Tage Alter Musik – Almanach 2012

Gesualdo Consort aus Amsterdam und die Bläser von "Oltremontano aus Belgien mit der berühmten mehrchörigen Musik von Giovanni Gabrieli ihr Publikum, welche Wucht der Klänge so lange vor unseren Symphonieorchestern möglich war. Es wurde an dieser Stelle schon immer wieder geschrieben, aber es sei wieder gesagt: diese Höchstblüten der westlichen Musikgeschichte bedürfen auch der Hochblüten unse- rer Kunst- und Baugeschichte, um die Menschen, die da zuhören, ganz und gar in Bann zu schlagen. Das geht in modernen Konzerträumen nicht. Regensburgs Räume sind für diese Musik wie eine natürliche Heimat. Von einzigartiger Stimmung war auch das Konzert, das die Geigerin Midori Seiler mit zwei Solopartiten Bachs in der winzigen, 1287 gegrün- deten Spitalskriche St. Katharina in Stadtamhof auf der anderen Seite der Donau gab. So beredt, mit derartiger Intensität artikuliert und dank der besonderen Bedingungen der Barockgeige auch genau in Klang gesetzt, verliert Bachs sonst oft so effekthascherisch dargebotene Soloviolinmusik jegliche Äußerlichkeit und wird zu dem, als was sie vermutlich ohnehin gedacht war: zur Meditation mit den Mitteln der Musik, zu einer völligen Einkehr zu sich selbst, die das "Weltgetümmel", wie Bach es oft beschrieb, durch die Macht eines einzigen Instruments völlig versinken lässt. Man muss dafür, wie Seiler, die Größe aufbringen, dem Virtuosen, der Zurschaustellung von Arbeit und Können völlig zu entsagen und es nur und ganz als Mittel zu verstehen, mit dem man der Musik ihre Gestalt gibt. So gespielt, expandiert der Klang der Violine zu dem eines ganzen virtuellen Orchesters und nimmt das Ohr auf all den Ebenen gefangen, für die es sonst vieler Instrumente bedarf. Erst die historisch informierte Aufführungsweise hat die Größe und Macht dieser Musik freigesetzt. Das Konzert war eine Sternstunde, aus deren Faszination man sich nur langsam wieder lösen konnte. Im Goldambiente der Alten Kapelle gaben das Symphonieorchester Anima Eterna Brugge aus Belgien und das Collegium Vocale Gent unter der Leitung von Jos van Immerseel Mozarts Requiem und davor die "Grabmusik" KV 42 - ein Konzert, das ein Höhepunkt jeder Aboserie in der Großstadt hätte sein können. Hinter dem unverfänglichen Namen "La Compania" verbirgt sich eine Renaissance-Band, die kaum von wei- ter her hätte kommen können: aus Australien nämlich - und weil es so schön war, spielten die munteren Musiker gleich zweimal in Regensburg auf. Einmal open air auf einem der pittorsken Plätze und einmal in der Minoritenkirche. Dem Mittelalter war diesmal nur ein Konzert gewid- met, mit dem Schweizer Ensemble "Peregrina", auf der anderen Seite der Geschichtsskala stand Musik von Schubert, die As-Dur-Messe und die h-moll-Symphonie, beim Eröffnungskonzert in der Kirche St. Emmeram. Bei so viel Programm kann nicht alles glücken - die Aufführung der ausgegrabenen Oper "Il marito indolente" des einstigen Dresdner Hofkomponisten Joseph Schuster (1748-1812), dessen Musik in vielen Aspekten der Mozarts ähnelt, blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das deutsche Ensemble "La Ciaccona", das sich speziell mit der Musik Schusters befasst, reichte bei weitem nicht an den Standard heran, den in den letzten Jahren "La Venexiana" mit seinen exquisiten Monteverdi-Aufführungen im Regensburger Velodrom vorgegeben hatte. Schade, aber kein Beinbruch. Regensburg 2012 war stark und so war die Energiezufuhr. Dank etlicher aus der reich bestückten Verkaufsausstellung mitgebrachter CDs wird die Energie auch noch lange vorhalten - bis zu den Tagen Alter Musik Regensburg 2013. Ensemble 1700 Lund in der St.-Oswald-Kirche

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