Tage Alter Musik – Almanach 2012

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Auftritt bei den Tagen Alter Musik in Regensburg? Das vergisst man nicht: Wir spiel- ten in der Minoritenkirche unter an- derem Bachs h-Moll-Suite – ein heißer Auftritt! Schon die Anfahrt war inte- ressant: Es war klar, dass wir reisen durften, aber im letzten Moment fehl- ten Pässe… Der Einladung vorausge- gangen war ein langes Gespräch mit Ludwig Hartmann und Stephan Schmid im Englischen Garten in Mün- chen. Wir haben wahnsinnig viel Bier getrunken, es war schrecklich! Mit welchen Gefühlen traten Sie in diese damals ja schon recht etablier- te Szene imWesten ein? Wir wollten einfach be- stehen, nichts weiter. Wir hatten kein Ohr dafür, wie die anderen das machten. Wir waren zuvor bei den Festivals in Herne und Ut- recht gewesen, das war schon auch ein extremer Stress. In Regensburg merkte man, dass man es uns gut gehen lassen woll- te, und das ist Ludwig und Stephan wunderbar gelungen. Drei Jahre danach stand schon Mozart mit auf dem Programm, später auch Ro- mantisches. Wie kam es zu dieser stilisti- schen Erweiterung? Das war eine Folgereaktion auf das Repertoire des RIAS Kammerchores, mit dem wir viel zusammenarbeiten. Von uns aus würde das Reper- toire mit dem „kleinen“ Men- delssohn, also mit den Strei- chersinfonien enden. Da schließt sich gewissermaßen der Kreis der Alten Musik. Aber dann kamen zum Beispiel unter Marcus Creed das Brahms Requiem, Berlioz oder Rossini auf uns zu, und das wa- ren gute und wichtige Erfah- rungen. Natürlich nahmen wir die modernen Geigen, legten aber Darm- saiten auf. Wie nähert sich das Orchester spieltech- nisch und interpretatorisch dem 19. Jahr- hundert? Da geht es um grundlegende Dinge: Wie gelingt es am besten, bestimmte Affekte zu gestalten? Wie steht es – wie jetzt bei Schuberts As-Dur-Messe – mit dem Verhältnis von Wort und Ton? Strichtechnisch muss man sich immer an den syllabischen Vorgaben orientieren. Man muss dazu sagen, dass die Messe ausgesprochen schwer ist, eine Herausforderung vor allem für die, die aus der Alten Musik kom- men und keinen Mahler oder Schön- berg gespielt haben… Wie steht es mit der „Unvollendeten“, einem Stück, dass viele von Ihnen noch in großen Sinfonieorchester gespielt haben? Da bin ich sehr gespannt. Es kann durchaus sein, dass sich hier traditio- nelle Hörgewohnheiten einschleichen und prägend wirksam werden. Ich komme aus einem Sinfonieorchester und habe das sehr oft gespielt und ge- hört, mit wirklich großen Dirigenten und ich weiß nicht, was man an dem Stück neu erfinden muss, um zu be- weisen, dass es großartige Musik ist. Das geht mir mit vielen Werken so, die von Dirigenten der so genannten Alte-Musik-Szene „neu geboren wer- den“. Da sage ich: Leute, Bruckners Vierte mit Furtwängler – es wird nie besser gemacht! Wichtig ist, dass man es mit Herzblut und Hingabe macht, nicht als irgendetwas Angelesenes. Wo findet neben Ihren Projekten mit Chö- ren und Dirigenten die Konzentration auf die Ensemblearbeit Platz? Das Herzstück unserer Arbeit bleibt die Konzertreihe in Berlin, die wir seit 1984 bestreiten. Da ist das Orchester unter sich, ohne dirigentische Vortur- nerei. Wichtig ist es ja, sich ein Publi- kum heranzuziehen. Es fühlt sich ernst genommen, wenn man es mit Programmen konfrontiert, die nicht nur aus Zugabenstückchen besteht. Dann zieht es auch bei Musik mit, die ungehört, auch unerhört ist. Mit der Reihe schafft sich das Orchester sozu- sagen seine Seele immer wieder neu. Vielleicht gelingt uns das auch in München, wo wir ab der kommenden Saison regelmäßig im Prinzregenten- theater spielen werden. Welche Rolle spielen die Orte, die Räume? Eine große! Und Regensburg ist da natürlich mit dem ganzen architekto- nischen Gepräge eine Ausnahme- Stadt. Es ist hier immer besonders ge- wesen für uns; man sieht von der Büh- ne aus Gesichter, die man immer gese- hen hat. Da entsteht ein besonderes Gefühl und es ist ausgesprochen