Tage Alter Musik – Almanach 2014

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Das Spek- trum des lustvoll Dargebotenen reichte von der Persiflierung einer Arie von Henry Purcell bis zum ausgelassenen Tanz. Cello und Cembalo zuhause las- send, wechselten sich rein instrumen- tale Nummern mit Gesang und Soli des Gitarristen und des Perkussionisten ab. Bjarte Eike (Violine) und seine Mitstrei- ter erfreuten mit Natürlichkeit und ih- rem komödiantischen Auftritt die ap- plausfreudig johlenden Zuhörer. (mal) Musikalische Zecher Wirtshauslieder aus dem 17. Jahrhun- dert waren im Leeren Beutel zu hören. spruchsvolles Brandenburgisches Kon- zert gefiel dank der Spielfreude des Or- chesters und überzeugender Leistun- gen der Solisten. (mhf) Bachs Erben: das Jugendbarockor- chester Michaelstein Diminution ist die Kunst der Verklei- nerung. Aus großen Notenwerten wer- den kleine, große Intervallabstände ausgefüllt. Meist ist das der Job der Me- lodie-Instrumente. Diesmal, beim En- semble Instrumenta Musica imHistori- schen Reichssaal, kam der Part meist der Posaune zu, die eigentlich für Füll- stimmen zuständig ist. Tatsächlich gibt es einen Komponisten, Francesco Rog- nioni-Taeggio, der für Trombone oder Violone, also tiefe Instrumente, Dimi- nutionen schrieb. Die klangen auch recht ansprechend. Flöte, Orgel, Dulzi- an, alle durften mal verzieren. Die Grundierung: ein fantastisches, histori- sches Schlagwerk mit Trommel und Tamburin. (moe) Kunstvolle Verkleinerung Das Ensemble Instrumenta Musica gastierte im Historischen Reichssaal. ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ● KONZERTKRITIK IN KÜRZE REGENSBURG. „…und wenn es köstlich ge- wesen ist, so ist es Müh’ und Arbeit ge- wesen“. Diese ernüchternde Lebensbi- lanz aus dem 90. Psalm in der Übertra- gung Martin Luthers passte so gar nicht auf die schwebende Leichtigkeit, mit der das belgische Vokalensemble Vox Lumi- nis beim Nachtkonzert Werke von Hein- rich Schütz und aus der Bach-Familie in dieWeite der Schottenkirche stellte. Das feine, individuelle Pulsieren un- ter der Oberfläche eines fast unwirklich homogenen Zusammenklangs verlieh Schütz’ „Musikalischen Exequien“ seine Aura. Den im Wechsel mit dem ganzen Chor heraustretenden solistischen Satz- teilen gaben die Sänger individuelle Fär- bung, um im nächsten Moment wieder im Gesamtklang aufzugehen. Die Echo- wirkungen im abschließenden Lobge- sang Simeons schienen den Raum um ei- ne Dimension zu erweitern. Überragend gerieten danach auch die Motetten aus der Bach-Familie. Die schon von Schütz vertonten Texte entwi- ckelten neue, zum Teil fast spielerische Facetten, und aus dem hinteren Teil des Kirchenschiffs gemahnten engelsgleiche Sopranistinnen an das Endliche alles Ir- dischen: „Denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“ Magisch. Fast unwirklich homogen ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON JUAN MARTIN KOCH, MZ MOTETTEN Vox Luminis sang in der Schottenkirche: magisch. REGENSBURG. „The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen“ (Harmoni- sche Vereinigung geigenkitzelnder Her- ren) gilt als Londons älteste Konzertrei- he, 1679 von einem Kohlenhändler ins Leben gerufen. Diesen Namen über- nahm das 2006 gegründete britische Ba- rock-Ensemble, das in der ausverkauften St.-Oswald-Kirche das neunte Konzert der Tage Alter Musik bestritt. Die Musiker haben den deutsch-engli- schen Komponisten Johann Christoph Pepusch (1667-1752) für sich wiederent- deckt. Pepuschs bekanntestes Werk ist die „The Beggar’s Opera“ (Bettleroper), mit der er 1728 Händels Opernmonopol in London zu Fall brachte. Vier vorge- stellte Werke von ihm ließen Zweifel da- ran aufkommen, ob es seine Musik oder nicht vielmehr das Libretto von John Gay war, was Händels Opernschaffen in London beendete. Das Concerto grosso B-Dur von Pe- pusch folgt ebenso geradlinig dem Vor- bild Corellis wie auch sein Oboenkon- zert. Im Kontrast zu Pepuschs eher kon- ventioneller Musik standen zwei inspi- rierte Werke von John Stanley (1712- 1786): sein fünfsätziges Concerto Nr. 2 h-Moll, op. 2, mit bravourösen Cellopas- sagen, und die Ouvertüre zum Oratori- um „Jephta“. Von den Pepusch-Schülern Johan Helmich Roman und William Ba- bel riss die virtuose Bearbeitung der Händel-Arie „Vo’ far guerra, e vincer vog- lio“ (Auf in den Krieg: Ich will siegen) aus dessen Oper „Rinaldo“ von Babel mit ausufernden Cembalo-Improvisationen das Publikum zu wahren Begeisterungs- stürmen hin. Londoner Geigenkitzel ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON GERHARD HELDT, MZ KONZERT Brit-Ensemble