Tage Alter Musik – Almanach 2012

www.KlassikInfo.de Autor: Laszlo Molnar Die Regensburger Tage Alter Musik sind ein Highlight im Festival(vor)sommer – die Ausgabe 2012 brillierte mit einzigartigen Konzerten Die oberpfälzische Universitätsstadt an der Donau zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Die Bäume am Donauufer spannen ein Dach aus sat- tem Grün über die Wege, der Sonnenschein lockt Mengen von Einheimischen und Touristen in die Gassen und auf die Plätze, überall laden Cafès und Restaurants ein zu verweilen, sei es im Freien oder drinnen. Und das alles in der größten erhaltenen mittelalterlichen Stadtanlage Deutschlands. Eine der schönsten Städte weit und breit. "Hier tankt man Energie für das ganze Jahr", sagte ein Kollege beim Gang über den Domplatz. Das sagte er nicht nur wegen der Reize der Stadt. Er sagte das auch, weil man auf dem Weg zur Alten Kapelle war, wo gleich ein Konzert beginnen sollte. Ein Konzert der Tage Alter Musik Regensburg 2012. Das Festival findet seit Mitte der 1980er Jahre statt, steht nach wie vor unter der ehrenamtlichen Leitung seiner Gründer Stephan Schmid und Ludwig Hartmann und hat seit seiner Gründung keine Unterbrechung erlebt. Trotz ungenügender Unterstützung durch die öffentliche Hand hat es sich als kulturelles Juwel in Regensburg fest gemacht und bildet für die unerschütterliche Gruppe seiner Anhänger einen Höhepunkt im Kulturjahr. 2012, wie es schien, mehr denn je. Jedes der 14 Konzerte an den vier Veranstaltungstagen war bis auf nur wenige freie Plätze voll besetzt. Ja, man tankt Energie für das ganze Jahr. Weil hier Musiker und Musik zu hören sind, die vom alltäglichen Konzertbetrieb vernachlässigt wer- den, als würden sie gar nicht dazu gehören. Weiß der Teufel, was es für Gründe gibt, um eine Gruppe von Virtuosen wie "Brecon Baroque" aus Großbritannien nicht auf die Bühne zu bringen, um Meister der Vokalkunst wie die Ensembles "Gallicantus" oder "Odhecaton" niemals ins Programm zu nehmen oder das hochrenommierte Sinfonieorchester mit Originalinstrumenten "Anima Eterna Brugge" aus Belgien aussen vor zu lassen. Veranstalter mögen Gründe haben - so es nicht die pure Ahnungslosigkeit ist. Das stärkste Argument gegen solche Auftritte sind die zu teuren Konzertsäle der Musikzentren. In München mussten Konzerte von Philippe Herreweghe und Ton Koopman wegen des schlech- ten Verkaufs abgesagt werden. Da bietet Regensburg mit seinen Kirchen die richtigen Lösungen - das stilgerechte Ambiente quasi vor den Toren Münchens und gut erreichbar für die Fans der Alten Musik aus anderen Gegenden. Man kann es nicht genug betonen, welch eine Bedeutung dieses Festival zunächst einmal im näheren Umkreis hat. In dieser Vielfalt, in die- ser Bandbreite des Programms, in solch einer originellen, von jeglichen Marktinteressen freien Zusammensetzung ist im Umkreis von meh- reren hundert Kilometern nichts zu finden, zumal nicht zu derart günstigen Eintrittspreisen. Das Programm 2012 hat wieder gezeigt, dass die Freunde der Alten Musik hier die Möglichkeit haben, Ihrer Passion auf höchstem Niveau nachzugehen, so wie die Opernfreunde in Salzburg oder Bayreuth. Und wie sich zeigt, werden es immer mehr. In diesem Jahr fand man einen klaren Schwerpunkt bei der Orchestermusik des Barock. Gleich drei Konzerte waren diesem Thema gewid- met, mit