Tage Alter Musik – Almanach 2012

Bayerischer Rundfunk BR-Klassik „Jazz und mehr“, 22. September 2012 Die Filigranen: Fein swingender Bach mit Rachel Podger, edle Gitarrenklänge mit Jim Hall, schillernde Songs aus dem 16. Jahrhundert mit „La Compañia“, versonnene Trompetentöne mit Chet Baker und lyrische Lebendigkeit mit William Dongois und Le Concert Brisé. Jazz trifft auf Sounds anderer Jahrhunderte – und auf Impressionen von den Tagen Alter Musik Regensburg 2012. Moderation und Auswahl: Roland Spiegel Jazz und mehr (Ausschnitte) Musik: Chet Baker: Line for Lyons. Willkommen zu dieser Ausgabe von „Jazz und mehr“ mit Roland Spiegel am Mikrophon. Nach zweieinhalb Monaten Sommerpause nun also wieder eine Stunde mit Jazz und anderer Musik voller Kontraste und Verwandtschaften. Das eben war Trompeter Chet Baker im Quartett von Baritonsaxophonist Gerry Mulligan mit dem Stück „Line for Lyons“ – im September vor 50 Jahren. „Die Filigranen“ habe ich mein Motto heute genannt. Und Chet Baker, dieser Mann mit dem zerbrechlich schönen und ungemein bewegenden Ton, war ein Filigraner. Das Feine, das Leise, das Zarte beherrschte er wie nur die Wenigsten. Später hören Sie noch mehr von diesem 1929 geborenen und 1988 nach einem Sturz aus einem Hotelzimmerfenster verstorbenen amerikanischen Musiker. Aber davor ganz andere Töne. Und zwar von einem Ensemble, das ich dieses Jahr bei einem der schönsten mir bekannten Festivals erlebt habe. Und zwar nicht bei einem Jazzfestival, wie Sie meinen könnten, sondern bei den Tagen Alter Musik, die immer an Pfingsten in Regensburg stattfinden. Dort treten Spitzenensembles für Alte Musik auf, die dort nicht ganz eng definiert wird. Das kann mittelalterliche Musik sein, Renaissance- und Barockmusik, aber auch Musik der Romantik, gespielt auf Instrumenten der betreffenden Epoche. Das ist schon von der Sache her äußerst spannend – aber auch von den Orten. Regensburg hat eine für mich unfassbare Vielfalt an wunderschönen Kirchen und historischen Räumen – und an solchen Spielorten erlebt man die Musik noch einmal deutlich schöner. Ich fand dort dieses Jahr sehr unter- schiedliche Konzerte äußerst spannend. Nicht zuletzt dasjenige eines australischen Ensembles, das Renaissance-Musik von der iberischen Halbinsel spielte. „La Compañia“ heißt das Ensemble, und Sie hören von dieser Gruppe ein ländliches Lied eines anonymen Komponisten aus dem 16. Jahrhundert, das davon handelt, dass eine junge Frau fortan keine Schafe mehr hüten, sondern auch mal was anderes erleben will, sehr filigran gesungen von Sopranistin Siobhan Stagg. Danach eine Aufnahme mit dem besonders leisen Jazzgitarristen Jim Hall: Er spielt den Standard „All the things you are“, aufgenommen beim Festival „Grenzenlos“ in Murnau im Jahr 2007. Und wiederum danach eine weitere Gruppe aus dem aufregenden Programm der Tage Alter Musik Regensburg 2012. Die britische Geigerin Rachel Podger mit ihrem Ensemble Brecon Baroque spielt Bach. Brecon Baroque ist benannt nach der walisischen Stadt Brecon, in der Rachel Podger ein Festival leitet. Die Bach-Interpretationen dieses siebenköpfigen Ensembles sind mitreißend federnd und beschwingt – man könnte auch sagen: Sie swingen unglaublich. Sie werden es hören. Doch hier erst einmal La Compañia. Musik: La compañia: Yan am quero ser pastora. Jim Hall: All the things you are. Rachel Podger: Allegro assai. Der dritte Satz aus Johann Sebastian Bachs Violinkonzert in a- Moll, Bachwerke-Verzeichnis 1041, gespielt von Geigerin Rachel Podger und dem Brecon Baroque Ensemble. Davor Jim Hall, Gitarre, Geoffrey Keezer, Klavier, und Scott Colley, Bass, mit dem Jazzklassiker „All the things you are“. Und wiederum davor ein trauriges Lied über eine Schäferin, die das Schäferinnen-Dasein leid ist – eine anonyme Komposition aus dem 16. Jahrhundert, gespielt von dem australischen Ensemble La Compañia, das sich hier Musik von der iberischen Halbinsel ausge- wählt hatte. Brecon Baroque und La Compañia habe ich bei einem Festival gehört, das ich besonders schätze: den Tagen Alter Musik in Regensburg. Bei einem kleineren, aber ebenfalls sehr feinen Festival in Murnau, das den Namen „grenzenlos“ trägt, entstand die Aufnahme mit Jim Hall. „Grenzenlos“ gibt es auch dieses Jahr, und zwar schon bald, nämlich vom 12. bis zum 14. Oktober, mit dem Motto „Vive la France“. Dort können Sie unter anderem den Trompeter Guy Touvron und an einem weiteren Tag ein besonders ungewöhnliches Ensemble des Tuba-Spielers Michel Godard erleben, der diesmal aber ausschließlich sein Zweit-Instrument Serpent spielen will. Der Serpent ist schlangenförmig gewun- den, daher sein Name, geschrieben wie französisch „serpent“, also Schlange, und er klingt so. Musik: Murat Coskun/Michel Godard: Georgina. Michel Godard, Serpent, und Murat Coskun, Rahmentrommel, mit einer Komposition von Murat Coskun – sie hieß „Georgina“. Der Serpent,

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