Tage Alter Musik – Almanach 2014

REGENSBURG. Er war einfach zu spät dran: Gerade hat eine Regensburgerin einem Herrn aus Augsburg das letzte Ticket vor der Nase weggeschnappt. Er versucht, noch ein wenig mit ihr zu handeln, ihr ins Gewissen zu reden. Doch seine Mühen sind alle für die Katz. „Neeein, das Ticket gebe ich um keinen Preis der Welt mehr her“, ent- gegnet die Anwohnerin aus der Alt- stadt mit einem breiten Grinsen. „Vor Glück sind mir fast die Tränen in die Augen gekommen“, verrät sie dem MZ-Reporter vor den Toren der Re- gensburger Dreieinigkeitskirche. Schließlich hat sie soeben das letzte, aber auch wirklich allerletzte Ticket für den Auftritt von „Le concert Spiri- tuel“ ergattert. „Ich liebe Henry Purcell einfach“, schwärmt sie von jenem eng- lischen Komponisten, dessen Schaffen das Konzert gewidmet ist. Die Welt trifft sich in Regensburg Szenen wie diese – sie ereigneten sich bei den „Tagen Alter Musik“ von Frei- tag bis Montag zuhauf: Aus der Schweiz, aus Österreich und sogar aus den Vereinigten Staaten waren die Be- sucher nach Regensburg gekommen, um auf ihren Geschmack zu kommen. Schließlich gilt das Fest als „renom- miertestes deutsches Festival für die Alte Musik“, für das man gern einen langen Anreiseweg in Kauf nimmt. Doch auch viele Oberpfälzer haben es in den 30 Jahren seines Bestehens in ihr Herz geschlossen. „Das Programm bietet vieles abseits davon, was man sonst so hört“, sagt Hans Kistler aus dem Landkreis. „Um Beethoven und Mozart zu hören, kann man auch wo- anders hin gehen.“ Ebenso genießt er die historischen Orte, in denen die Konzerte stattfinden. Ob in der Dreiei- nigkeitskirche, der Alten Kapelle oder im historischen Reichssaal – dem Am- biente kann er stets viel abgewinnen. Wie früher in den Tavernen Dass es nach Mitternacht noch einmal richtig rundgeht, ist ebenfalls eine Be- sonderheit des Fests: Für die „Alehouse Session“, jener Musik, die im 17. Jahr- hundert in den englischen Tavernen und Wirtshäusern gespielt wurde, be- schreiten erstaunlich viele Gäste noch nach Mitternacht den Weg in den „Leeren Beutel“: Junge Menschen wie „höhere Semester“ teilen sich dort die Freude an der Musik. Mit dabei ist auch Eva Stoffel aus München: „Ich finde, auf den Tagen al- ter Musik wird immer ein breites Spektrum an Musik geboten: Am ers- ten Abend gab es eine H-Moll-Messe und jetzt haben sie hier einen komödi- antischen Höhepunkt“, spielt sie auf den „Early Joke“, bei dem der Norwe- ger Bjarte Eike und seine Musiker-Kol- legen humorvoll durch die Epochen führten, an. Ja, gelacht darf beizeiten auch werden. Aber nichtsdestotrotz gelte immer eine ungeschriebene Re- gel: Sich als Zuschauer immer schön ruhig verhalten. „Es ist immer ein sehr diszipliniertes Publikum, das erst den letzten Ton ausklingen lässt und erst dann Beifall klatscht. Da kannst du ei- ne Stecknadel fallen hören.“ Was ebenso fasziniert, ist das üppi- ge Angebot an historischen Musikinst- rumenten: Fachleuchte wie Laien pil- gern förmlich in den Salzstadel, wo schwedische „Nyckelharpa“ (Schüssel- fideln) und Portativorgeln keine Fremdwörter sind. Kurzum: Hier gibt es alles was das Herz an alten Musik- instrumenten begehrt. „Das sind hier alles Unikate, keine Manufakturwaren“, erklärt Dieter Schossig, der historische Zupfinstru- mente herstellt und verkauft. „Oft kommen die Gäste mit konkreten Vor- stellungen hierhin“ – vom sechsjähri- gen Mädel bis zum betagten Herrn. Er selbst ist „von Natura aus Physiker“, später sattelte Schossig in Wien auf den Beruf des Instrumentenbauers um. Mit Erfolg: 2012 zeichnete ihn die Bundesregierung mit dem Deutschen Musikinstrumentenpreis aus. Der Mann aus Großmehring bei In- golstadt reicht den Pokal lieber an die Domstadt weiter: „Ich denke, Regens- burg kann auf das Festival richtig stolz sein.“ „Da kannst du eine Stecknadel fallen hören“ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● VON DANIEL STEFFEN, MZ FESTIVAL Die Besucher lieben das besondere Ambiente in Regensburg. Als disziplinier- te Konzertgänger widmen sie jedem einzelnen Ton höchste Aufmerksamkeit. Ein charakteristisches Bild für die „Tage Alter Musik“: Wie am Sonntag in der Kirche St. Oswald waren die Veranstaltungen oft ausgebucht. Fotos : Steffen Augenblicke der Gelassenheit inmit- ten von historischen Instrumenten Dieter Schossig und seine Frau Silke präsentierten sich mit ihren historischen Musikinstrumenten im Salzstadel. