Tage Alter Musik – Almanach 2009

und Wahrheit ihren Triumph nun gerade über die beiden betörenden Damen Schönheit und Vergnügen errungen haben, über eine Schönheit namens Nuria Rial, der inkarnierten spanischen Stimmzartheit, und über ein Vergnügen, für das man kaum verlockender werben kann als die sinnenfrohe Kubanerin Yetzabel Arias Fernandez. Musik: Georg Friedrich Händel: Duett „Il volver nel fior“ aus „Il Trionfo del Tempo e del Disignanno“ Nuria Rial (Bellezza), Yetzabel Arias Fernandez (Piacere) La Risonanza, Leitung: Fabio Bonizzoni „In der Blüte der Jahre die Zeit mit Sorgen verstreichen zu lassen ist eitel“, singen die beiden Damen namens Schönheit und Vergnügen in Händels frühem Oratorium. Unter diesem farbenfrohen Glück breiten die alles zerfressende Zeit und die schonungs- lose Wahrheit ihre dunklen Flügel aus und tragen dabei auch den allegorischen Triumph hinweg. Das ist für den Hörer schwer nach- zuvollziehen, zumal bei dieser allzu verführerischen Sängerbesetzung. Aber wir sind moralisch „belehrt“ und das war der Sinn von Händels römischer Oratorien-Übung. Der dritte Händelbeitrag der Tage Alter Musik Regensburg kam von Dänemarks Top-Alte-Musik-Interpreten, von Concerto Copenhagen, gegründet vor 10 Jahren vom Cembalisten und Dirigenten Lars Ulrik Mortensen. Das hatte was von einer barocken Jamsession! Händel mit viel Körper, mit sattem Sound, festlich schreitend, rhythmisch federnd, elegant und tänzerisch. Zwischen Händelschen „Concerti grossi“ fanden sich Werke des Schweden Johan Helmich Roman. Den Part der Oboe d’amore spielte hier Frank de Bruine. Musik: Johan Helmich Roman: Allegro assai aus dem Oboenkonzert D-Dur BeRi 53 Frank de Bruine, Oboe d’amore, Concerto Copenhagen Leitung und Cembalo: Lars Ulrik Mortensen Das waren Frank de Bruine, Oboe d’amore, und Concerto Copenhagen, vom Cembalo aus geleitet von Lars Ulrik Mortensen, mit dem Final-Satz aus einem Oboekonzert von Johan Helmich Roman. Das Motto der Regensburger Tage für Alte Musik ist alljährlich das gleiche: „Musik vom Mittelalter bis zur Romantik“. Damit sind die Veranstalter für alles offen, was sich gerade in der Alten-Musik-Szene tummelt, und die Zuhörer auch! Sehnsüchtig erwartet wurde das französische Ensemble „Le Poème Harmonique“, das sein Licht nicht nur auf CDs vorweg warf, sondern auch auf DVD mit faszinierenden französischen Barockopernaufführungen aus Versailles und Paris. Le Poème Harmonique ist das einzige Ensemble, das in seiner Truppe auch Tänzer, Schauspieler und sogar Akrobaten hat. Das ist einzigartig. Und damit hat es natürlich auch viele Möglichkeiten, große Projekte umzusetzen. Reizvoll sind aber auch die vergleichsweise kleinen Projekte des Ensembles. Die gräbt der Lautenist und Gitarrist Vincent Dumestre, der Chef des Ensembles, selbst aus. O-Ton: Vincent Dumestre „Ja, klar, wie wohl alle Leute, die alte Musik machen, muss man sich selbst auf die Suche machen. Diese Musik ist überhaupt nicht veröffentlicht, es gibt keine Partitur. Man muss in die Bibliothek gehen und die einzelnen Stimmen raussuchen und sie zusammen- fügen. Oft ist die Musik verschollen oder verbrannt. Es ist also eine riesige Recherchearbeit.“ Vincent Dumestre ist seit langem auf der Suche nach französischer Musik aus dem Umfeld adeliger Höfe des 17. Jahrhunderts, und das Regensburger Programm ist eines davon. Das Ergebnis der Recherchen kann man auf den letzten CDs hören: Moulinié, Guedron, Antoine Boesset, und jetzt habe Dumestre „airs de cour“, höfische Melodien von Charles Tessier und von Leuten, die er in seinem Leben getroffen hat, wie John Dowland oder Moritz Landgraf von Hessen, gesammelt. Das ist ein Teil eines umfassen- den Projekts mit „Höfischen Weisen“ aus Frankreich. O-Ton: Vincent Dumestre „Das Thema Reise ist immer interessant, weil es erlaubt, sich für ganz unterschiedliche Musik zu öffnen. Tessier z.B. ist nicht nur in Europa gereist, sondern auch weiter in arabische Länder gereist, z.B. in die Türkei. Deshalb ist es interessant, auch die türkische oder die spanische Klangfarbe oder die italienische in das Programm zu integrieren. Das macht die Musik attraktiver, eingängiger für das Publikum. Das kennt keine „airs de cour“, keine höfische Musik.“ Musik: Charles Tessier: Je suis par trop longtemps pucelle, Le Poème Harmonique, Leitung: Vincent Dumestre Eine kleine Reise auf den Spuren von Charles Tessier mit dem Ensemble Le Poème Harmonique. Zu Gast bei den Regensburger Tagen Alter Musik war auch ein weiteres Ensemble, das mit seinen CDs in Frankreich alle „Choc du monde“ und „Diapason d’or“ – die goldenen Stimmgabelpreise - abräumt, die „Chapelle Rhénane“ des elsässischen Tenors Benoît Haller. O-Ton: Benoît Haller “Die Idee des Ensembles ist entstanden, als ich viel bei verschiedenen Gruppen vor allem in Deutschland - bei Frieder Bernius, bei Thomas Hengelbrock, auch Philippe Herreweghe und auch vielen anderen - musiziert habe und Kollegen getroffen habe, mit denen ich Lust hatte zu musizieren. Ich hab damals auch in Deutschland studiert, in Freiburg - Dirigieren und Gesang - und es war wich- tig für mich, diese Leute einfach zusammenzubringen und eine konkrete Idee für Europa auch zu bringen - auch wenn es ein biss- chen theoretisch klingt und auch utopisch, aber für uns ist es wirklich die Idee, dass Europa über Kultur gemacht werden soll und nicht über Länder, sondern über Menschen, die zusammen sprechen, musizieren, arbeiten.”

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