Tage Alter Musik – Almanach 2010

Regensburg zu Pfingsten – Ein Mekka der Alten Musik Autor: Ingo Negwer Zum 26. Mal fanden am Pfingstwochenende die Tage Alter Musik Regensburg statt. Und wieder besuchten mehrere Tausend Musikfreunde die vierzehn Konzerte mit Musik vom Mittelalter bis zur Klassik. Wie schon in den zurückliegenden Jahren zählten an diesem sonnigen Wochenende die Eintrittskarten des Festivals wohl zu den begehrtesten Objekten in der Donaustadt. Es gab kaum ein Konzert, das nicht bis auf den letzten Platz ausgebucht war. Auftakt mit Schubert und Beethoven Einer guten Tradition folgend, eröffneten die Regensburger Domspatzen unter Domkapellmeister Roland Büchner auch die Tage Alter Musik 2010. Begleitet wurden sie von der Akademie für Alte Musik Berlin . Als Solisten fungierten Monika Mauch (Sopran), Ulrike Mayer (Alt), Michael Mogl (Tenor) und Benjamin Appl (Bass). Eher selten gehörte geistliche Werke von Franz Schubert bildeten den ersten Teil des Programms: das festliche Magnificat C-Dur D 486 für Chor, Soli und Orchester, „Totus in corde langueo“ D 136 für Sopran, Klarinette und Orchester sowie das Salve Regina A-Dur D 676 für Sopran und Streicher. Monika Mauch sang das einer Opernarie glei- che Offertorium „Totus in corde langueo“ mit brillanten Koloraturen und konnte auch im andachtsvollen Salve Regina mit ihrem makel- losen Sopran überzeugen. Die Regensburger Domspatzen und die Akademie beschlossen den ersten Teil mit dem eindringlich düste- ren Stabat Mater g-Moll D 175 für Chor und Orchester. Nach der Pause erklang als Hauptwerk des Eröffnungskonzerts die Große Messe C-Dur op. 86 von Ludwig van Beethoven. Die Regensburger Domspatzen zeigten sich wieder einmal als bestens disponierter Chor. Und die Akademie für Alte Musik Berlin setzte mit beherztem Spiel die orchestralen Akzente in einem Werk, das die Errungenschaften seines Schöpfers auf dem Gebiet der Sinfonie unverkennbar widerspiegelt. Monika Mauch ließ auch hier als Sopransolistin keine Wünsche offen; ihr stand Ulrike Mayer (Alt) eben- bürtig zur Seite. Von besonderem Reiz war die Besetzung der Männerstimmen mit jungen Solisten, die selbst ihre musikalischen Wurzeln bei den Domspatzen haben. Der Tenor Michael Mogl (er studiert seit Herbst 2007 bei Christoph Pregardien in Köln) und der Bariton Benjamin Appl (ebenfalls noch Gesangstudent) komplettierten mit jugendlich schlanken Stimmen das Solistenquartett. Das Schweizer Ensemble La Morra bot im anschließenden Nachtkonzert geistliche Musik aus der Übergangszeit vom Mittelalter zur Renaissance. Im Zentrum standen Werke nordeuropäischer Komponisten: John Dunstable, Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem und Josquin des Prez waren die prominenten Vertreter, aber auch die Musik von Nicolaus de Radom, Walter Frye und Johannes Tourout – wohl eher nur den Fachleuten ein Begriff – ließ aufhorchen. Die sensiblen, quasi fragilen Klänge kamen in der Minoritenkirche schön zur Geltung. Eve Kopli, Hanna Järveläinen, Dan Dunkelblum und Giovanni Cantarini bildeten im Großen und Ganzen ein sehr ausgewogenes Vokalensemble. Im Zusammenwirken mit Blockflöte (Corina Marti), Lauten (Michal Gondko) und Viole d’arco (Tore Eketorp und Elizabeth Rumsey) trugen sie die polyphonen Miniaturen aus einer uns fernen Epoche in ebenso stilsiche- ren wie abwechslungsreichen