Tage Alter Musik – Almanach 2014

gierten, waren nach dem Konzert auch einzelne kritische Stimmen von Fachleuten zu hören: „Schöne Musik – aber eben nicht Bach“ – so der Tenor. Susie Napper und Eric Milnes von der Bande Montréal Baroque finden eine klare Antwort auf diesen Vorwurf. O-Ton: Susie Napper „Zu sagen:“ das ist nicht Bach“ ist eine ungültige Kritik. Nicht eine Note von dem, was wir spielen, stammt nicht von ihm. Klar, man kann die Instrumentierung kritisieren oder die Form einiger dieser Sätze.“ O-Ton: Eric Milnes „Es gibt zwei Dinge, über die man wirklich diskutieren könnte, wenn man unbedingt möchte. Unsere Stücke „Concertos“ zu nennen, ist ein bisschen gewagt; sie „Brandenburgische Konzerte“ zu nennen ebenfalls. Aber zu sagen, sie seien nicht von Bach – das ist einfach falsch!“ Der Begriff „Authentizität“, der in der Historischen Aufführungspraxis eine zentrale Rolle spielt, müsse immer wieder hinterfragt werden, davon ist Dirigent Eric Milnes überzeugt. O-Ton: Eric Milnes „(…) Die Legende erzählt, dass Bach jede Woche eine Kantate komponierte. Unglaublich – und Gott weiß, wie viele dieser Werke verloren gingen. Aber irgendwann hörte er auf, neue Stücke zu schreiben und begann – typisch für die Barockzeit – ältere Werke für verschiedene Zwecke zu bearbeiten. Was wir machen, ist eigentlich lediglich eine Ausweitung dieser allgemein verbreiteten barocken Praxis. Der Ärger mancher Kritiker rührt daher, dass man von uns Authentizität erwartet. In diesem Programm gehen wir aber in eine ganz andere Richtung und behaupten: es ist sehr plausibel, dass man vielleicht im Hause der Familie Bach oder bei Freunden diese Arien oder Duette auch mal instrumental ausführte. Denn: es klingt fantastisch, es ist Musik von Bach – und es macht uns riesigen Spaß, so wie vielleicht auch den Menschen damals…“ Für das „Neue Brandenburgische Konzert“ Nr. 10 in d-Moll griff Bruce Haynes auf zwei Sätze aus Bachs „Lutherischer Messe g-Moll“ zurück. Johann Sebastian Bach selbst hatte für das „Kyrie“ und das „Cum Sanctu Spiritu“ dieser Messe Sätze aus früheren Kantaten umge- schrieben. Hier ist die Bande Montréal Baroque mit ihrer instrumentalen Interpretation. Musik: Konzert Nr. 10 Die Bande Montréal Baroque spielte das Konzert Nr. 10 für Blockflöten, Streicher und Basso continuo aus den „Sechs Neuen Brandenburgischen Konzerten“ – eine Aufnahme aus der Dreieinigkeitskirche in Regensburg vom 7. Juni dieses Jahres. Dirigent Eric Milnes und die Ensemblegründerin und Gambistin Susie Napper wollen mit der Aufführung der fiktiven „Sechs Neuen Brandenburgischen Konzerte“ nicht nur die großartige Kompositionskunst Johann Sebastian Bachs würdigen, sondern auch eine Debatte anstoßen. Vielleicht könnten die instrumentalen Bearbeitungen von Bach-Kantaten durch Bruce Haynes andere Musiker oder Komponisten inspirieren, ähnliche Wege zu gehen. O-Ton: Susie Napper „Ich hoffe, dass manche Leute sich so über uns ärgern, dass sie entscheiden: so etwas kann ich besser. Genau das war nämlich Bruce Haynes‘ Motivation. Er stellte diese sechs Konzerte zusammen in dem Bewusstsein, dass er kein Komponist ist. Jemand mit wirklich guter Ausbildung und kompositorischem Talent könnte diese einzelnen Sätze in die Mangel nehmen, daran feilen und richtige Konzerte daraus machen (…).“ O-Ton: Eric Milnes „Ich denke, dass es überhaupt eine Diskussion über Musik gibt, die vor so vielen hundert Jahren geschrieben wurde, ist wundervoll. Das ist, woran der Musikwissenschaftler Bruce Haynes interessiert war: dass die Leute immer wieder von neuem fragen: wie spielen wir dieses Repertoire? Was bedeutet es für uns heute? Was ergibt sich daraus für Begriffe wie Aufführungspraxis oder Authentizität? Das ist genau das, was wir gerne tun.“ Vor allem aber, so betonen die beiden kanadischen Musiker, geht es darum, dass die Bewegung der „Historischen Aufführungspraxis“ ihre Neugier bewahrt und sich nicht dogmatisch festlegt. Als die Alte Musik in den sechziger und siebziger Jahren gegen den herkömmlichen Klassikbetrieb revoltierte, setzte man nicht nur auf Quellentreue und historische Forschung, sondern auch auf unkonventionelle Ansätze, Ideenreichtum und Experimente. Heute gerät manches davon in Vergessenheit. O-Ton: Susie Napper „Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns in der Alten Musik immer wieder fragen, was wir eigentlich tun. Sobald wir eine feste Vorstellung entwickeln und sagen: „So und nicht anders muss man es machen“ – setzen wir uns Grenzen. Manch einer mag über unser Projekt lachen und sagen: „Das ist nicht authentisch…“ - ich aber denke, es ist wichtig, dieses Gelächter dann zu hinterfragen. „Was ist daran lustig?“ Wenn man darüber nachdenkt: Bach selbst hat es immer wieder gemacht, alle Komponisten haben Musik „recycelt“, sie in andere Formen gebracht. Das ist authentischer als immer und immer wieder die gleichen Werke zu spielen.“ Hören Sie die Bande Montréal Baroque mit dem Konzert Nr. 11 für Oboe, Cembalo, Streicher und Basso continuo aus den „neuen Brandenburgischen Konzerten“. Musik: Konzert Nr. 11 Die Bande Montréal Baroque interpretierte das Konzert Nr. 11 aus den sogenannten „Sechs Neuen Brandenburgischen Konzerten“, die Bruce Haynes aus instrumental bearbeiteten Kantatensätzen Johann Sebastian Bachs zusammenstellte. Im Konzertdokument der Woche im Deutschlandfunk hören Sie heute Aufnahmen aus zwei Konzerten des kanadischen Ensembles im Rahmen der diesjährigen Tage Alter Musik Regensburg. Ab 22.05 Uhr stehen hier drei Bachkantaten auf dem Programm. Bis zu den Nachrichten hören Sie die Bande Montréal Baroque nun noch mit dem Affetuoso aus dem fiktiven Brandenburgischen Konzert Nr. 8 C-Dur für Blockflöte, Traversflöte, Oboe da caccia, Violine, Streicher und Basso continuo, aufgenommen am 7. Juni 2014 in der Dreieinigkeitskirche in Regensburg. Musik: Konzert Nr. 8 Affetuoso

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