wohl- tuend, immer wieder eingeladen zu werden. Das bildet eine Art Hafen, eine Heimat. Mit Herzblut und Hingabe musizieren KLASSIK Bereits zum neunten Mal gastiert die Akademie für Alte Musik Berlin in Re- gensburg. Mit StephanMai, einem der Konzertmeister, sprach Juan Martin Koch. Die Akademie für Alte Musik Berlin eröffnet gemeinsam mit den Regensburger Domspatzen am Freitag die Tage Alter Musik. Foto: Stephan Mai kurz nach seiner An- kunft in Regensburg Foto: Koch REGENSBURG. Vom Leben der Nonnen imMittelalter und gleichgültigen Ehe- männern – weit spannt sich der pro- grammatische Bogen der Tage Alter Musik an Pfingsten in Regensburg. Von diesem Freitag bis Montag, 28. Mai, sind an überwiegend histori- schen Aufführungsorten 14 Konzerte mit Musik vom Mittelalter bis zur Ro- mantik zu hören. Außerdem gibt es eine Instrumentenausstellung. Das international renommierte Fes- tival beginnt in seiner 28. Auflage mit einem Konzert der Regensburger Domspatzen, die zusammen mit der Akademie für Alte Musik Berlin Franz Schuberts Messe für Soli, Chor und Or- chester in As-Dur sowie die Sympho- nie in h-Moll, „Die Unvollendete“, auf- führen. Einige Konzerte widmen sich der instrumentalen oder vokalen Re- naissancemusik aus England, Italien oder Spanien, andere stellen barocke Instrumentalkonzerte etwa von Jo- hann Sebastian Bach oder Georg Phi- lipp Telemann in denMittelpunkt. Zum Ende wird die Oper „Der gleichgültige Ehemann“ des seinerzeit berühmten Komponisten Joseph Schuster (1748-1812) aufgeführt. VomLied bis zur Oper FESTIVAL Am Freitag beginnen die Tage Alter Musik ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Heimat für Ensembles aus allerWelt und für Klangkunst vieler Jahrhunderte TAGE ALTER MUSIK IN REGENSBURG ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● STEPHAN MAI UND DIE AKADEMIE ➤ Stephan Mai wurde 1953 in Leipzig geboren. 1976 wurde er Mitglied des Rundfunk-Sinfonie Orchesters Berlin so- wie des Kammerorchesters Berlin. Darü- ber hinaus engagierte er sich für den Aufbau eines Ensembles, das sich mit zunächst modernem Instrumentarium der historischen Aufführungspraxis wid- mete. ➤ Daraus ging 1982 die Gründung der Akademie für Alte Musik Berlin hervor, der Stephan Mai seitdem als einer der Konzertmeister angehört. Die Akademie gastiert nun bereits zum neunten Mal in Regensburg. 1988, noch vor der Wende, trat es erstmals bei Tagen Alter Musik auf. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➥ Haben Sie wei- tere Fragen? Schreiben Sie uns! kultur@ mittelbayerische.de STEPHAN MAI Konzertmeister INTERVIEW ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● DAS PROGRAMM ➤ Freitag,25.Mai: 20Uhr,Basilika St. Emmeram:Regensburger Domspat- zenundAkademiefürAlteMusikBer- lin (ausverkauft);22.45Uhr,Schotten- kirche St.Jakob:GallicantusausGroß- britannien (Restkarten) ➤ Samstag,26.Mai: 11Uhr,Minoriten- kirche:La CompañiaausAustralien (ausverkauft);16Uhr,St.-Oswald-Kir- che:Brecon Baroque ausGroßbritan- nien (ausverkauft);20Uhr,AlteKapel- le:AnimaEterna Brugge& Collegium VocaleGent(ausverkauft);22.45Uhr, Dominikanerkirche:Odhecatonaus Italien (Restkarten) ➤ Sonntag,27.Mai: 11Uhr,Spitalkir- cheSt.Katharina:MidoriSeiler,Violi- ne,ausDeutschland(ausverkauft);16 Uhr,Reichssaal:LeConcertBriséaus Frankreich(ausverkauft);20Uhr,St.- Oswald-Kirche.Ensemble1700Lund ausSchweden(ausverkauft);22.45 Uhr,Dominikanerkirche:Oltremonta- noausBelgien undGesualdoConsort Amsterdam (Restkarten) ➤ Montag,28.Mai: 11Uhr,Reichssaal: AmphionBläseroktett(Restkarten); 14.15Uhr,Minoritenkirche:Ensemble PeregrinaausderSchweiz(Restkar- ten);16 Uhr,St.-Oswald-Kirche:Hol- landBaroqueSociety(Restkarten); 19.30Uhr,Velodrom:LaCiacconamit der Opervon JosephSchuster „Ilmari- to indolente“ (Restkarten) ➤ Kartenvorverkauf heute von 15bis 19Uhr,Tel.(09 41)704 00 72,wäh- rend desFestivalsvon 10bis19Uhr (bismaximal2Stunden vor Konzert- beginn) unter Tel. (09 41) 507 10 38

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