Tage Alter Musik – Almanach 2011

Bayerischer Rundfunk BR-Klassik Beitrag für die Sendung „Jazz und mehr“ am 1. Oktober 2011: Jazz, alte Musik, Kirchen und verzauberte Plätze – mit Festival-Impressionen aus Regensburg Autor: Roland Spiegel Jazz und mehr (Ausschnitte) Willkommen zu dieser Ausgabe von „Jazz und mehr“ mit Roland Spiegel am Mikrophon. (...) (...) In „Jazz und mehr“ präsentiere ich diesmal Musik von Gruppen, die ich dieses Jahr bei zwei Festivals in Regensburg gehört habe. Es sind Festivals, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Aber sie haben eine große Gemeinsamkeit: Man kann dort jedes Jahr spannende Entdeckungen machen. Es sind das Bayerische Jazzweekend einerseits – und die Tage alter Musik andererseits. Die Tage alter Musik sind ein nicht nur sehr schönes, sondern auch sehr bedeutendes Festival für Musik vom Mittelalter aufwärts, die dort von Weltspitzen-Ensembles gespielt wird, und zwar in Kirchen und anderen historischen Räumen – mit denen Regensburg reich gesegnet ist. (...) (...) Das Orchester Harmony of Nations unter der Leitung von Alfredo Bernardini mit drei Sätzen aus einer Ouvertürensuite von Georg Philipp Telemann. Harlequinade, Espagnol und Bourée en trompette hießen die eben gehörten Sätze dieses Werks, das der Komponist in der Form französischer Hofmusik komponierte – und in dem er hinreißenden Klangwitz zeigt. In diesem Stück sind nach dem Vorbild alter vene- zianischer Doppelchörigkeit drei Oboen und ein Fagott der vierstimmigen Streichergruppe gegenübergestellt. Die Bläser und die Streicher führten hier Dialoge voller Esprit. Also: französischer Gestus, venezianisches Stilmittel. Die eben gehörte Harmony of Nations ist ein beson- ders gutes Beispiel für die hohe Qualität und den lustvollen Umgang mit Musik, die die Tage alter Musik prägen. 2004 wurde dieses Orchester aus engagierten jungen Musikern gegründet, die aus vierzehn unterschiedlichen Nationen stammen – und mit ihrem ungemein feinfühligen, wach aufeinander reagierenden Spiel die zur Barockzeit gängige Erfahrung widerlegen, dass Musiker unterschiedlicher Nationen nicht wirk- lich miteinander harmonieren können. Damals hatte jedes Land seine ganz eigenen ästhetischen Vorstellungen, die in der Praxis nur schwer vereinbar waren. Große Komponisten allerdings spielten dennoch gern und virtuos mit Einflüssen aus unterschiedlichen Ländern, denn musi- kalische Migration gab es zu jener Zeit ebenfalls schon. (...) (...) Wunderschöne Musik mit der Stimme von Annie Dufresne und den Musiciens du Saint-Julien unter der Leitung von Francois Lazarevich. Ein Liebes-Notruf aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts war das zuletzt gehörte Stück, eine Klage über eine unerwiderte Liebe. Hinreißend schöne Musik von ergreifender Einfachheit im Text und in der Komposition, aber wiedergegeben mit einem Höchstmaß an Raffinement. Davor ein Tanz. Diese Art von Tänzen nennt sich „Branle“ und „Contredanse“, es waren Volkstänze, keine Hofmusik; und die Lieder nennt man Brunettes. Das kommt daher, dass im bekanntesten Lied dieser Art eine schöne Brünette besungen wird, die den betroffe- nen Verliebten fast zu Tode rührt. So wurde also eine Haarfarbe musikgeschichtlich bedeutsam. Das Wort blond war vermutlich schon für Bier reserviert. (...) (...) Sie hören „Jazz und mehr“, heute mit Musik von Künstlern, die dieses Jahr bei zwei äußerst spannenden Festivals in Regensburg zu erle- ben waren: dem Jazzweekend Regensburg und den Tagen Alter Musik. Obwohl noch etwas Zeit bis zu den nächsten Ausgaben dieser Festivals ist, würde ich trotzdem sehr empfehlen, jetzt schon Einmerker im Kalender zu machen. Die Tage Alter Musik finden immer an Pfingsten statt, das Jazzweekend am zweiten Juli-Wochenende. Beides sind besonders stimmungsvolle und ergiebige Festivals – das Jazzweekend einfach ein schönes Stadtfest mit höchst unterschiedlicher Musik; und die Tage Alter Musik ein exquisites Zusammentreffen weltweiter Spitzenkönner. So hohes Niveau in so stilvollem Rahmen zu sehr fairen Eintrittspreisen, das gibt es mit Sicherheit nicht oft. (...) Das war „Jazz und mehr“ mit Roland Spiegel am Mikrophon, auf Wiederhören beim nächsten Mal und schönen Abend.

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