Tage Alter Musik – Almanach 2011

www.KlassikInfo.de Autor: Laszlo Molnar Musik für die Ewigkeit (I) Die Tage Alter Musik in Regensburg bescheren auch in ihrer 27. Ausgabe eine erfrischende Begegnung mit oft wenig bekannter Musik (Regensburg, 12. Mai 2011) Seit wie vielen Jahren gibt es sie nun schon, die Tage Alter Musik in Regensburg? 27 steht im Prospekt. Mehr als eine Generation, man kann sich plötzlich ganz schön alt fühlen als Besucher. Doch das Festival ist wie ein Jungbrunnen für den Musikgeschmack und für die Lust, sich mit Musik zu beschäftigen. Schade nur, dass dieser Jungbrunnen nur gerade einmal ein Wochenende über Pfingsten sprudelt. Dann allerdings so heftig, dass man es in diesem Tempo ohnehin nicht länger aushalten würde. Vierzehn Konzerte zu Pfingsten 2011. Ludwig Hartmann und Stefan Schmid, die "Erfinder" der Tage Alter Musik in Regensburg, wissen allerdings, warum sie das so machen. Die finanzielle Unterstützung durch die Stadt und das Land ist knapp, und eine Ausdehnung etwa über eine Woche würde die Kosten enorm steigern und die Einnahmen durch den Kartenverkauf unsicherer machen. Das große Jubiläumsfestival zum 20-Jährigen war eine Lehre in dieser Hinsicht. Was immer wieder aufs Neue für Regensburg spricht und immer wieder dieses Gefühl der Erfrischung und des Neuen hervorruft, ist die an dieser Stelle unermüdlich besungene Verbindung der Musik mit den Räumen, in denen sie erklingt. Betritt man einen dieser unvergleichlichen romanischen, gotischen oder hochbarocken Kirchenräume, von denen Regensburg anscheinend unerschöpflich viele zu bieten hat, wird einem bewusst, welch großen Sinn für das Schöne, das Besondere, das in diesem Sinne auch Transzendente man als Mensch in sich trägt. In Regensburg findet - als Höchstleistungen der Künste - zusammen, was zusammengehört. Die Musik Johann Sebastian Bachs in der durch die Brüder Cosmas Damian und Egid Qurin Asam ausgestalteten Basilika St. Emmeram ist so ein Fall. Die Kirche: eine Bühne für den Glauben, ein fantastisches hochbarockes theatrum sacrum aus Stuck, Fresken und Licht. Treten dann noch der Chor der Regensburger Domspatzen und das Orchester Concerto Köln ein und beziehen ihre Position vor dem Hochaltar, dann ist es optisch schon fertig, das Gesamtkunstwerk des Barock als Eröffnungsveranstaltung des Festivals 2011. Hier hat die Musik Bachs einen glamourösen Ort. Das Himmelfahrtsoratorium, BWV 11, selten bis nie zu hören, obwohl es die grandiosesten Chor- und Choralstücke Bachs enthält, die Arie "Ach bleibe doch, mein liebstes Leben", aus der Bach das "Agnus Dei" der h-moll-Messe machte und eine Rarität von Bachs Meisterschaft, die Sopran-Arie "Jesu, Deine Gnadenblicke", in der Bach auf die irdische Last des Basso Continuo verzichtet hat, um seine Zuhörer zu den Klängen von Flöten, Oboen und Geigen im Geiste zu dem Goldgewölk dahinschweben zu lassen, das die Asam-Brüder dem Auge in St. Emmeram ausgebreitet haben. Dann die Motette "Der Geist hilft unser Schwachheit auf", dann das "Magnificat", eine der radikalsten und anspruchsvollsten Kompositionen Bachs für Chor, Orchester und Solisten, die seine Meisterschaft in Kompositionskunst und Erfindungsgabe in kürzester Zeit verdichtet. Domkapellmeister Roland Büchner hatte seine Knaben und jungen Männer hervorragend auf die große Aufgabe vorbereitet. Auch in großer, den Altarraum füllender Besetzung blieb der überschwänglich ausgearbeitete Satz der Musik durchhörbar. Er erreichte in seinen Details das Ohr mit federndem Schwung und einem zu Wärme und Goldglanz gerundeten Klang. Büchner hatte auch einen sehr guten Draht zum Orchester aufgebaut, das ihm keinesfalls nur als Begleitmedium dient, sondern dessen Spielweise und Reichtum der Klänge er als zentrales Element seiner Interpretation einbezieht. "Concerto Köln" wartete mit Qualitäten im Detail, in den Soli, in der Farbigkeit des Zusammenspiels auf, die man von diesem Orchester bislang so nicht kannte. Da hat sich viel getan, und es hat dieses Programm wesentlich bereichert. Und was könnte sich auch besser vertragen als die historisch informierte Aufführungspraxis und die große Tradition der Schulung der Knabenstimme? Hier wurde mit großer Lust, großer Energie, aber auch mit großem Ernst musiziert. Qualitäten, die Bach allesamt in seiner Person vereinte. Der anschließende, obligatorische Gang zum Nachtkonzert führte an einen neuen Spielort der Tage Alter Musik, an die 1120 geweihte heuti- ge Schottenkirche, einen Steinwurf außerhalb der alten Stadtmauer gelegen. Hier herrscht, von späteren Umgestaltungen nur wenig berührt, noch der Geist der Romanik. Und der bietet einen idealen Rahmen für die strenge Kompositionsweise der Vokalpolyphonie des 15. und 16. Jahrhunderts, die das englische Brabant-Ensemble präsentierte. Dieses Ensemble aus Oxford ist eine Fortsetzung der Vokaltradition der eng- lischen Universitätsstädte und auf diesem Gebiet so ruhmreicher Namen wie "The Clerkes of Oxford" und "The Tallis Scholars". Es führt deren Kunst eines streng profilierten, ultra-schlanken und ultra-sauberen Vokalklanges fort, bei dem jede Stimme einzeln hörbar ist und alle zusammen ein sehr kraftvolles, silbern-glänzendes Ganzes formen. In Musik von John Taverner, Cristobal de Morales und anderen, darunter auch, man staune, Heinrich VIII., zelebrierten die zehn Sängerinnen und Sänger ein Hochamt des unaufhörlich strömenden, sich in immer neue Höhen emporschwingenden Vokalklanges, der sich mit einer Energie im Raum verteilte, als wolle er der Ewigkeit der steinernen Säulen und Gewölbe ein Klanggerüst dazustellen. Aber diese Energie hat auch etwas Gleichförmiges, Gleichmachendes. Die Art des Singens des Brabant Ensembles wirkt heute schon etwas veraltet: es wirkt zu

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