Tage Alter Musik – Almanach 2015

12 Bayerischer Rundfunk BR-Klassik „Allegro“, 26. Mai 2015 Autorin: Ilona Hanning Rotwein gewinnt an Geschmack, je länger er lagert, vorausgesetzt, er wird richtig gelagert. Bei den Tagen Alter Musik in Regensburg scheint es ähnlich zu sein. In diesem Jahr gab es die 31. Ausgabe, 15 Konzerte an vier Tagen. Auch in diesem Jahr haben die künstlerischen Leiter Ludwig Hartmann und Stephan Schmid wieder ein vielfältiges und vielversprechendes Programm zusammengestellt. Ein Programm, das Alte-Musik-Liebhaber aus ganze Europa anzieht, aber nicht nur die. Auch Regensburger genießen dieses Festival. Ilona Hanning hat eine getroffen. Musik: The Marian Consort O-Ton Reiterer „...also nachts um dreiviertel elf ins Konzert zu gehen ist immer etwas Besonderes, das tut man nur an den Tagen Alter Musik, das macht man sonst nie, und diese Stimmung zwischen Klangerlebnis, Müdigkeit und Meditation ist immer ein Erlebnis“, sagt Stefanie Reiterer. Die 38jährige Innenarchitektin wohnt seit 8 Jahren in Regensburg und hört sich jedes Jahr einige Konzerte bei den Tagen Alter Musik an. Vor allem die Nachtkonzerte in der Dominikanerkirche. O-Ton Reiterer „Das Erlebnis eines Raumes ist so völlig anders, wenn er mit Musik erfüllt ist, als wenn man jetzt in einem Gottesdienst sitzt, da hat man auch Musikerlebnisse, aber die kann man nicht vergleichen mit diesen Klangwellen, die man in den Kirchenräumen erleben kann an den Tagen Alter Musik“. Musik: The Marian Consort Ein Höhepunkt war dann auch das Nachkonzert mit The Marian Consort aus England, ein Gesangsensemble, das zusammen mit dem Gambenconsort Rose Consort of Viols Musik von Byrd, Tallis und anderen Renaissancekomponisten musiziert hat. O-Ton McCleary If you let the text have real primacy then you shape musical line to make sense of the words and that is when these absent flows and phrase came very naturally. Wenn man sich bei der Interpretation nach dem Text richte, dann komme man zu einer ganz natürlichen Gestaltung der Gesänge, sagt Rory McCleery, Leiter des Marian Consort. Das Ergebnis dieses scheinbar simplen Ansatzes ist beeindruckend: auf der einen Seite formt das Ensemble gemeinsam den Text, klangsinnlich, immer natürlich wirkend, auf der anderen Seite bewahren sie sich aber auch die individuelle Stimmfärbung der zwei Sängerinnen und fünf Sänger. Der Pfingstsonntag versprach ein besonderer Tag zu werden, denn drei Konzerte mit Musik von Claudio Monteverdi standen auf dem Programm. Musik: Monteverdi, Nisi Dominus Dieses Nisi Dominus gehört zu einer Sammlung geistlicher Werke von Claudio Monteverdi, die 1610 erschienen ist. Heute hört man diese Gesänge oft als Marienvesper zusammengefasst, meist von mehr oder weniger groß besetzten Chören gesungen. Der Dirigent und Cembalist Joshua Rifkin aber hat einen anderen Ansatzpunkt: er arbeitet mit der Anzahl von Sängern, die Monteverdi in seine Noten geschrieben hat. Das Nisi Dominus z.B. ist für decem vocibus gesetzt, also für 10 Stimmen. Bei Rifkin singen deshalb auch nur 10 Sänger. Musik Nicht nur bei den Sängern behält Rifkin den puristischen Ansatz, auch das versierte Instrumentalensemble Concerto Palatino hält sich genau an den Notentext. Verzierungen der Zinkenisten hört man in der Interpretation von Rifkin nicht. Und auch in der Tempofrage bleibt er konsequent. Das Ergebnis: ein entschlackter Monteverdi, transparent, in den Tempi viel einheitlicher, als man es von anderen Aufführungen gewohnt ist. Also ein ungewohntes, aber spannendes Hörerlebnis, das polarisierte und von vielen Konzertbesuchern diskutiert wurde. Wenig bis gar keine Reibungspunkte gab es bei den anderen Konzerten. Große Begeisterung etwa bei dem Solo-Recital der Geigerin Rachel Podger, die souverän, mit- reißend und berührend zugleich Werke von Biber, Tartini und Bach spielte. Musik Wer also mit offenen Ohren und offenem Herzen zuhörte, konnte in diesem Jahr sehr viele besondere Momente erleben bei den Tagen Alter Musik in Regensburg. Nur für die Nachtkonzerte in den Kirchen muss man sich ein wenig präparieren, um sie wirklich genießen zu können. Stefanie Reiterer empfiehlt: O-Ton Reiterer „Also, ich hab ne Daunenjacke an, meine normalen Stiefel und immer meine Fließdecke dabei, also ohne geht es nicht.“

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