Tage Alter Musik – Almanach 2013

halten. Entdecken konnte man bei den Tagen Alter Musik Regensburg auch die Musik von Nicola Matteis, einem Zeitgenossen von Henry Purcell. Die französische Geigerin Amandine Beyer und ihr Ensemble Gli Incogniti hatten den extravaganten und eigenwilligen Geiger und Komponisten ins Zentrum ihres Programmes gestellt. Musik: Gli Incogniti Nicola Matteis: Suite g-Moll Amandine Beyer spielte neben Matteis und Purcell mit ihrem Ensemble Gli Incogniti beim Festival in Regensburg auch noch eine Violinsoloprogramm. Bachs E-Dur Partita und seine C-Dur Sonate standen einer hochvirtuosen Sonate des Dresdner Stargeigers Pisendel gegenüber. Ein Ensemble aus Paris präsentierte in Regensburg deutsche Musik aus schwerer Zeit, aus dem 30-jährigen Krieg: Das Ensemble Les Cyclopes. Der Name war hier Schall und Rauch: sie musizierten die geistlichen Konzerte von Matthias Weckmann einfühlsam und innig. Eine Musik voller Schmerz und Leid, aber auch voller Zuversicht und Vertrauen auf Gott: „Weine nicht, es hat überwunden der Löwe“ aus der Apokalypse des Johannes. Musik: Les Cyclopes Matthias Weckmann: Weine nicht, es hat überwunden Les Cyclopes aus Frankreich mit Abendmusiken von Matthias Weckmann und seinen Zeitgenossen Franz Thunder und Dietrich Buxtehude. Das Konzert mach- te deutlich, warum die Weckmann-CD des Ensembles mit einem Diapason d’or ausgezeichnet worden ist. Die Eröffnung des Regensburger Festivals gestalten in den letzten Jahren traditionell die Regensburger Domspatzen. Sie wurden begleitet vom Orchester Concerto Köln, das mit einer durchsichtigen und spritzigen 1. Sinfonie von Beethoven an seine alte Qualität anknüpfte. Das darauf folgende Mozartrequiem mit den Regensburger Domspatzen war dann eher ein Ausflug in die traditionelle, also weniger historisch informierte Aufführungspraxis mit breiter, behäbiger Klangentwicklung und einem auf die Knabenstimmen fokussierten Chor. – Eine Perle aus der Renaissance stellte das Ensemble Per-Sonat vor, das zart und klar das Augsburger Liederbuch wiederbelebte. Am freiesten entfaltete sich die spanische Accademia del Piacere mit spanischer Musik aus dem 16. Und 17. Jahrhundert. Dort waren Fantasias, differencias und glosas beliebt, freie Formen und Variationen über ein Thema, die dem Virtuosen alle Entfaltungsmöglichkeiten gaben. An diese Tradition knüpfte die Accademia del Piacere an und übersetzte in unsere Zeit. So klingen die Canarios von Gaspar Sanz leicht rockig. Musik: Accademia del Piacere Gaspar Sanz/Fahmi Alqhai: Canarios Kern der Accademia del Piacere sind die beiden Brüder Fahmi und Rami Alqhai. Sie haben syrisch-palästinensische Wurzeln. Fahmi Alqhai und sein Ensemble suchen ihre Interpretation nicht nur im historischen Kontext. Sie verstehen sich als Filter der Musik vergangener Jahrhunderte. Das ist für sie unverzichtbar. Die Musik kann ohne Musiker nicht existieren, damals so wenig wie heute. Der Musiker ist der erste Überträger der Musik und des notierten Notentextes. Das ist die wichtigste Grundlage für die Accademia del Piacere, das erklärte Prinzip, um dieser Musik einen ganz persönlichen und charakteristischen Stempel aufzudrücken. Ganz persönlich heißt, dass der Gambist Fahmi Alqhai auch über ein Thema fantasiert oder eigene Variationen darüber schreibt und spielt und die Stücke zudem selbst bearbeitet, wie bei den eben gehörten Canarios. Hier eine Glosa von Fahmi Alqhai über „Mille Regretz“ von Josquin Desprez. Musik: Accademia del Piacere Fahmi Alqhai: Glosa sobre el Mille Regretz de Josquin Nichts für Puristen der Alten Musik, spannend für die Geister, denen es auf den Kern der Musik ankommt und ihre lebendige, wenn auch nicht alle historischen Erkenntnisse berücksichtigende Wiederbelebung. Auch diese Blüten der Accademia de Piacere gehören in den Strauß von Stephan Schmid und Ludwig Hartmann, den beiden Köpfen des Festivals. Sie konzentrieren sich auf das Wesentliche, auf die Musik. Jedes Festival-„Brimborium“ ist den beiden zuwider. Vergeblich sucht man hier Festivaldevotionalien, Taschen mit dem Festivallogo, Schirme und Kulis, all das, was man gerne mit nach Hause nähme. Hier geht es um die erlesenste Alte Musik in ihrem Spektrum über die Jahrhunderte. Was so streng klingt, muss es musikalisch nicht sein: das Ensemble Elyma, dessen Leiter, der Argentinier Gabriel Garrido, seit 30 Jahren im Auftrag der UNESCO die lateinamerikanische Barockmusik als Weltkulturerbe erforscht und aufführt, führte vor, wie fröhlich man in Südamerika trotz feindlicher Über- nahme durch die spanischen Christen die Gottesmutter Maria zu feiern verstand. Musik: Ensemble Elyma „Fiesta criolla“ Festmusik zur Ehren der Gottesmutter von Guadalupe: Danza: Cachua al Nacimiento „Fiesta Criolla“ – so klang Marienverehrung, wenn die indigenos mitsingen durften. Eine gelungene Fiesta war es auch wieder in Regensburg an diesem Pfingstwochenende bei den Tagen Alter Musik. Die internationalen Interpreten schätzen die Einladung zum Festival. Sie adelt. Alle wissen um das internationale Renommée der Tage Alter Musik, nur die regionale Presse hat es wohl noch nicht gecheckt – sie bildete das Festival - wenn überhaupt - zwischen den örtlichen Bierfesten ab - und auch der bayerische Freistaat weiß nach 29 Jahren noch nicht, welches Mekka für die Alte Musik das Pfingstfestival in Regensburg ist. Man hat in diesem Jahr die Subventionen für das Festival großzügig auf 12.000 € aufgestockt. Das ist in etwa so viel, wie fünf Reihen in der bayrischen Staatsoper an einem einzigen Opernabend an Subventionen kosten, 200 Parkettkarten für betuchte Opernbesucher. Dafür lässt das Land Bayern Enoch zu Guttenberg für sein eigenes Festival 800.000 € zukommen, denn dem ist leider heuer seine deutsche Bank mit ihrer Unterstützung ausgefallen. Das ist also ein Notfall für das Festival des Multimillionär-CSU-Parteifreundes und somit für den bayerischen Staat, der da natürlich einspringen muss. Es lebe die neue, alte Oligarchie, nicht nur in Bayern. Warum sollte in dem Land, in dem Politiker ihre mitarbeitenden Ehefrau vom Staat bezahlen lassen, nicht auch mal einer diri- gieren dürfen?! Der Seitenblick ist bitter, aber der kann dem Festival in Regensburg den Zauber nicht rauben. Und dem Publikum nicht die wunderbaren Hörerlebnisse des Festivals. Musik: Ensemble Elyma „Fiesta criolla“ Festmusik zur Ehren der Gottesmutter von Guadalupe: Lanchas para bailar Als letzter Eindruck von den diesjährigen Tagen Alter Musik Regensburg: „Lanchas para bailar“ gespielt vom Ensemble Elyma. Sie können, wenn Sie mögen, diese Sendung sieben Tage im Internet nachhören, in swr2.de . Hier geht es jetzt weiter mit den Nachrichten und mit Radiophon, den Collagen aus Klassik, Jazz, Rock und Grenzgebieten. Am Mikrofon verabschiedet sich Dagmar Munck und wünscht Ihnen noch einen schönen Abend.

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