Ensembles aus Großbritannien, Schweden und den Niederlanden. Am meisten Furore machte "Brecon Baroque" mit der Geigerin Rachel Podger. Sie brachten in die Oswaldkirche ein Programm, wie es Bach sicher auch gerne bei einem seiner vielen Konzerte im Zimmermannschen Kaffeehaus in Leipzig gegeben hatte, wo er über ein Jahrzehnt lang wöchentlich Konzerte leitete und selbst spielte. Brecon Baroque zeigte, dass es pro Stimme nicht mehr als ein Instrument braucht, um den vollen Klang des Bach-Orchesters zu entfalten. So raffi- niert und virtuos sind die Stimmen geschrieben, so ausgiebig und ergiebig wird jeder der Musiker beschäftigt. Man gab Bachs Violinkonzerte a-moll und E-Dur, das Cembalokonzert d-moll und das Oboenkonzert A-Dur in einer Fassung für Violine. Rachel Podger spielte die Barockgeige, als wollte sie mit jedem Ton aufs neue die Gunst ihrer Zuhörer gewinnen. Sie genoss sichtlich die große Konzentration im Raum und präsentierte das großartige Konzert für drei Violinen und B.c. aus Telemanns Tafelmusik als "Entertainment". Genau das, die später von Mozart beschworene Verbindung von Unterhaltung und großer Kunst, war auch Bach widerfahren. Konzerte wie dieses geben zu verstehen, dass es kaum ein größeres Vergnügen geben kann, als der Orchestermusik von Bach zu lauschen. Das niederländische Ensemble "Holland Baroque Society" kam am Montag in die Oswaldkirche und hatte ausschließlich Musik von Bachs zweitältestem Sohn Carl Philipp Emanuel dabei, der 1714 in Weimar zur Welt gekommen war. Auch dies ein Elementarelebnis von höchster Originalität, brillant gespielt auch von den Solisten Hidemi Suzuki am Cello und Alexis Kossenko, Flöte. Ein "modernes" Kammerorchester könnte diese Musik nie und nimmer so "a point", so angespitzt und drängend spielen, von Sinfonikern ganz zu schweigen. Unglaublich, was für Virtuosen sich bei den Barockspezialisten tummeln! Händel und Telemann standen auf dem Programm des "Ensemble 1700 Lund" aus ebendieser Stadt in Schweden - ja, auch von so weit her kommt man nach Regensburg angereist, denn hier wartet ein sachkundiges und enthusiastisches Publikum, das diese Mühen wert ist! Die Musiker aus Lund pflegen eine weicheren Stil als ihre Kollegen aus England und Holland - das hatte auch seinen Reiz, aber man hätte sich für Telemann doch mehr Kante gewünscht, während Händels zweites Concerto grosso aus op. 3 sich sehr lebendig und farbig entfaltete. Was für Chancen zum Vergleich, was für ein Schwelgen in den Preziosen des Barock. Energie für das ganze Jahr - das ist richtig, ein Glück, aber auch schade, dass sie fast einzig nur aus Regensburg kommt. Woher kam die Energie sonst noch? Aus drei wundervollen Nachtkonzerten, einem in der Schotten- und zwei in der im Sinn des Wortes himm- lisch-mystischen Dominikanerkirche, reicht doch ihr gotisches Hauptschiff so weit in die Höhe, dass die Decke sich fast der Wahrnehmung entzieht. Zur späten Stunde ab 22.45 Uhr sangen dort Vokalgruppen vom unterschiedlichsten Charakter, zelebrierte das Ensemble "Gallicantus" britischen Präzisionsgesang mit Werken von Tallis, Byrd und anderen; füllten die Männerstimmen von "Odhecaton" aus Italien mit der "Missa papae marcelli" und Motteten von Palestrina mit weich-homogenen Klangfluten den Dominikaner-Raum und frappierten das

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