Interpretationen vor. Dass Zuhörer und Interpreten bei aller Klangschönheit den rauen Alltag der Gegenwart nicht ganz hinter sich lassen konnten (wie im Programmheft gewünscht), lag eher an der unbeheizten Minoritenkirche, die zu mitternächtlicher Stunde die Anwesenden auf eine harte Probe stellte und den Klimawandel tatsächlich für einen Moment verges- sen ließ... Johann Sebastian Bach kammermusikalisch und konzertant Paolo Pandolfo und Mitzi Meyerson setzten am Samstag den Konzertreigen mit Barockmusik für Viola da Gamba und Cembalo fort. Zum Auftakt erklang Johann Sebastian Bachs Sonate g-Moll BWV 1029, ein ganz am italienischen Vorbild orientiertes Werk. Pandolfo und Meyerson gestalteten die Ecksätze als hochvirtuose, galante Konversation zwischen den beiden Instrumenten. Im zweiten Satz (Adagio) ließ Pandolfo seine Gambe quasi eine ins Unendliche strebende Kantilene singen. Der italienische Gambist, zurzeit sicher- lich einer der herausragenden Vertreter seines Fachs, pflegt ein extrovertiertes Spiel mit großen dynamischen Kontrasten. Er beherrscht die ganze Palette des musikalischen Ausdrucks nahezu perfekt. Mit seiner Interpretation von Stücken Carl Friedrich Abels aus dem so genannten „Drexel“-Manuskript zog er mit seinem sensiblen Instrument die Zuhörer förmlich in seinen Bann. Mitzi Meyerson eröffnete anschließend die so ganz andere Welt des französischen Barock und zeigte sich am Beispiel von Jean-Henri d’Angleberts Suite g-Moll für Cembalo als versierte Sachwalterin dieses Repertoires. Musik von Marin Marais – ein Prélude aus dem 3. Buch der Pièces de Viole und „Le Labyrinthe“, eine kuriose Programmmusik aus der Suite d’un Goût Etranger (4. Buch der Pièces de Viole) – bildete den Abschluss einer eindrucksvollen Matinée, in der Paolo Pandolfo und Mitzi Meyerson die Messlatte für den wei- teren Festivalverlauf sehr hoch legten. In Frankreich haben sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe hervorragender Originalklangensembles gebildet, die insbe- sondere als kompetente Sachwalter deutscher Barockmusik auf sich aufmerksam gemacht haben. Man denke nur an Café Zimmermann (2007 bei den Tagen Alter Musik Regensburg) oder Le Concert Français (2008). Nun präsentierten sich Gli Incogniti , 2006 von der Geigerin Amandine Beyer gegründet, in der St.-Oswald-Kirche mit Werken von Antonio Vivaldi und Johann Sebastian Bach. „ Die Unbekannten“ werden sich mit ihrem transparenten, bestens aufeinander abgestimmten Ensembleklang, wie er u. a. in Vivaldis Concerto C-Dur RV 114 zu hören war, sicher bald einen Namen machen. Ihr kontrolliertes und dennoch stets vitales Spiel ist insbesondere für die Musik Bachs geradezu ideal. Im Violinkonzert a-Moll BWV 1041 sowie im Violinkonzert g-Moll (nach dem Klavierkonzert f-moll rekonstruiert) bestach Amandine Beyer mit klangschönem, delikatem Ton. Auch Anna Fontana überzeugte als Solistin im Cembalokonzert d-Moll BWV 1052. Antonio Vivaldis beliebtes Flötenkonzert „La Notte“ wurde von Gli Incogniti als eine von Traumbildern geprägte Nacht tonmalerisch und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Manuel Granatiero (Traversflöte) füllte mit nuan- ciertem, perlendem Spiel die Solistenrolle hier ebenso souverän wie im Concerto F-Dur „La Tempesta di mare“ RV 433.

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