Tage Alter Musik – Almanach 2013

REGENSBURG. Es ist, als gehe man die Stiegen hinauf auf einen geheimnis- vollen Dachboden. Oben angekom- men erwartet einen ein mystisches Reich an wertvollen Schätzen der Ver- gangenheit. Normalerweise wird eine solche Reise ins Gestern begleitet vom Mief alter Häuser und einer dicken Pa- tina aus Staub und Zeit auf den Fund- stücken. Von solchen Begleiterscheinungen verschont blieb, wer sich amWochen- ende auf den Weg in den ersten und zweiten Stock des Salzstadel begab. Geheimnisvolle, sagenumwobene Schätze der Musik aus Mittelalter, Re- naissance und Barock fanden sich dort, freilich als Nachbau historischer Vorbilder. Renaissancelauten aus dem 16. Jahrhundert nach Venere stehen neben einem fast vergessenen Instru- ment, dem „Mirliton nach Mersenne“. Eine unglaubliche Vielfalt zeigt sich dem Ausstellungsbesuchern: Gamben, Hakenharfen, Truhenorgeln Gemshör- ner oder mittelalterliche Sackpfeifen. Auf zwei Stockwerken präsentier- ten Instrumentenbauer aus der gan- zen Welt bekannte und wieder ent- deckte Instrumente wie der „Zinken“. Seit zwei Jahren erlebe das schlichte aber wunderschön klingende Instru- ment aus dem Mittelalter ein wahres Revival, erklärt Siem van der Veen aus den Niederlanden. Ansatz und Klang ähneln der Trompete. Optisch gleicht das Instrument einer achteckigen ge- bogenen Flöte. Seine Blütezeit hatte es zwischen dem 15. und 17. Jahrhun- dert. Es ist nicht die einzige Besonder- heit bei dieser Ausstellung, die wie ein Dachboden voller Raritäten im histori- schen Salzstadel wirkt. Harfenklang stimmt Besucher ein Am Eingang stimmen Harfenklänge auf den Rundgang ein. In unmittelba- rer Nähe übertönt Ralf Waldner die zarten Klänge des Zupfinstruments mit seinem kräftigen Cembalospiel. „Ich suche ein italienisches Instru- ment“, sagt er aufgeregt. Die Cembali von Volker Platte, an dessen Stand er nun engagiert fachsimpelt, seien be- kannt und sehr geschätzt, verrät er. Das kleine Cembalo ist etwas mehr als zwei Meter lang und sehr handlich. „Das können sie vollständig zusam- menklappen und im Auto transportie- ren“, sagt Eva Thomas, die Platte am Stand vertritt. Der Meister musste schnell in die Oswaldkirche, um die Cembali für das nächste Konzert zu stimmen. Waldner kramt unterdessen immer mehr Fachwissen hervor über sein Cembalo. „In Ludwigsburg haben sie einen, Grimaldi’“, sagt Thomas. „Ja, ja, ganz wunderbar“, seufzt Waldner. Zwischen Gamben, Celli und Cor- netten finden sich auch Traverseflö- ten. „Nach Eichentopf oder Scherer“, schwärmt der Dresdner Flötist Rapha- el Gärtig, der die großen Flöten für den Freund und Instrumentenbauer Ste- fan Beck bewacht. Sie sind die Vorläu- fer der modernen Metall-Querflöten, die der Goldschmied Theobald Böhm einst entwickelte. Anders als die histo- rischen Vorbilder haben diese Klap- pen“, erklärt Gärtig. „Aber Friedrich II. spielte einst eine solche Eichentopf- Flöte“, sagt er und zeigt auf ein eben- holzfarbenes dickes Holzinstrument. Nur noch eine einzige Original-Ei- chentopf-Flöte gibt es. Im Leipziger Instrumentenmuseum kann man das aus Elfenbein gefertigte Instrument bewundern. Wie ein Leuchtfeuer blitzt plötzlich ein knallgelber Instru- mentenkoffer zwischen den warmen Holzfarben hervor. Susanne Meyer aus Nürnberg wuchtet ihn die Treppe in das zweite Obergeschoss hinauf. Auch hier ein ganzer Kosmos an Musiklite- ratur, Instrumenten und CDs. Zielstre- big geht sie ans Ende des Raumes und bleibt vor einem Cello-Spieler stehen. „Ich brauche noch einen schönen Ba- rockbogen“, sagt sie. Ein „Affourtit“ soll es sein. Er ist so etwas wie der Mer- cedes unter den historischen Bögen. Eigentlich sei sie Cellistin, verrät sie. Aber die alte Musik hat sie fasziniert. „Ich muss beim Barock-Cello ganz schön umdenken“, sagt sie. „Aber es macht Spaß.