Tage Alter Musik – Almanach 2014

www.klassikinfo.de Tage Alter Musik Regensburg: Botschaft und Musik werden (manchmal) eins Risiko gehört zum Konzept: Dreißig Jahre „Tage Alter Musik“ in Regensburg Autor: Laszlo Molnar (Regensburg, Pfingsten 2014) Dreißig Jahre gibt es sie nun schon, die Tage Alter Musik Regensburg. Ja, auch zwischendurch wurde an die Gründung des Festivals im Juni 1984 erinnert; es gab größere Jubiläums-Ausgaben zum 20- und zum 25-jährigen. Zum Dreißiger ist das Programm am vergangenen Pfingst-Wochenende allerdings nicht außergewöhnlich ausgefallen. Eher war es ein ganz „normales“ Festival. Kein spezielles Festkonzert, keine Festvorträge. Nur ein Empfang der Stadt am Samstag- morgen. Vielleicht ist das auch das beste Zeichen für die Kontinuität und den Erfolg der Tage Alter Musik in Regensburg: das Normale ist schon das Besondere. Seit dreißig Jahren sind es die Gründer, Ludwig Hartmann und Stephan Schmid und dazu Paul Holzgartner, die Inhalt und Form des Festivals bestimmen, und seit dreißig Jahren findet es zuverlässig zu Pfingsten statt. Dies die Normalität. Denn das Besondere, das ist das Programm in Regensburg. Damals wie heute geht es darum, zu zeigen, welche Personen und welche Aufführungsweisen die Alte-Musik-Szene weltweit bestimmen. Gäste aus Über- see beispielsweise gehören zu den Festtagen ebenso wie der Dom zu Regensburg. Dass die künstlerischen Planer Hartmann und Schmid sich durch nichts von ihrem Kurs abbringen lassen, sich auch stets der andernorts gepflegten Mode zu einem “Motto” verweigert haben, dafür stand dieses Jubiläums-Festival auch: keine Spur von Carl Philipp Emanuel Bach, dem vor 300 Jahren geborenen Bach-Sohn, der auch bei weniger spezialisierten Ereignissen gerne gefeiert wird. Hier, in einem quasi natürli- chen künstlerischen Umfeld, wurde er mit keinem Ton erwähnt. Schade, angesichts einiger Programmpunkte, auf die man hätte verzichten können. Wie gewohnt dauerte auch die Jubiläumsausgabe von Freitagabend bis Montagabend. Wie gewohnt, gab es von Freitag bis Sonntag je ein Nachtkonzert um 22.45 Uhr, von Samstag bis Montag je eine Matinee und ein Konzert am Nachmittag und natürlich die “Hauptaufführung” um 20 Uhr. Insgesamt 17 Konzerttermine, als extra ein weiteres Nachtkonzert um 0 Uhr 15 am Montag früh und eine zweimalige Aufführung des Abschlusskonzertes. Dieses fand, dies nun eine echte Premiere, im glanzvollen Rahmen des Theaters am Bismarckplatz statt. Auch mit sparsamen Mitteln gelingt es den Veranstaltern immer wieder, eine Überraschung zu präsentieren. Eine weitere „Neuerung“ war die Rückkehr vieler Konzerte in den dafür sehr geeigneten Raum der Dreieinigkeitskirche. Diese war über Jahre wegen Renovierung gesperrt gewesen. Höhepunkte in den Nachtkonzerten Zum Programm also. Vielleicht gerade, weil man auf einen betonten Festcharakter verzichtet hatte, ist es - leider! - keine richtig runde Sache geworden. Hartmann und Schmid beziehen ihre Informationen sehr stark aus CDs interessanter Künstler und Ensembles und laden diese dann ein. Das Risiko besteht darin, dass CDs oft - und zu Recht - mit größerer Sorgfalt und mit größerem Aufwand produziert werden, als Live- Auftritte vorbereitet werden können. Wie groß diese Lücke sein kann, darüber gaben in diesem Jahr einige der Regensburger Konzerte Auskunft. Enttäuschend in dieser Hinsicht waren die Auftritte der “Bande Montreal Baroque”, die mit zwei Bach-Programmen und einem Kammermusik-Konzert angereist war. Nicht richtig überzeugend auch der Auftritt des in Alte-Musik-Kreisen gefeierten Ensembles „Le Concert Spirituel“ (mit Residenz in der französischen Stadt Metz) und ebensowenig machte die Purcell-Aufführung von „La Risonanza“ aus Italien im Theater glücklich. Auch bekannte Namen garantieren nicht unbedingt vollendetes Musizieren. Die Höhepunkte fanden diesmal in den Nachtkonzerten statt. Sie waren außerordentlich und sie wurden bereitet von zwei Vokalensembles: “Voces8” aus England am Freitag und „Vox Luminis“ aus Belgien am Samstag. Alleine dafür hatte sich die Reise nach Regensburg mehr als gelohnt. „Voces8“ ist ein rundum hochattraktives Ensemble von zwei jungen Sängerinnen und sechs jungen Sängern; sieben der acht waren Mitglieder des Choir of Westminster Abbey in London. Alle zusammen sind Exponenten der alles überragenden Sanges- und Chorkultur auf der briti- schen Insel, die immer wieder und ohne Unterbrechung phänomenale Solisten und unfassbar gute Ensembles hervorbringt. “Voces8” ist so ein unfassbar gutes, jede Stimme ein Individuum und alle zusammen eine Stimme. In seinem Programm mit Motetten von Thomas Tallis, William Byrd, Robert Ramsey, Palestrina und anderen Renaissance-Meistern gingen auch hartgesottenen Alte-Musik-Kennern die Ohren auf und über. Lupenrein, mit unheimlicher Perfektion intoniert, wie sprechend artikuliert, dazu in einer Kirche mit ihrem langen geheimnisvollen Nachhall wie maßgeschneidert für diese Musik: da ist nichts alt, vergangen oder historisch, sondern die pralle Gegenwart überwältigenden Künstlertums. Eine Sternstunde der Festivalgeschichte. Nicht minder aufs tiefste berührend und mit ihrem Grad der Kunstfertigkeit geradezu beängstigend waren die vier Sängerinnen und acht Sänger des in Belgien beheimateten Ensembles „Vox Luminis“. Sie warteten auf mit den „Musikalischen Exequien“ von Heinrich Schütz und mit Motetten von J.S. Bach und dessen Verwandtschaft Johann Michael Bach (1648-1694) und Johann Ludwig Bach (1677-1731). Begleitet wurden sie von der phänomenal minimalistischen Orgelkunst von Masato Suzuki, einem Sohn des berühmten Bach-Dirigenten und Organisten Masaaki Suzukis, und von Ricardo Rodriguez Miranda an der Gambe. Kleine Besetzung? Vielleicht. Große Wirkung? Garantiert. In der Schottenkirche wurde das begeisterte Publikum Zeuge eines Schütz-Wunders, als „Vox Luminis“ die Musik wahrhaft Wort werden ließ und die Botschaft und ihr Transport durch musikalische Klänge eins wurden. Auch hier: zwölf Solisten, eine Stimme. Was nicht minder beein- druckt, ist die Qualität der Live-Aufführung, die nicht weniger einen Preis verdiente als die 2012 zur „Recording of the Year“ gekürte CD.

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