Tage Alter Musik – Almanach 2014

Forum Kirchenmusik 3 ½ Tage, 15 Konzerte, 5000 Zeichen Telegramm aus Regensburg von den Tagen Alter Musik 2014 Freitag, 6. Juni 20 Uhr: COLLEGIUM VOCALE 1704 & COLLEGIUM 1704 Eröffnungskonzert mit Bachs h-moll-Messe : Unter Leitung von Václav Luks musizieren Vokalisten wie Instrumentalisten transparent, mit kla- rer Artikulation und subtiler Ausgestaltung; die Solisten treten aus dem Vokalensemble hervor. Eine weniger auftrumpfende, als nach innen gekehrte Interpretation; musikalisch überzeugend; der spirituelle Gehalt hätte zum Teil aber noch stärker durchdrungen sein können. 22.45 Uhr: VOCES 8 2 Sängerinnen und 6 Sänger aus England mit geistlicher Vokalmusik der Renaissance: Technisch souverän, aber nicht durchgängig fesselnd; manches bleibt im Ungefähren; auch hätte der Kirchenraum stärker einbezogen werden können. Samstag, 7. Juni 11 Uhr: INSTRUMENTA MUSICA Musik der Spätrenaissance und des Frühbarock mit Flöten, Dulzian, historischem Schlagwerk, Orgel/Cembalo und dem Leiter Ercole Nisini an der Renaissance-Posaune: Faszinierende Klangkombinationen, die perfekt in den um 1360 erbauten Reichssaal mit seiner prächtigen Holzdecke passen und Geschichten der Vergangenheit akustisch heraufbeschwören. Jubelnder Beifall! 14 Uhr: BACHS ERBEN Deutschlands einziges Jugendbarockorchester begeistert mit Musik aus seiner mitteldeutschen Heimat und der Regensburger Sinfonie von Gluck: souverän (ohne Dirigent!) musiziert, tolle Solisten – strahlende Gesichter im Saal wie auf dem Podium! 16 Uhr: BANDE MONTRÉAL BAROQUE Bruce Haynes, kanadischer Musikwissenschaftler und Barockoboist, fügte in Analogie zum Parodieverfahren „6 neue Brandenburgische Konzerte“ u. a. aus Kantatensätzen zusammen: Funktioniert (unterschiedlich) gut, aber Bach hätte das, wenn er denn gewollt hätte, sicher viel besser hingekriegt. Vielleicht sollte man doch lieber die hier als ‚Steinbruch’ verwendeten Originalwerke häufiger aufführen? 20 Uhr: CONCERTO PALATINO Festkonzert aus dem Venedig des Frühbarock mit 7 Sängern, Zink, Posaune, Theorbe und Orgel: Ebenso festlich-strahlend wie zart-verinner- licht; wunderbar warme Bläserklänge; fein austarierte Klanggebilde, die im Kirchenraum nach oben schweben – und den Hörer mittragen in himmlische Höhen. 22.45 Uhr: VOX LUMINIS Heinrich Schütz und die Bach-Familie (Johann Michael, Johann Christoph, Johann Ludwig, Johann Sebastian): Vier Soprane, zwei Alti, vier Tenöre, zwei Bässe, eine Orgel, eine Gambe – und ein Füllhorn wunderbarster Musik. Echte Glücksmomente! Sonntag, 8. Juni 11 Uhr: LES VOIX HUMAINES CONSORT OF VIOLS Auszüge aus Bachs Kunst der Fuge, eingerichtet für Gamben-Consort, mit Werken englischer, spanischer und italienischer Komponisten kon- trastiert: Klingt konstruiert, aber funktioniert erstaunlich gut! 16 Uhr: THE HARMONIOUS SOCIETY OF TICKLE-FIDDLE GENTLEMEN Hoppla, die Hälfte der ‚Gentlemen’ sind Ladies! Vergessenes Orchesterrepertoire des englischen Barock (Pepusch, Stanley u. a.) soll wieder- belebt werden: Leider nur ein Teilerfolg, die Werke sind nur bedingt fesselnd! 20 Uhr: LE CONCERT SPIRITUEL Hervé Niquet und sein Ensemble mit einem reinen Purcell-Programm: Ode auf den Geburtstag der Queen Mary, eine glanzvolle Jubelfeier; darauf Musik zum Begräbnis derselben, zutiefst empfunden und erfüllt musiziert; Ode zur Huldigung der Heiligen Cäcilia: ein hinreißender Lobpreis und zugleich der schönste Geburtstagsgruß für das Festival zum Dreißigsten! 22.45 Uhr: BAROKKSOLISTENE Telemanns „Burlesque de Quixotte“ und „Schulmeisterkantate“, „Iphigenia in Brooklyn“ von P.D.Q. Bach, Burleske „Karneval in Venedig“: Höchst amüsanter, musikalisch gut gemachter und szenisch umgesetzter Blödsinn. Muss man live erleben! Montag, 9. Juni 11 Uhr: EL MUNDO Ensemble aus den USA mit spanischer, italienischer und lateinamerikanischer Vokal- und Instrumentalmusik: loderndes südliches Feuer; ein rauschendes Fest der Lebenslust und Musizierfreude! 14.15 Uhr: CORINA MARTI Musik des Trecento für Clavisimbalum und Flöten: leichte, zarte, störanfällige Tongebilde; totale Vergeistigung und Kontemplation – eher ein Mitternachtskonzert, zum völligen Versenken; im hellen Mittagslicht eher schwierig. 16 Uhr: BANDE MONTRÉAL BAROQUE Nochmals die Kanadier unter Leitung von Eric Milnes mit Kantaten über Leben und Tod von Bach: Die 4 Solisten sind auch der Chor – eine Geschmacksfrage! Orchester überzeugt durch sehr sprechende, detaillierte Artikulation. 18.30 Uhr: LA RISONANZA & CORO COSTANZO PORTA Henry Purcells Oper Dido und Aenaeas im Regensburger Theater zum Abschluss: Musikalisch sängerisch wie instrumental überzeugend; Einsatz der Tanzgruppe GRUPPO E-MOTION sucht Emotionen darzustellen, die die Musik bereits (besser?) ausdrückt; jedenfalls für mich ein echtes Zuviel! Mein Fazit nach 72 Stunden Regensburg: Eine prall gefüllte Zeit voller Erlebnisse, mit freudigen Wiederbegegnungen und überraschenden Neuentdeckungen; zudem ein hervorragend organisiertes Festival, überall freundliche und hilfsbereite Ansprechpartner. Eine unbedingte Empfehlung für Pfingsten 2015! Sabine Näher

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