Tage Alter Musik – Almanach 2015

14 Bayerischer Rundfunk BR-Klassik „Tafel-Confect“, 25. Mai 2015 Live von den 31. Tagen Alter Musik Regensburg Autor: Andreas Grabner Sie ist eine der ältesten Städte Deutschlands, schon die Kelten siedelten hier in vorgeschichtlicher Zeit, dann die Römer. Auf der südlichen Seite des gewaltigen Stromes natürlich 50 Meter strudeliges Wasser als Schutz gegen die wilden Germanen auf der Nordseite. 1000 Jahre später, die Römer waren dann mal weg, baute man eine riesige Brücke über den Fluss, ganz aus Stein, ein Meisterwerk der mittelalterlichen Brückenbaukunst. Sie steht noch heute. Sie war eine der reichsten Städte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Kaiser und Könige gingen hier ein und aus zeugten unehe- liche Kinder in ihr, die – wie Don Juan d’Austria, der Sieger in der Seeschlacht von Lepanto – selbst wieder historische Gestalten wurden. Sie ist eine „heilige Stadt“, vollgestopft mit Kapellen und Klöstern, für jeden Baustil prunkt sie mit mindestens einem erstklassigen Bauwerk. Für die Romanik mit der Schottenkirche, deren riesiges rätselhaftes Portal in Deutschland seinesgleichen sucht. Mit der hochgotischen Dominikanerkirche, schlank, schlicht erhaben, herzbewegend elegant, das Ideal einer Bettelordenskirche. Mit dem fulminanten Dom, dessen feine Außenskulptur mit der französischer Kathedralen wetteifert. Mit einem der frühesten und bedeutendsten protestantischen Kirchenbauten Deutschlands, der strengen, klaren Dreieinigkeitskirche, im Barock gebaut, aber mit der Gotik flirtend. Mit der Alten Kapelle mit ihrem Innenraum in ekstatischem süddeutschem Rokoko. Sie ist eine Stadt, in der sogar die Eisdielen und Döner-Buden Kreuzrippengewölbe haben. Sie ist eine Stadt, in der man ein wunderschönes gepflegtes Bayerisch spricht und sie pflegt einen so selbstgewissen Umgang mit ihrer Bajuwarizität, dass er einem Franken manchmal fast schon ein bisschen „krachledern-überdirndelig“ vorkommen mag. Aber ok, es war auch Mai-Dult und das Feuerwerk am Freitagabend über den alten Patriziertürmen sehr schön anzuschauen. Wenn man, sagen wir alljährlich zu Pfingsten ein Alte-Musik-Festival veranstalten und dafür ideale Bedingungen schaffen wollte, dann müsste man diese Stadt erfinden, aber man muss nicht, denn Gottseidank gibt es sie, einfach so. Ganz herzlich willkommen aus Regensburg zu den 31. Tagen Alter Musik Regensburg. Freitagabend gings los, traditionell mit den Regensburger Domspatzen und einem reinen Mozart-Programm und mit dem L’Orfeo Barockorchester, Domkapellmeister Roland Büchner dirigierte: Ein viel- versprechender, farbenreicher Auftakt. Musik: W. A. Mozart: Missa solemnis C-Dur KV 337: Gloria Aus dem Eröffnungskonzert der 31. Tage Alter Musik Regensburg, Freitagabend in der Regensburger Dreieinigkeitskirche war das, und seither gabs, ach, ich weiß gar nicht, wieviele Konzerte, an wievielen Spielorten, 17 Ensembles sind dabei und es ist noch nicht zu Ende. Gerade jetzt findet im wunderbaren Reichssaal ein Konzert statt, das allein zu versäumen mir das große Vergnügen, heute das Tafel-Confect aus Regensburg zu moderieren, ein kleines bisschen trübt. Mit Phantasm nämlich, meines Erachtens das beste Gambenensemble unserer Zeit und einem rein eng- lischen Programm mit Perlen der englischen Gamben-Consort-Musik. Mit seinem Gründer und Leiter Laurence Dreyfus habe ich vorgestern gesprochen und ihn gefragt, wie er sich die ausgesprochene Kühnheit dieser Musik erklärt. O-Ton: Laurence Dreyfus Und wie viel Spaß das den Musikern von Phantasm macht, das konnte ich gestern bei der Probe bewundern, wie man einander anschaut, wie inner- lich beteiligt man sich gegenseitig die Melodien zuwirft, einfach toll. Und hier ist Laurence Dreyfus’ Lieblingsstück „In nomine II“ von Orlando Gibbons. Musik: Orlando Gibbons: In nomine II Während man in England in solch extravaganter melancholischer polyphoner Musik schwelgte, schufen in Italien einige Komponisten einen auf- regend neuen hochexpressiven Stil, in dem die Solostimme dominierte. Zu diesen Pionieren gehörte Emilio de‘ Cavalieri. Cavalieri gehörte zu den ersten, die für die Liturgie der Karwoche den Zyklus der Klagelieder des Jeremia, die sogenannten Lamentationen, komponierte. Freitag im Nachtkonzert in der Regensburger Schottenkirche hat das israelisch-schweizerische Ensemble Profeti della Quinta diese Klagelieder aufgeführt. Sechs Sänger, dazu eine ganz interessante Instrumentalbesetzung mit Cembalo, Orgel, Gambe, Chitarrone und dem vielsaitigen Streichinstrument Lirone, genau „rekonstruiert“ nach Anweisungen de‘ Cavalieris, erklärt Elam Rotem, der Leiter des Ensembles. O-Ton: Elam Rotem Ja, reiz- und spannungsvoll für einen israelischen Musiker, Texte eines jüdischen Propheten in der christlichen lateinischen Übersetzung zu sin- gen, und die innere emotionale Beteiligung, die konnte man den Profeti della Quinta denn dann auch anhören.

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