Tage Alter Musik – Almanach 2013

Durchwachsener Festivaljahrgang Von Juan Martin Koch Regensburg (DK) Eine Marienfeier mit Stierkampf: Selbst für die traditionell immer wieder gerne abseits der Hauptstraßen sich bewegenden Tage Alter Musik dürfte das eine Premiere gewesen sein. Nach 14 Jahren war der argentinische Repertoire- Goldgräber Gabriel Garrido wieder mit seinem Ensemble Elyma in Regensburg zu Gast und versetzte das Publikum in die Stimmung einer barocken mexikanischen Sakral-Fiesta. Die eine oder andere Probe hätte vor allem den satztechnisch anspruchsvolleren Stücken gut getan, der überbordenden Stimmung tat diese Hemdsärmeligkeit aber keinen Abbruch. Das hätte man gerne auch bei anderen Auftritten konstatiert, die das übliche handwerkliche Niveau des renommierten Festivals unterschritten. Das gilt für den Auftritt von Il Gardellino mit Konzerten von Johann Friedrich Fasch ebenso wie für den Oboisten John Abberger, der an der Transkription der zweiten Bach’schen Orchestersuite weitgehend scheiterte. Oder für die Cappella Artemisia, die sich zusammen mit dem Orchestra Barocca di Bologna erfolglos um die Wiederbelebung von Baldassare Galuppis Oratorium „Jahel“ bemühte. Als konzeptionelle Enttäuschung erwies sich außerdem das Unterfangen des Ensembles Syntagma, die strenge Satztechnik eines Johannes Ockeghem so zu realisieren, wie es offenbar im Barock üblich war: mit instrumentaler statt vokaler Ausführung der tiefen Stimmen. Im riesigen Schiff der Dominikanerkirche schien Ockeghems polyphone Kraft sich bis zur Unkenntlichkeit zu verflüchtigen. Auf der Habenseite des ungewohnt durchwachsenen Festivaljahrgangs waren neben dem von Concerto Köln und den Regensburger Domspatzen lichtdurchflutet dargebotenen Mozart-Requiem und dem bei François-Joseph Gossec und Joseph Haydn aus anfänglicher Lethargie erwachten belgischen Orchester Les Agrémens vor allem die Auftritte kleinerer Formationen zu verbuchen. Les Cyclopes aus Frankreich ließen mit vier ausgezeichneten Vokalsolisten die herbe Intensität des Schütz- Schülers Matthias Weckmann wirken, etwa in seinem geistlichen Konzert „Wie liegt die Stadt so wüste“, einem kleinen Meisterwerk konzentrierter Ausdruckskraft. Die Accademia del Piacere überzeugte mit ihrem freien Zugriff auf spanisches Repertoire. Ganz so wie Jazzmusiker mit den zu „Standards“ gewordenen Songs umgehen, so nehmen Gambist Fahmi Alqhai und seine vier Mitstreiter die Lieder und Tänze eines Arcadelt oder Cabezón zum Ausgangspunkt mehr oder weniger freier Fantasien im Stil der Zeit. Ihre Energie und Spielfreude teilen sich unmittelbar mit. Gleiches gilt für die kompetente Geigerin und feine Musikerin Amandine Beyer. Nicht nur dass sie in einem bemerkenswerten Soloauftritt die C-Dur-Sonate und die E-Dur-Partita J. S. Bachs klug mit einem beinahe auf Augenhöhe sich bewegenden Werk Johann Georg Pisendels kombinierte – mit ihrem Ensemble Gli Incogniti gelang ihr über- dies das hinreißendste Konzert des Festivals. Henry Purcells harmonisch kühne Kammermusik ging mit den vor Klangsinn und instrumentaler Energie sprühenden Stücken des Wahl-Engländers Nicola Matteis eine elektrisierende Mischung ein. So kann es im kommenden Jahr weitergehen; Dann feiern die Tage Alter Musik ihre 30. Ausgabe.

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