Tage Alter Musik – Almanach 2015

16 Bayerischer Rundfunk BR-Klassik „Jazz und mehr“, 19. September 2015 (Ausschnitte) Moderation & Auswahl: Roland Spiegel Herzlich willkommen zu dieser Sendung mit Roland Spiegel am Mikrophon – und heute mit Tönen, die sich besonders stimmig mit bes- timmten Orten verbinden. Oder besser: die ich an bestimmten Orten in besonders stimmiger Verbindung erlebt habe. Nämlich bei zwei Festivals, von denen ich zwischen den Musikstücken einige Eindrücke schildern werde – den Tagen Alter Musik in Regensburg und dem Jazzweekend, das ebenfalls in Regensburg stattfindet. Musik “Die Stimmigen” habe ich mein heutiges Thema einfach genannt – und Musik ausgewählt, die für mich eine besonders gelungene Verbindung mit bestimmten Orten eingegangen ist. Und zwar bei zwei Festivals in derselben Stadt: Regensburg. Das Jazzweekend ist immer im Juli. Schon eine Weile vorher, nämlich an Pfingsten, finden stets die “Tage Alter Musik” statt. Das ist ein Festival mit einer besonderen Aura: Denn Musik, die hier bevorzugt auf historischen Instrumenten gespielt wird oder sich, soweit möglich, einer historischen Aufführungspraxis annähert, wird hier in wunderschönen alten Räumen gespielt – etwa in der jetzt endlich fertig restaurierten Dreieinigkeitskirche, in der nur ein paar Ecken weiter aufragenden Dominikanerkirche mit ihrem extrem schmalen, hohen Schiff und einer einzigartigen Akustik oder auch im alten Reichssaal, wo altes Holz zu einem besonders warmen Klang führt. In Räumen wie diesen erlebt man nicht nur Musik, sondern ein atmosphärisches Gesamtkunstwerk. Nur einen Ort gibt es, der manchmal problematisch ist: Das ist die Minoritenkirche, die direkt an einer sehr befahrenen Straße liegt. Ausgerechnet dort – in einem Raum, der an sich bestens geeignet ist - war ein hinreißendes Vokal-Ensemble zu erleben, das vier Männerstimmen schier unfassbar perfekt aufeinander abstimmt: New York Polyphony nennen sich diese in sich ungemein stimmigen Sänger. Ab und zu fuhr aber vor der Kirche ein Motorrad vorbei, und das trübte dann das Erlebnis doch ziemlich. Der Lärm von Wochenend-Hully-Gully ist einfach nicht Andacht-kompatibel. Hören Sie das Ensemble hier ungestört, mit einer Studioaufnahme auf einer faszinierenden CD mit dem Titel “Endbeginning” - der schon zeigt, dass es bei diesem Ensemble um Musik mit existentieller Dimension geht. Musik Das Vokalquartett New York Polyphony mit einem ganz kurzen Stück, zu dem es Einiges zu erklären gäbe, aber das werde ich später in dieser Sendung nachholen. Denn genau dieses Stück werden wir gegen Ende dieser Stunde noch einmal spielen. Ich fand, dass es hier in den ersten Minuten der Sendung sehr gut zeigt, wie unterschiedlich die Musik sein kann, um die es heute geht. Und wenn es später wieder auftaucht, geht es mir vor allem um den Kontrast zu einem anderen Musikstück, das darauf folgen wird. Und zu guter Letzt ist diese Wiederholung des Stücks ein Experiment: Man nimmt Musik, wenn sie in einen anderen Kontext eingebettet ist, oft völlig anders wahr: Die Stimmung des Hörers ist ähnlich wichtig wie die Harmonie der jeweiligen Ausführenden. Nun aber das Quartett New York Polyphony gleich noch einmal mit einem anderen Stück. Daran merkt man dann, wie unterschiedlich die Töne sind, mit denen sich dieses Ensemble beschäftigt. Es handelt sich um das Stück “Ma fin est mon commencement” (also Mein Ende ist mein Anfang) von dem 1942 geborenen amerikanischen Komponisten Jackson Hill. Es trägt deshalb einen französischen Titel, weil es einer Fantasie über eine berühmte französische Komposition aus dem 14. Jahrhundert von dem Dichter und Musiker Guillaume de Machaut ist. Musik “Mein Ende ist mein Anfang”, eine Komposition des Amerikaners Jackson Hill, die wiederum auf eine Vorlage aus dem 14. Jahrhundert zurückgriff, wurde hier von dem Ensemble New York Polyphony gesungen. Und das ist ein Vokalensemble von enormer Präzision und einer unglaublich schönen Mischung der einzelnen Stimmen. Wenn dieses Ensemble einen Schluss-Klang sang, dann schien er noch eine ganze Weile im Raum zu schweben. Und das Publikum wartete besonders aufmerksam mit dem Applaus – in meiner Erinnerung so lange, bis der Nachhall wirklich zu Ende war. Bei den Tagen Alter Musik in Regensburg war dieses Jahr auch die Oboistin Xenia Löffler zu hören – und zwar unter dem Programmtitel “My favourite instrument”. Jazzfans müssen da bestimmt schmunzeln, denn genau den gleichen Titel trägt eine bedeutende Reihe von

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=