ent- deckt J. Ch. Pepusch wieder. REGENSBURG. Eine fünfstimmige Fanta- sie von Henry Purcell in einem Konzert- programm mit nur vier Musikern? Wer sorgt für die fünfte Stimme? Das Publi- kum. Susie Napper, kanadische Gambis- tin des Ensembles Les Voix Humaines, probte am Sonntag, beim Konzert wäh- rend der Tage Alter Musik, kurz mit dem ganzen Auditorium im Reichssaal des Alten Rathauses – und los ging’s. Der Ton c aus so vielen Mündern grundierte die wilden und fantastischen Eskapaden der anderen vier Stimmen der Fantasia upon one note. Die Interak- tion lief prima, ein Gemeinschaftserleb- nis. Danach kam im klug und straff kon- zipierten Programmablauf nur noch der letzte, unvollendete Contrapunctus aus der Kunst der Fuge. Um Henry Purcells Fantasien und Fu- genkunst von Johann Sebastian Bach gruppierten sich Consort-Stücke von William Byrd, John Jenkins und ande- ren. Sätze aus Fairy Queen, eine Improvi- sation über La Follia und das Allegro aus Vivaldis Frühling machte man sich pas- send für Gambenconsort, mit sprühen- dem Witz, ausufernden Tirilieren und Pfeifen bei Vivaldi, einer Wiederholung beim Monkeys Dance, die vor falschen Noten nur so strotzte. Ernsthafteste Musik, das Kondensat von Bach und Purcell: Das kam beim Konzert von Les Voix Humaines immer entspannt und fantasievoll rüber, durch- sichtig im Klangbild, sehr elegant, sehr kunstvoll. Jokus erlaubte man sich dort, wo Platz dafür war. Das Publikum sangmit ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON CLAUDIA BÖCKEL, MZ INTERAKTION Elegant und kunst- voll: Les Voix Humaines REGENSBURG. „Fishing for compliments“ nennt man das wohl: Cellistin Susie Napper von der Bande Montréal Baroque drückte zu Beginn des Konzerts am Samstagnachmittag in der Dreieinig- keitskirche die Hoffnung aus, die von Bruce Haynes arrangierten „Neuen Bran- denburgischen Konzerte“ Johann Sebas- tian Bachs mögen die Zuhörer so verdrie- ßen, dass möglichst viele auf die Idee kä- men, es besser zumachen… Das Problem ist bekannt – gerne hätte man von Bach mehr Instrumentalmusik als das, was überliefert ist. Angesichts seiner eigenen Praxis, Werke für neue Anlässe wiederzuverwerten, ist es durch- aus legitim, drei Jahrhunderte später Ähnliches zu unternehmen. Der Musik- wissenschaftler Haynes hat sich haupt- sächlich in Bachs Kantatenschaffen um- gesehen und daraus in freier Mischung sechs Konzerte in verschiedenen Solo- konstellationen zusammengestellt, die jetzt in Regensburg zu hören waren. Dort, wo es sich um rein instrumenta- le Eröffnungssätze handelt, funktioniert Haynes Ansatz natürlich. Schwieriger wird es, wenn solistische Singstimmen oder der ganze Chor fehlen. Den Chor vermisste man beispielsweise schmerz- lich im ersten Satz des siebten Branden- burgischen Konzerts (Haynes zählt von den sechs Originalen aus weiter). Vom „ewigen Feuer“ und „Ursprung der Lie- be“, so der Kantatentext (BWV 34), war kaum etwas zu spüren, die kunstvollen Umspielungen hingen in der Luft, ver- wandelten sich in selbstgenügsame Vir- tuosität. Im achten Konzert nimmt Hay- nes die Verunklarung der Arien- und Du- ettstrukturen durch die Verteilung auf diverse Solisten in Kauf, ohne dass sich eine neue Stringenz im Satzgefüge ein- stellen würde. Wenn, wie bei der Nummer elf, ein Instrument – hier die Oboe – die klare Führung übernimmt, ergeben sich dage- gen reizvolle Blicke auf das zugrunde lie- gende Material, im langsamen Satz um einen innigen Dialog mit dem Cembalo erweitert. Matt Jennejohn dämpfte sei- nen anfangs noch etwas scharfen Oboen- ton fein ab, auch die weiteren Solisten leisteten, wie das gesamte Ensemble un- ter der zackig animierenden Leitung des Cembalisten Eric Milnes, gute Arbeit. Schöne Klangmischungen kamen im zehnten Konzert von den vier Blockflö- ten (auch wenn eher Wolkenformatio- nen denn Strukturen hörbar waren) und im zwölften von zwei Gamben und zwei Celli. Im Andante glaubte man ein früh- barockes Gambenconsort zu hören, das Bach durch ein chromatisch verflochte- nes Gewebe hindurch direkt ins 17. Jahr- hundert zurückversetzte. Insgesamt also kein Anlass für Verdruss, aber einige Fra- gezeichen blieben stehen. KONZERT BandeMontréal Baroque präsentierte die Brandenburgischen Konzerte neu arrangiert und gemixt. Der Freestyle-Bach funktionierte nicht immer. hte atemlos ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON JUAN MARTIN KOCH, MZ gium Vocale 1704 mit einem denkwürdigen Konzert. Alle Fotos: altrofoto.de Bande Montréal Baroque spielte Bach, neu arrangiert von Bruce Haynes.

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