Tage Alter Musik – Almanach 2014

Jubiläum zu Pfingsten Das Regensburger Festival feierte seine 30. Auflage von Ingo Negwer Zum 30. Mal fanden am Pfingstwochenende in Regensburg die Tage Alter Musik statt. Unter dem Motto „Celebrate this Festival“ – einem Zitat aus Henry Purcells Geburtstagsode für Queen Mary – wurde von Freitag- bis Montagabend ein Mammutprogramm mit sechzehn Konzerten geboten. Solisten und Ensembles aus Europa, den USA und Kanada waren an die Donau gereist, um ihre musikalische Visitenkarte abzugeben. 1984 fanden die Tage Alter Musik Regensburg erstmals statt. 1985 gab es eine Pause, doch dann sollten sie eine feste und bedeutende Größe im Regensburger Kulturleben werden (Die Entwicklung seit 1999 ist im Online Musik Magazin chronologisch nachzulesen). Kaum zu glau- ben, dass hinter diesem Festival, das inzwischen weltweit zu den wichtigsten der historischen Aufführungspraxis zählt, mit Ludwig Hartmann, Stephan Schmid und Paul Holzgartner nur drei Verantwortliche stehen. Darüber hinaus werden sie von einer großen Zahl frei- williger Helferinnen und Helfer unterstützt. Stephan Schmid: „Einige waren schon als Schüler dabei, machten während ihres Studiums wei- ter. Nun helfen sie, inzwischen teils Ärzte und Akademiker, immer noch mit.“ – Angesichts dieser Erfolgsgeschichte lud die Stadt Regensburg am Samstagmorgen zu einem Empfang in das Kurfürstenzimmer des alten Rathauses. Oberbürgermeister Joachim Wolberg lobte die Tage Alter Musik für ihre hohe Qualität und Unverwechselbarkeit. Sie seien inzwischen nicht nur ein bedeutender kultureller Faktor, sondern auch für den Tourismus von großer Bedeutung. Mehr als die Hälfte aller Besucher kommen von außerhalb. Daher werde man die Tage Alter Musik auch in Zukunft nach Kräften unterstützen. Festliche Glanzlichter Das Eröffnungskonzert der 30. Tage Alter Musik fand am Freitagabend in der Dreieinigkeitskirche statt. Das große protestantische Gotteshaus kehrt damit nach fünfjähriger Renovierung in den Kreis der historischen Festivalspielstätten zurück. Mit Johann Sebastian Bachs Messe h-Moll hätte man sich kaum ein würdigeres Werk zum Auftakt wünschen können, zumal es von CollegiumVocale 1704 & Collegium 1704 auf höchstem Niveau dargeboten wurde. Václav Luks ließ mit durchweg sehr frischen Tempi musizieren. Die virtuosen Tutti-Sätze wurden dennoch mit beachtlicher Souveränität gemeistert. Lediglich im „Gloria in excelsis“ gab es einige kleinere Irritationen. Berückend schön der Übergang vom „Confiteor“ zum „Et expecto“! Selten hört man das Horn-Solo (Erwin Wierenga) im „Quoniam tu solus sanctus“ mit solch einer scheinbaren Leichtigkeit und dynamischen Abstufung. Ohnehin war das Collegium 1704 mit seinem geschmeidigen, warmen Orchesterklang der Star des Abends. Neben dem sehr ausgewogenen Streicherensemble beeindruckten vor allem die jungen, exzellenten Bläsersolisten des tschechischen Barockorchesters. Auch das CollegiumVocale 1704 mit den Solisten Hana Blažíková (Sopran), Kamila Mazalová (Alt), Václav Čížek(Tenor) und Tobias Berndt (Bass) fügte sich makellos in den Gesamteindruck ein. So gab es nach dem „Dona nobis pacem“ in der bis auf den letzten Platz gefüllten Dreieinigkeitskirche standing ovations – und Lust auf mehr! Ein weiterer Höhepunkt folgte im anschließenden Nachtkonzert mit Voces8. 2003 gegründet, zählt das britische Vokalensemble zu den international führenden A-Capella-Formationen. Dabei beschränkt man sich keineswegs nur auf die Alte Musik. In Regensburg stand jedoch geistliche Vokalmusik der Renaissance aus Großbritannien, Italien und Deutschland auf dem Programm, das von den Interpreten ebenso sympathisch wie informativ – allerdings in englischer Sprache – moderiert wurde. Musikalisch überzeugten die acht Sängerinnen und Sänger in der Dominikanerkirche mit ausnahmslos hervorragenden Stimmen und einer exemplarischen Homogenität. Zu den großen Ereignissen der 30. Tage Alter Musik zählten auch die Auftrittevon Concerto Palatino aus Italien und des französischen Barockorchesters Le Concert Spirituel. Beide Ensembles, 1987 gegründet, haben die historische Aufführungspraxis in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Concerto Palatino erfüllte unter der Leitung von Bruce Dickey (Zink) und Charles Toet (Posaune) am Samstagabend die Dominikanerkirche mit üppiger venezianischer Klangpracht. Auf dem Programm standen mehrchörige Kompositionen von Giovanni Battista Grillo, Andrea und Giovanni Gabrieli. Das nur mit Männerstimmen besetzte Vokalensemble verfügt über Brillanz und Schärfe und mischte sich sehr gut mit dem aus Zinken und Posaunen besetzten Bläserensemble.Le Concert Spirituel gab am Sonntagabend mit Werken von Henry Purcell quasi ein Geburtstagsständchen zum Jubiläum: „Celebrate this Festival“. Zunächst erklang die bereits erwähnte festliche „Birthday Ode“, gefolgt von der ergreifenden Begräbnismusik für Queen Mary. Nach wenigen Unstimmigkeiten zu Beginn der Ouvertüre zur Geburtstags-Ode erfüllte Le Concert Spirituel die hohen Erwartungen bestens. Vor allem die Vokalisten hinterließen einen vorzüglichen Eindruck. Hervé Niquet, dessen temperamentvolles Dirigat sich Akteuren und Publikum unmittelbar mitteilte, verzichtete auf Solostimmen und ließ stattdessen durchweg mit Ripieni singen. Die Freunde festlicher Barockmusik kamen bei dieser Darbietung in der Dreieinigkeitskirche ganz auf ihre Kosten.

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