Tage Alter Musik – Almanach 2012

Musik: Te mihi meque / Nonne sanz amour Autor: „Nonne sans amour“ – „Eine Nonne wird niemals glücklich sein, wenn sie keinen Liebsten hat“ Das Ensemble Peregrina trug eine Motette aus dem dreizehnten Jahrhundert vor, in der die geheimen Sehnsüchte einer Nonne thematisiert werden. Sehr viel drastischer und eindeutiger beschreibt der spätmittelalterliche Dichter Michael Beheim das Klosterleben. Beheim war im 15. Jahrhundert in Süddeutschland und später am Wiener Kaiserhof tätig. Sein „Gleichnis von einer Äbtissin“ ist stilistisch schon fast der Schwank-Literatur zuzuordnen. Zitat: Eines Abends begab es sich, dass sie ihren Liebhaber traf. Dieselbe Nacht schlief er bei ihr. Des Morgens zur Frühmesse sprang die Äbtissin von ihrem Liebhaber herunter, fürwahr, denn sie wollte zu dieser Zeit beten gehen. Hin zu der Kirche musste sie. Da griff sie nach der Haube, die sie über den Schleiern tragen, wenn sie in den Chor gehen. Die Frau, in ihrer Eile, griff nach der Unterhose ihres Freundes. Die zog sie auf und dachte, es wäre ihre Haube. Die Nonnen lachten los, als sie die Äbtissin so lächerlich einhergehen und in den Chor eintreten sahen. Sie übergossen sie mit großem Spott. Die Äbtissin wurde da sehr zornig. Die Nonnen sprachen zu ihr: „Nehmt Eure Haube ab und schaut sie Euch an!“ Musik: Ain beispel / Suavissima nunna Autor: „Suavissima nunna“ – „O süße Nonne“ – so lautete der Titel dieses gesungenen Dialoges zwischen Geistlichem und junger Nonne, der in einem englischen Manuskript des 11. Jahrhunderts überliefert ist. Mit schmeichelhaften Worten und Versprechungen überredet der Priester die fromme Frau, ihre Keuschheit abzulegen und sich ihm hinzugeben. Im Festspiel-Panorama im Deutschlandfunk hören Sie heute eine Aufnahme von den Tagen Alter Musik in Regensburg 2012. Am 28. Mai interpretierte das Ensemble Peregrina in der Minoritenkirche mittelalterliche Lieder über Nonnenliebe und Nonnenleben. Natürlich wird in den klösterlichen Gesängen auch der Tod thematisiert. Wenn eine Schwester starb, verlor die Gemeinschaft gewissermaßen ein Familienmitglied. Am Sarg wurde ein Trauergesang intoniert – wobei die Verheißung himmlischer Unsterblichkeit für Trost sorgte. Die folgende Melodie aus dem 13. Jahrhundert stammt aus einer Handschrift des Frauenklosters Las Huelgas in der Nähe der spanischen Stadt Burgos. Zitat: Oh, Versammlung der Nonnen von Burgos, klage um deine Tochter mit angemessen gezolltem Tribut, die du diese Unschuldige verloren hast. Aber applaudiere ihrem Sieg, dieweil sie in Herrlichkeit erstrahlt. Musik: O monialis / Awe meiner jungen Tage Zitat: „Ach weh, bei meinem Jugendalter, dass man mich zwingen will, in ein Kloster zu gehen. Dort werde ich niemals mehr vor Augen bekommen Laub, Gras, Blumen und auch nicht grünen Klee, noch werde ich die kleinen Vögelein singen hören. Tanzen, Hüpfen, Frohmut, Vogelgesang, Maienblüte, muss ich fortan entbehren. Müssten die Vöglein meinen Kummer ertragen, würden sie wohl schweigen im Wald und anderswo auf den grünen Zweigen.“ Autor: Die vielleicht interessanteste Gattung der klösterlichen Gesänge sind die Nonnenklagen. Nicht immer trat die junge Frau freiwillig in ein Kloster ein und widmete ihr Leben dann dem Gebet und der Andacht. In der Regel wurde diese Entscheidung von den Eltern getroffen. Für manches Mädchen war der Schritt durch die Klosterpforte jedoch gleichbedeutend mit einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe. Auch in den folgenden zwei Gesängen wird das Leben im Kloster mit Verbitterung und vielen Tränen beschrieben. Auf ein französisches Lied aus dem 13. Jahrhundert folgt eine erschütternde Klage aus einer italienischen Handschrift, die im 11. Jahrhundert entstand. Darin wird in dra- stischen Worten das kärgliche und freudlose Leben im Kloster beschrieben. Zitat: „Oh weh, ich Elende! – nichts ist schlechter als solch ein Leben! Das Bett ist winzig, aus Filz, nicht aus wollenen Decken,

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