Tage Alter Musik – Almanach 2015

21 fache Sache. Bei Monteverdi ist das auch sehr leicht festzustellen. Er hat in den Stimmbüchern dieser Sammlung verschiedene Hinweise gegeben, aus denen einwandfrei hervorgeht, dass er mit Einzelsängern gerechnet hat. Das ist, was er gewünscht hat, das, was er erwartet hat. Dann entsteht natürlich für uns als Musiker die Frage: machen wir es so – machen wir es anders? Aber ers- tens, wie ich, wie gesagt, dazu geneigt bin, den Wünschen des Komponisten zu folgen oder wenigstens diese ganz ernst zu nehmen und mich damit auseinanderzusetzen, würde ich wenigstens den Versuch machen, es so zu gestalten. Und dann muss ich sagen, rein intuitiv, rein subjektiv, gefällt mir das als Musiker sehr.“ Neben historischen Beweisen, die Joshua Rifkins Thesen stützen – von anderen Experten jedoch angezweifelt werden, gibt es für den Dirigenten auch musikalische Gründe, die solistische Besetzung einem Chor vorzuziehen. O-Ton: Joshua Rifkin „Ich liebe viel mehr den Klang dieser Musik auf diese Art aufgeführt. Für mich ist jetzt der moderne Chor in diesem Repertoire eigentlich unerträglich. Das ist eine rein subjektive Meinung, das ist keine historische Wahrheit. Das ist nur meine Meinung als Musiker. Aber es gibt natürlich historische Beweise. Und ich kann nur das folgende sagen, vielleicht ist das das Wichtigste, nicht das, was ich meine und was die Geschichte uns lehrt und so was. Ich könnte nur sagen, für mich jedenfalls entsteht eine viel farben- reichere Musik, eine Musik, die vor allem vom Text, vom schönen Vokalklang lebt, von einem nuancenreichen Klang, und die auf diese Art und Weise eine größere Lebendigkeit hat; vor allem, weil die Stimmen Persönlichkeit haben und weil der Text immer bes- ser zur Geltung kommt. Wenn man solchen Aufführungen eine Chance gibt, ich glaube, kann man sich wirklich dafür begeistern. Ich hoffe, dass gerade diese Momente wirklich ans Publikum herankommen und eine Wirkung haben werden.“ Hören Sie nun „Gloria – Credo – Sanctus und Agnus Dei“ aus der „Missa da capella a sei voci“ von Claudio Monteverdi. Joshua Rifkin diri- giert das solistische Sängerensemble von Concerto Palatino in einer Aufnahme vom 24. Mai 2015 von den Tagen Alter Musik Regensburg. Musik Claudio Monteverdis sechsstimmige Messe von 1610 wurde interpretiert von den Vokalsolisten des Concerto Palatino unter der Leitung von Joshua Rifkin. Es sangen Nele Gramß und Gerlinde Sämann – Sopran; David Munderloh – Altus; Charles Daniels und Jan van Elsacker, Tenor; Markus Flaig und Harry van der Kamp, Bass. An der Orgel begleitete Marcin Szelest. Sie hörten eine Aufnahme vom diesjährigen Pfingstsonntag aus der Dominikanerkirche in Regensburg. Im Konzertdokument der Woche steht heute die Aufnahme von zwei Konzerten auf dem Programm, die im Rahmen der diesjährigen „Tage Alter Musik Regensburg“ stattfanden. Die ebenfalls im Jahr 1610 von Claudio Monteverdi veröffentlichten „Sacri Concentus“ – also „Geistlichen Konzerte“ sind im zweiten Teil dieser Sendung nach 22 Uhr zu hören. 2. Teil Monteverdi 1610 Willkommen zum zweiten Teil. Bei den diesjährigen Tagen „Alter Musik Regensburg“ präsentierte der amerikanische Dirigent und Barockspezialist Joshua Rifkin mit den Sängern und Instrumentalisten des Concerto Palatino eine Interpretation von Claudio Monteverdis „Marienvesper“, die die bislang übliche Aufführung des frühbarocken Meisterwerks in Frage stellt – und das gleich in zweifacher Hinsicht. Wie bereits im ersten Teil dieser Sendung zu hören war, besetzte Rifkin die Gesangsstimmen solistisch und wich damit vom üppigen Chorklang ab, der bisher als typisch für das Werk galt. Darüber hinaus entschied sich der Dirigent für eine geänderte Reihenfolge der Stücke. Neue Forschungsergebnisse zeigen, laut Rifkin, dass die in der Sammlung von 1610 zusammengefassten Kompositionen von Monteverdi als drei separate Werkgruppen zu gelten haben und nicht, wie bisher vermutet, zusammengehören. Konsequenterweise führte Rifkin die Musik in drei getrennten Konzerten auf, die mittags, nachmit- tags und abends in der Dominikanerkirche in Regensburg stattfanden. In der folgenden Stunde ist hier die Aufnahme von Monteverdis „Sacri Concentus“, den „Geistlichen Konzerten“, zu hören. Im Studio ist weiterhin Thomas Daun. Bevor Joshua Rifkin über die Ergebnisse seiner musikhistorischen Forschungen erzählt, trägt Concerto Palatino unter seiner Leitung das Geistliche Konzert „Nigra sum“ vor, nach einem Text aus dem alttestamentarischen „Hohen Lied der Liebe“. Gesangssolist ist Jan van Elsacker. Musik Das Ensemble Concerto Palatino unter der Leitung von Joshua Rifkin war hier mit dem Geistlichen Konzert „Nigra sum“ von Claudio Monteverdi zu hören, eine Aufnahme von den „Tagen Alter Musik Regensburg“ vom 24. Mai dieses Jahres. Monteverdis 1610 in Venedig im Druck erschienene Sammlung erwähnt im Titel drei verschiedene Werke: „Eine der heiligen Jungfrau gewid- mete Messe, eine Vesper und einige geistliche Gesänge – die „sacri concentus“. Während Monteverdis Messe ganz im älteren Kompositions- Stil, der „prima prattica“, gehalten ist, zeichnen sich die „geistlichen Gesänge“ durch einen für die damalige Zeit modernen Stil aus. Die fünf Werke finden sich in der gedruckten Fassung jeweils nach einem Psalm der Vesper. Man ging deshalb bis in unsere Zeit davon aus, dass die Vesperpsalmen und die Geistlichen Konzerte im Wechsel erklangen – eine für Monteverdis Zeit kühne Idee, für die es keine historischen Vorbilder gibt. Joshua Rifkin widerspricht dieser These. O-Ton: Joshua Rifkin „Die sogenannte Marienvesper von Monteverdi ist ein historisches Fehlverständnis. Das ist natürlich ein schönes Fehlverständnis, das ist ein Stück, das viele lieben und es hat enorm zum Ruf Monteverdis beigetragen. Aber eigentlich hat Monteverdi kein solches

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