweise als lyrischer Mozart-Tenor erfreuen mag, hier jedoch erbarmungslos versag- te. So klangen seine – zum Glück eher wenigen – Arien und Rezitative gestresst und gepresst, dementsprechend intonationsunsi- cher und seine tremulöse Stimme, seine Art, von jedem Ton sofort zurück zu gehen, ließen keine schöne Linie zu. Zur Erholung nach diesem Händel-Marathon konnte man sich anschließend in ein wunderbares Nachtkonzert begeben, in dem das französische Mittelalterensemble Discantus mit Brigitte Lesne Musik vom 11. bis zum 15. Jahrhundert sang. Wunderschön bereits

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