Tage Alter Musik – Almanach 2009

Ein Vierteljahrhundert im Zeichen der Alten Musik Die Tage Alter Musik Regensburg feierten ihr 25-jähriges Bestehen Autor: Ingo Negwer Zum 25. Mal fanden am Pfingstwochenende in Regensburg die Tage Alter Musik statt. Wieder gab es von Freitag bis Pfingstmontag vierzehn Konzerte mit Musik vom Mittelalter bis zur Klassik. Die Faszination dieses Festivals ist auch nach einem Vierteljahrhundert ungebrochen: Fast 10.000 Besucher kamen zu den fast immer ausverkauften historischen Spielstätten. Ein Highlight zu Beginn: Mozarts große Messe c-Moll Das Eröffnungskonzert mit den Regensburger Domspatzen und dem L’Orfeo Barockorchester war selbst für die Tage Alter Musik ein herausragendes Ereignis. Über sechzig Techniker des Bayerischen Rundfunks haben die in barocker Pracht erstrahlende Alte Kapelle eine Woche lang für eine Fernsehaufzeichnung hergerichtet. Das Konzert wurde zudem live im Radio ausgestrahlt. Das österreichische Barockorchester L’Orfeo spielte zum Auftakt Mozarts „Linzer“ Sinfonie C-Dur. Unter der Leitung seiner Konzertmeisterin Michi Gaigg gelang eine äußerst frische Interpretation des wohlbekannten Werks, die bei aller kammermusikali- schen Transparenz von kontrastreicher Dynamik und in den Ecksätzen von stürmischen Tempi lebte. Das Hauptwerk des Eröffnungskonzerts war jedoch Mozarts große Messe c-Moll KV 427. Die Regensburger Domspatzen, oft und mit Begeisterung bei den Tagen Alter Musik gehört, übertrafen sich in diesem Jahr noch einmal selbst. Unter der Leitung von Roland Büchner ent- wickelten sie eine für einen Knabenchor schier unglaubliche Klangpracht. Der Chor konnte zudem mit dramatisch düsteren Klangfarben überzeugen. In dieser bestechenden Form sind die Domspatzen kaum zu übertreffen. Gleiches gilt für die Solisten, allen voran Dorothee Mields, die mit glockenklarem lyrischem Sopran (etwa im „Et incarnatus est“) Maßstäbe setzte. Siri Karoline Thornhill beeindruckte im „Laudamus te“ mit brillanten Kolloraturen und einem auch in der Tiefe ausgewogenen Sopran. Die soli- stischen Männerstimmen sind in Mozarts Messe c-Moll leider nur mit einer Nebenrolle bedacht. Dennoch erwiesen sich Robert Buckland (Tenor) und Manfred Bittner (Bass) als ebenbürtige Partner innerhalb der Solistenriege. Der Sendetermin der TV-Aufzeichnung stand während des Festivals noch nicht fest. Wer das Konzert verpasst hat oder noch ein- mal erleben möchte, sollte unbedingt auf der Website der Domspatzen (www.domspatzen.de ) nachschauen! Händels Feuerwerk Nach dem von Publikum und Kritik gefeierten Auftritt von B’Rock vor zwei Jahren stellte sich bei den Tagen Alter Musik 2009 mit Les Muffati ein weiteres junges Barockorchester aus Belgien vor. Unter der Leitung von Peter Van Heyghen ließen Les Muffati Orchestermusik aus England von Matthew Locke bis Thomas Augustin Arne Revue passieren. Zunächst standen mit der Suite aus „The Tempest“ von Matthew Locke und Robert Smith sowie Henry Purcells Suite aus „The Prophetess or The History of Dioclesian“ zwei Werke der englischen Restaurationszeit auf dem Programm. Mit weichem Streicherklang, präziser Artikulation und tänzeri- schem Swing trafen Les Muffati sehr schön den am französischen Klangideal orientierten Stil dieser Musik. Brillanter, in hellen „ita- lienischen“ Farben kam nach der Pause John Stanleys Concerto h-Moll daher. In dieser 1742 entstandenen Komposition forderte die Virtuosität als ein weiteres neues Element ihr Recht, das ihr durch die souveränen Solisten Tuomo Suni, Marcin Lasia (Violinen) und Marian Minnen (Violoncello) gewährt wurde. Eine Rarität war das erfrischende Concerto d-Moll von Charles Avison nach Cembalosonaten von Domenico Scarlatti. Schließlich ging das Konzert von Les Muffati mit der Ouvertüre Nr. 3 G-Dur und der Sinfonie Nr. 1 C-Dur von Thomas Augustin Arne zu Ende – zwei Werke, die bereits den Weg zur Klassik vorzeichneten. Das französische Ensemble Le Poème Harmonique und sein Leiter Vincent Dumestre (Laute) haben mit ihrem Engagement für die französische Musik der Renaissance und des Frühbarock bereits große Verdienste erworben. In ihrem Regensburger Konzert nahmen sie sich eines vergessenen Komponisten von Airs de Cour an: Charles Tessier. Der gebürtige Bretone war Kammermusiker König Heinrichs IV. von Frankreich, hielt sich aber für längere Zeit im Ausland auf, u.a. in England und stand zeit- weise auch in Diensten des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel. Entsprechend bunt und vielsprachig ist sein Oeuvre. Le Poème Harmonique folgte in der St.-Oswald-Kirche den Spuren Charles Tessiers auf seiner Reise durch Europa. Neben französischen Airs de Cour erklangen italienische Villanelle, ein Air espagnol und Chansons aus der Schweiz und sogar auf Türkisch. Kompositionen von Moritz von Hessen, Hans Leo Hassler und John Dowland ergänzten das unterhaltsame Programm, das von den hervorragenden Musikern kompetent und stilsicher dargeboten wurde. Georg Friedrich Händels Tod jährt sich 2009 bekanntlich zum 250. Male. Das Händel-Jahr wurde selbstverständlich auch in Regensburg gebührend gefeiert. Das Zefiro Baroque Orchestra reiste aus Italien an und hatte Händels berühmte Spätwerke im Gepäck: die Concerti a due Cori F-Dur (HWV 333) und B-Dur (HWV 332), das Concerto grosso „Alexander’s Feast“ und „The Musick for the Royal Fireworks“. Diese Musik scheint wie gemacht für die Akustik der großen Minoritenkirche mit ihren zwei bis drei Sekunden Nachhall. Sie entwickelte eine überwältigend majestätische Klangpracht und blieb durch das präzise, disziplinierte Spiel des Zefiro Baroque Orchestra unter der Leitung von Alfredo Bernardi dennoch transparent und schlank. Mit ansteckender Spielfreude und mit vorwärts drängender Frische nahmen sich die Italiener Händels Musik an. Die Feuerwerksmusik, von Zefiro in der Minoritenkirche nach der Pause entzündet, war ein schier atemberaubendes musikalisches Erlebnis und wird mir als eine der besten Aufführungen barocker Orchestermusik, die ich live miterleben durfte, in Erinnerung bleiben. Bravissimo!

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