Tage Alter Musik – Almanach 2009

Bayerischer Rundfunk Bayern 4 Klassik, 19. 9. 2009 Autor: Roland Spiegel Jazz und mehr (in Auszügen) Willkommen zu dieser Ausgabe von „Jazz und mehr“ mit Roland Spiegel am Mikrophon. [...] Heute möchte ich das Programm mit einigen Eindrücken von zwei Festivals garnieren, die für mich seit einiger Zeit zu den Highlights des Jahres gehören. Das sind Festivals, die im Frühjahr und Sommer stattfinden – das heißt, Sie haben genug Zeit, sie zum Beispiel in Ihre eigene Planung fürs nächste Jahr einzubauen. Und mit der Querverbindung zu diesen beiden Festivals bewegt sich „Jazz und mehr“ heute zwischen Jazz und alter Musik. Etwa wie folgt. Musik: Brad Mehldau: Things behind the sun. CD “Live in Tokyo”, B’Rock: Allegro aus „Il pastor fido“. CD “B’Rock performs Händel” Der Schluss-Satz aus Georg Friedrich Händels Ouvertüre zur Oper „Il pastor fido“, also „Der getreue Schäfer“, gespielt von dem Ensemble B’Rock. Das Wortspiel, das hinter diesem Namen steckt, sagt schon alles. Das Wort Barock steckt drin – aber auch das Wort Rock. Dieses flä- mische Barockorchester besteht aus jungen Musikern, die sich der historisch informierten Aufführungspraxis verpflichtet haben und denen zugleich auch viel an besonderer Intensität des Spiels liegt. Barockmusik rockt bei ihnen also auch. [...] Das Ensemble B’Rock habe ich vor wenigen Jahren zum ersten Mal bei den Tagen Alter Musik in Regensburg gehört. Die Tage Alter Musik sind ein faszinierendes Festival, das jedes Jahr an Pfingsten einige der weltweit aufregendsten und frischesten Ensembles in der Interpretation von Renaissance- und Barockmusik, aber auch mittelalterlicher Musik präsentiert. Ich fahre da jedes Jahr hin, um Neues kennenzulernen. Und Altes in neuem Gewand. Und ähnlich geht es mir mit einem anderen Festival – in diesem Fall einem Jazzfestival. Und zwar jenem, das im Juni in und um Bozen statt- findet. Es ist das Festival Alto Adige, im Internet auch zu finden unter Südtirol-Festival. [...] Was diese beiden Festivals miteinander verbindet, ist der große Charme, der durch die Verbindung besonders stimmungsvoller Orte mit unverfälschter Musik entsteht. Und außerdem: eine gewis- se Radikalität in der Programmgestaltung. Das Wort „unverfälscht“ sagt es eigentlich schon. Verwässerte Crossover-Geschichten, in denen große Namen sich mit künstlerisch oft bodenlosen Versuchen verbinden, eine andere Musik als sonst zu interpretieren und möglichst viel kom- merziellen Erfolg dabei herauszuholen, wird man dort nicht finden. Sondern einfach: hervorragende Musiker ihres jeweiligen Genres mit unge- wöhnlichen Programmen. [...] Musik aus der Hochrenaissance mit dem Ensemble Le poême harmonique unter der Leitung von Vincent Dumestre. Das Lied hieß „Je suis par trop longtemps pucelle“, zu lange bin ich schon Jungfrau, geschrieben von dem Komponisten und Lautenspieler Charles Tessier, der Mitte des 16. Jahrhunderts geboren wurde. Solche Musik kann man zum Beispiel in Regensburg kennenlernen, bei den Tagen Alter Musik. Dieses Festival ist eines meiner Lieblings-Festivals. Zum einen, weil es stets eine Musikauswahl auf allerhöchstem Niveau bringt – mit Ensembles und Programmen, die viele Entdeckungen bieten. Und zum anderen, weil dieses Festival an wirklich bezaubernden Spielorten statt- findet – wie etwa der aus dem 17. Jahrhundert stammenden evangelisch-lutherischen Dreieinigkeitskirche, die mit ihrer hölzernen Empore eine besonders schöne Akustik hat, oder der im frühen 14. Jahrhundert fertiggestellten Dominikanerkirche, einer der frühesten Schöpfungen der deut- schen Gotik, einer Kirche mit einem sich imposant in die Höhe und Länge streckenden, sogenannten Kreuzrippengewölbe. An solchen Orten hört man Musik ungemein konzentriert, nimmt ihre ganze Intensität wahr. Und da die Regensburger Programmgestalter einen besonderen Sinn für die richtige Platzierung von Konzerten haben, kommt jedes Ensemble auch zur möglichst guten Wirkung. Unter dem hohen Himmel der Dominikanerkirche kann man vor allem reine Vokal-Ensembles erleben, deren Stimmen sich im starken Raumklang bestens entfalten. Und Ensembles von eher intimer Musikalität erlebt man in Regensburg an Orten wie der sehr heimelig wirkenden gotischen St. Oswald-Kirche. Dort habe ich etwa das Ensemble Allegorie und eben Le Poeme Harmonique gehört. Die Tage Alter Musik wurde übrigens vor 25 Jahren, 1984, von drei Studenten gegründet, die einst bei den Regensburger Domspatzen ausge- bildet wurden. Zwei von ihnen, nämlich Ludwig Hartmann und Stephan Schmid, sind noch heute für die künstlerische Ausrichtung des Festivals verantwortlich. Und man merkt als Besucher dieser Veranstaltung, dass die Macher einfach ziemlich viel Ahnung von den Inhalten haben, die sie präsentieren. Ihren Idealismus, gute Musik an schönen Orten vorzustellen, haben sie nach einem Vierteljahrhundert nicht verloren. [...] Von zwei Festivals, bei denen man Musik an besonders stimmungsvollen Orten erleben kann, habe ich heute in dieser ersten Ausgabe von „Jazz und mehr“ nach der Sommerpause einige Eindrücke geschildert. Das eine eben ist das Südtirol-Jazzfestival in und um Bozen – mit weiteren Konzerten in Brixen, Meran und anderswo. Und das andere sind die Tage Alter Musik in Regensburg. Nochmal zur Erinnerung die Termine: Das Festival in Regensburg kann man an Pfingsten erleben – und da sollte man sich jetzt schon informieren, da dort stets viele Konzerte aus- gebucht sind. Und dasjenige in Südtirol fand dieses Jahr Ende Juni, Anfang Juli statt – also auch dafür kann man jetzt schon planen. [...] Auf Wiederhören beim nächsten Mal, Ihr Roland Spiegel.

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