Tage Alter Musik – Almanach 2011

Dominikanerkirche in Regensburg. Im Festspielpanorama im Deutschlandfunk hören Sie heute Abend den Mitschnitt eines Konzertes von den Tagen Alter Musik 2011. In vielen Gegenden Dalmatiens, vor allem auf den Inseln, sind die religiösen Traditionen bis heute stark ausgeprägt. An bedeutenden kirchlichen Festtagen dauert die Heilige Messe zwei, manchmal auch drei Stunden; der Gesang spielt eine herausragende Rolle, wobei Choral, gesungene Lesung oder Gemeindegesang hin und wieder sogar synchron erklingen; die akustische Wirkung ist faszinierend. O-Ton: Josko Caleta „Wir singen im Konzert an vielen Stellen parallel mit den Frauen – weil es auch in der Kirche vorkommt, dass die Leute gleichzeitig verschiedene Lieder intonieren. Die eine Gruppe beginnt schon, obwohl die andere noch nicht zu Ende ist. Man hört Klänge aus ver- schiedenen Richtungen, ohne dass sich das wirklich kontrastiert. Diesen Eindruck wollten wir in unserer Musik wiedergeben. Josko Caleta, ist nicht nur Leiter der Ensembles Kantaduri, sondern hat sich als Musikethnologe auch intensiv mit den vokalen Traditionen sei- ner Heimat Kroatien beschäftigt. Der mehrstimmige „Klapa“-Gesang ist bis heute vor allem in Dalmatien überaus beliebt und hat sich aus der städtischen Liedtradition des 19. Jahrhunderts entwickelt. Die Wurzeln reichen allerdings viel weiter zurück. Schon im späten Mittelalter into- nierten geistliche Bruderschaften Hymnen und Choräle. Außerdem haben in manchen Regionen alte slawische Gesangsstile überlebt – etwa auf der Insel Rab. O-Ton: Josko Caleta „Manche Lieder kommen mit zwei Stimmen aus; das älteste Beispiel in unserem Konzert, von der Insel Rab, heißt „Bog se rodo Vitliano.“ – „Jesus wurde geboren in Bethlehem.“ Wir singen das im Ojkanie-Stil. Letztes Jahr hat die UNESCO diese Gesangstradition als bedrohtes Kulturgut der Menschheit klassifiziert. Es gibt also jetzt ein Bewusstsein für die Besonderheit dieses Stils. Musik: Oj Bog se rodo / In principio / Velika Geistliche Klänge aus Dalmatien präsentierten die Ensembles Dialogos und Kantaduri im Rahmen der Tage Alter Musik Regensburg. Im Anschluss an einen lateinischen Weihnachtsgesang aus dem Evangeliar der Kathedrale in Trogir hörten Sie ein liturgisches Lied von der Insel Hvar. Auf den dalmatinischen Inseln hat sich in den Kirchen bis heute eine Tradition des responsorialen Gesangs erhalten, eines Wechselgesangs zwi- schen Vorsänger und Gemeinde, dessen Ursprünge in der Liturgie des Mittelalters zu suchen sind. O-Ton: Josko Caleta Unser erster Tenor, Stjepan Franetovic, wirkt im Fischerstädtchen Starigrad auf der Insel Hvar als Vorsänger in der Kirche. Diesen Posten hatten auch schon sein Vater und Großvater inne. Vom ihnen hat er alle Melodien des Rituals gelernt. (8’40) In vielen kleinen Städtchen und Dörfern ist es eine ganz besondere Ehre, Vorsänger in der Kirche zu sein. Vorsänger Stjepan Franetovic intoniert den Beginn einer Lesung aus dem Paulus-Brief an die Philipper. Anschließend interpretiert Kantaduri das kroatische Weihnachtslied „U se vrime godi?ta“. Musik: Citanje / U se vrime Aus dem 12. Jahrhundert stammt die folgende „Anrufung“, die das Ensemble Dialogos zunächst in altslawischer Sprache, anschließend in Latein vorträgt. Inhaltlich sind die beiden Fassungen identisch – obwohl sie im Abstand von etwa 400 Jahren verfasst wurden. Der lateinische Gesang stammt aus einem Evangeliar des 11. Jahrhunderts aus der Hafenstadt Osar auf der Insel Cres. Die glagolitische Fassung des gleichen Gesangs wurde im 15. Jahrhundert in Zadar aufgezeichnet. „Wir verkünden euch mit grenzenloser Freude: das heilige Volk, das Gott dient, begehrt zu hören, wie es auch zu sehen wünscht. Wie ihr euch freutet über die Geburt unseres Herrn So verkündigen wir euch auch seine Auferstehung Mit grenzenloser Freude.“ Musik: Annuntiamus / Tri su kralja Das traditionelle Männersextett Kantaduri interpretierte einen kroatischen Volkschoral zu Epiphanias, der „Erscheinung des Herrn“. Während des Singens schritten die Interpreten langsam vom Altar weg und durchquerten das gesamte Kirchenschiff der großen gotischen Dominikanerkirche in Regensburg. Daran anschließend ertönten aus dem Chorraum hinter dem Altar die fernen, fast engelsgleichen Stimmen der drei Sängerinnen des Ensembles Dialogos. Langsam zum Altar wandelnd intonierten die Frauen einen sanften Mariengesang, der im 17. Jahrhundert im St. Franziskus-Kloster Zadar aufgezeichnet wurde. Ganz schön bist du, Maria, Ein Makel der Erbsünde ist nicht an dir. Du bist der Ruhm Jerusalems! Du bist die Freude Israels! Du bist die große Ehre unseres Volkes! Die Fürsprecherin für unsere Sünden. O Maria – du klügste Jungfrau.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=