“ Sie bleibt ehrfürchtig vor dem Cello-Spieler stehen und hef- tet ihren Blick fest auf jeden Strich und jedes Zittern des edlen Holzbo- gens mit dem Elfenbeinkopf. Keine zwanzig Schritte daneben geht es weniger ehrfürchtig und auch gar nicht historisch zu. Ja geradezu res- pektlos, aber voll Humor und Charme, könnte man die Instrumentenkreatio- nen von Alois Biberger nennen. Die Leier des Troubadix Er ist einer von zwei Instrumenten- bauern aus der Region und entwickelt historische Saiteninstrumente auf ei- genwillige Weise weiter. „An ihr kann es nicht gelegen haben“, sagt er und greift zu einer stattlichen „Lyra“. Pling, Pling. Zart und lieblich klingt die herz- förmige Leier. „Das ist die Lyra von Troubadix“, sagt er und grinst. „Klingt doch gut, oder? Es muss also doch am schauerlichen Gesang des Barden aus den Geschichten von Asterix und Obe- lix gelegen haben“, versichert Biberger und freut sich wie ein Junge. Ziemlich scheußlich muss dagegen ein anderes Instrument geklungen ha- ben. „Man nannte sie die Tanzmeister- geige“, sagt Instrumentenbauerin Vera Frey aus Velbert. „Als Pochette kennt man sie auch.“ Der Name verweist auf ihren eigentlichen Vorteil. Eine winzi- ge Geige für die Tasche (pochette: franz. Tasche). „Diese hier klingt noch ganz gut“, sagt Frey und zeigt auf eine hübsche Kleinstgeige. „Aber diese dort, die aussieht wie eine Aubergine, die ist wirklich eine Herausforde- rung.“ Jean Baptiste Lully, Hofdirigent von Ludwig XIV. soll mit einer solchen Mini-Geige die Ohren der Hoforches- termusiker gequält haben. Ganz und gar keine Qual waren in- des die unterschiedlichen Klänge der zum Teil wunderschön dekorierten Cembali und Orgeln. In jedem freien Winkel zwischen den Ausstellern er- probten Musiker die handwerklichen Meisterwerke, die Instrumentenbauer auch heute noch in Handarbeit nach den historischen Vorbildern fertigen. Bei Orgelbauer Markus Klotz aus Un- dorf erklingt der Klang des Spätmittel- alters auf den „Regalen“, die es als Rei- seinstrument sogar in Tischform, als Brettspiel oder in Buchform gab. KULTUR Während der „Tage Alter Musik“ zeigten mehr als 50 Aussteller alte Musik- instrumente. Die MZ ging auf eine Reise in die musika- lische Vergangenheit. ImKlang vonMittelalter, Renaissance und Barock ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● VON FLORAJÄDICKE, MZ Die Liebhaber alter Instrumente tauschen ihr Fachwissen aus. Die Ausstellung ist ein wichtiger Branchentreff für Musiker. Fotos: altrofoto.de Die Lauten werden originalgetreu nach den Vorbildern großer Meister gebaut. Bogen und Violine müssen passen. Der Bau einer Orgel ist eine Kunst. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ➤ Die Instrumentenmesse gehörte zum Programm der 29.Tage Alter Mu- sik. Vom 17. bis 20. Mai trafen sich inter- nationale Musiker zu einem der renom- miertesten Festivals für Alte Musik in Deutschland. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● TAGE ALTER MUSIK ➤ Pro Musica Antiqua ist eine Zusam- menarbeit mit dem Kulturreferat der Stadt Regensburg. ➤ Ebenfalls im historischen Salzstadel untergebracht war auch das Informati- onszentrum der Tage Alter Musik. Ne- ben CDs aller am Festival beteiligten Künstler und Ensembles gab es dort CD-Sonderausgaben und CD-Raritäten sowie Konzertkarten. ➤ Die Messeausstellung vereinigte Ins- trumentenbauer aus Frankreich,Italien und den Niederlanden, aus Belgien, Un- garn Stuttgart, München, Berlin und aus Schwetzendorf und Nittendorf/Undorf in der Oberpfalz. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ➜ www.tagealtermusik-regensburg.de

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