Tage Alter Musik – Almanach 2011

Glasna, Die Zeitschrift der Musikjugend in Slowenien, August 2011 Tage Alter Musik in Regensburg In Regensburg fanden vom 10. bis 13. Juni 2011 bereits zum 27. Mal die Tage Alter Musik statt. Welche Stadt könnte sich mehr dazu berufen fühlen, alte Musik wieder zu beleben, als gerade Regensburg mit seinem mittelalterlichen Stadtbild und seiner reichen Musiktradition, wo schon im 19. Jahrhundert zahlreiche Sammler alter Kompositionswerke tätig waren? Die ehemalige Metropole Bayerns, nur eine gute Autostunde von München entfernt, liegt in erreichbarer Nähe Sloweniens, und so könnte Regensburg bei der nächsten musikalischen Reise ein lohnendes Ziel für eine Begegnung mit alter Musik sein. Womit haben uns die Tage Alter Musik in diesem Jahr überrascht? An jedem Pfingstwochenende kann man in Regensburg vier Tage lang an historischen Stätten 14 Konzerte der bedeutendsten Interpreten aus ganz Europa, Kanada und den USA hören. Beim ersten großen Abendkonzert singt traditionell der Chor der Regensburger Domspatzen; dies ist einer der drei bedeutendsten Knabenchöre Deutschlands mit einer mehr als 1000-jährigen Tradition. An drei Tagen gibt es dann jeweils eine Matinee, ein Nachmittags-, ein Abend- und ein Nachtkonzert, darunter am Schlusstag normalerweise eine Opernaufführung. Die Matinee und das Nachmittagskonzert widmen sich gewöhnlich der Kammermusik, die Abendkonzerte aber präsentieren häufig instrumentale oder vokal - instrumentale Musik für größere Besetzungen, und die Nachtkonzerte sind für mittelalterliche Musik und die Musik der Renaissance reserviert. Das Festival ist zeitlich ziemlich dicht und inhaltlich sehr vielfältig konzipiert, deshalb entscheiden sich die meisten Besucher, entsprechend ihren Interessen, für eine Auswahl aus dem Gesamtangebot an Konzerten. Dabei kann man seine musikalischen Prioritäten setzen, sollte sich aber manchmal auch auf Neues oder Unbekanntes einlassen. Die Tage Alter Musik prägen die Atmosphäre der ganzen Stadt. Das Angebot während der Zeit des Festivals umfasst auch eine Ausstellung im Salzstadel; in diesem alten Gebäude bei der Steinernen Brücke an der Donau können Musikfreunde und Berufsmusiker historische Instrumente, CDs, Bücher und Musikalien der Verlage, die sich mit alter Musik beschäftigen, begutachten bzw. ausprobie- ren und kaufen. Nicht zuletzt gibt es noch das Café - Restaurant Vitus im Stadtzentrum, in dem die Zuhörer bis spät in die Nacht mit den auftretenden Künstlern diskutieren können. Die Musik des Mittelalters war in diesem Jahr nur mit zwei Konzerten vertreten. Die Vokalensembles Dialogos aus Frankreich (leider ohne die erkrankte Leiterin Katarina Livljanic) und Kantaduri aus Kroatien boten eine gelungene Kombination glagolitischer und lateinischer Gesänge der Messliturgie aus Dalmatien dar. Besonders interessant war das Konzert wegen verschiedener Kontraste (zwischen den beiden Sprachen, den Frauen- und Männerstimmen, Nuancen der mit- telalterlichen Polyphonie und dem mächtigen Bordunklang der glagolitischen Gesänge usw.). Dieser ständige Wechsel war nicht störend (allenfalls gab es vielleicht zu viel Bewegung im Raum), sondern bedeutete eine Bereicherung des Geschehens, weil hinter ihm ein durchdachtes Konzept stand, das von beiden Ensembles überzeugend umgesetzt wurde. Insbesondere bei Dialogos konnte man eine sehr klar ausgeprägte Linienführung erkennen. Das vokal - instrumentale Ensemble Perlaro aus der Schweiz malte mit den vertonten Sätzen eines Messordinariums, mit Motetten, Balladen und Madrigalen ein buntes musikalisches Bild des spätmittelalterlichen Italien. Die Präsentation unterschied sich von einem Stück zum anderen: manchmal sehr homogen und doch mit klar hörbaren Linien, manchmal aber auch unausgeglichen in Farbe und Stärke der Gesangsstimmen. Großen Eindruck auf das Publikum machten die Instrumentalisten, außerdem zeichnete sich Agnieszka Budzinska - Bennett mit ihrer raffinierten Textinterpretation der solistischen Stücke aus. Mit zwei Matineen wandten sich die Tage Alter Musik auch der Vokal- und Instrumentalkunst der Renaissance zu. Das Ensemble Lucidarium aus Italien erforschte die Verbindung der Musik mit der commedia dell´arte und deren typischen Figuren. Das belgische Ensemble Mezzaluna spielte verschiedene Stücke für das Blockflötenconsort des englischen Hofes zur Zeit Heinrichs VIII. Auch das erste Nachtkonzert ließ sich von dieser Zeit inspirieren: The Brabant Ensemble aus Oxford stellte das Repertoire dar, das Heinrich VIII. und Ferdinand von Aragon, für kurze Zeit politisch verbündet, gehört haben könnten. Dem unsterblichen Ruhm Spaniens wandte sich das zweite britische Vokalensemble Stile Antico zu. In seinem zum großen Teil sakra- len Repertoire, in dessen Zentrum die Messordinariumsvertonungen standen, waren besonders präsent einfallsreiche Anspielungen auf den Krieg ("La guerra") und den Sieg ("La victoria"), die man als eine Huldigung an Guerrero, insbesondere aber an Victoria sehen muss. Beide englische Ensembles zeichnete eine solide und sensible Aufführung aus, in welcher die lange englische Tradition der Renaissancemusik - Pflege spürbar war. Beim ersten Ensemble war der Klang vielleicht etwas dünner, die Stimmlinien aber waren klar, die Intonation ziemlich rein. Stile Antico war im Klang sicherlich reicher, manchmal jedoch klang das Ensemble nicht besonders stimmig; insbesondere bei der Darbietung einiger Details schien das Repertoire noch nicht reif für eine Aufführung. Das diesjährige Festival war deutlich in den Rahmen der Barockmusik eingebettet. Beim Eröffnungskonzert stellten sich neben den Solisten auch Concerto Köln und die Regensburger Domspatzen vor, die eine Auswahl aus Bachs größeren Sakralwerken darboten. Die Gesangsolisten waren dabei dem ausgezeichneten Orchesterspiel und dem überwiegend homogenen Chorklang nicht gleichwer- tig. Mit dem Orchester trat als Solist auch Benoît Laurent mit der Oboe d´ amore auf. Er überzeugte das Publikum mit seinem nuan- cierten Phrasieren sowie seiner melodiösen und lebendigen Interpretation des A - Dur - Konzerts (BWV 1055). Ein zweites Konzert, bei dem die Musik Bachs im Mittelpunkt stand, konnte das Niveau des ersten nicht erreichen. Ensemble eX aus Irland versprach eine experimentelle Interpretation der ersten Bach - Kantate Christ lag in Todesbanden und ihrer musikalischen

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