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ➤ Als „Alte Musik“ bezeichnen die Ver- anstalter Musik, die alle Epochen vom Mittelalter bis zur Romantik erfasst. ➤ Ästhetische Bewegung: Alte Musik als neue ästhetische Bewegung nahm in den Metropolen der Welt (London, Paris, Amsterdam, New York) ihren Anfang und habe „den klassischen Musikbetrieb komplett durcheinandergewirbelt“. ➤ Das Publikum der „Tage Alter Musik“ sei im Schnitt deutlich jünger als jenes von Veranstaltungen mit klassischer Musik, behaupten die Festival-Macher. Das führen sie unter anderem auf den „lebendigen, innovativen Charakter“ der Veranstaltung zurück. (mds) ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● WAS IST ALTE MUSIK? REGENSBURG. Oberbürgermeister Joa- chimWolbergs lud im Kurfürstenzim- mer des Alten Rathauses zu einem Empfang anlässlich der Eröffnung der Konzertreihe „Tage Alter Musik“. Ins- besondere begrüßte der OB die Macher der Veranstaltung, Stephan Schmid, Ludwig Hartmann und Paul Holzgart- ner. Sie hätten es wieder einmal ge- schafft, ein Programm mit hochkaräti- gen Musikern und unvergesslichen Konzerten zu gestalten. Herausragende Musikerinnen und Musiker sowie namhafte Ensembles und Orchester aus ganz Europa, den USA und Kanada sind in den kom- menden Tagen in Regensburg zu Gast. 17 Konzerte, verteilt auf vier Tage und zehn verschiedene historische Stätten in Regensburg, erwarten die mit Si- cherheit zahlreichen Besucher. Wie Wolbergs feststellte, biete Regensburg dem Festival mit den historischen Räumen einen idealen Schauplatz. Dieses Ambiente sei geradezu prädesti- niert für die authentisch auf histori- schen Instrumenten aufgeführten Werke, und prächtige Räumlichkeiten wie der Reichssaal im Alten Rathaus, die Dreieinigkeitskirche, die Kirche St. Ostwald, erstmals auch das Theater am Bismarckplatz oder der Leere Beu- tel bilden eine wunderbare Kulisse für die dargebotenen Klangerlebnisse. Das Prager Vokalensemble „Collegi- ums Vocale 1704“ und das „Prager Ba- rockorchester Collegium“ „zählen si- cherlich zu den gegenwärtig aufre- gendsten Ensembles der .Alten Mu- sik’“, meinte der Sender Deutschland- radio Kultur, der Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe, gespielt von den beiden Ensembles unter der Leitung von Vaclav Luks, aus der Dreieinig- keits-Kirche übertragen hatte. Möglich gemacht hat dies der Baye- rische Rundfunk mit seinem Sender BR Klassik. Das Regensburger Festival gilt heute als eines der fünf weltweit renommiertesten und traditions- reichsten in Sachen Alter Musik. Mit diesem Festival reiht sich Regensburg in die Riege internationaler Festspiel- städte ein, so der OB. 50 Prozent der Be- sucher kämen aus Regensburg, 50 Pro- zent von auswärts. Regelmäßig ist die Regensburger Hotellerie am Pfingst- wochenende so gut wie ausgebucht. Im Rahmen der „Tage Alter Musik“ findet begleitend zu den Konzerten im Salzstadl an der Steinernen Brücke ei- ne internationale Verkaufsausstellung mit Nachbauten historischer Instru- mente, Fachliteratur und Tonträgern statt. „Als wir 1984 dieses Festival grün- deten, dachten wir niemals daran, dass wir 30 Jahre später so ein Jubiläum fei- ern könnten“, so Ludwig Hartmann. Das Festival sei zu einem kulturellen Aushängeschild der Stadt Regensburg geworden. Insbesondere dankte er der Mittelbayerischen Zeitung, die mit ei- nem Programmheft im Sonderformat sowie zahlreichen Veröffentlichungen dazu beigetragen hätte, dass die „Tage Alter Musik“ auch in der Region be- kanntgemacht worden seien. EMPFANG JoachimWolbergs lud Macher und Musiker ins Kurfürstenzimmer. OB: Regensburg bietet die prädestiniertenKulissen OB Wolbergs lud im Kurfürstenzimmer des Alten Rathaus zu einem Empfang anlässlich 30 Jahre „Tage Alter Musik“. Foto: Lex ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Ausverkaufte Konzerte und ungewöhnliche Instrumente TAGE ALTER MUSIK 2014

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