Tage Alter Musik – Almanach 2015

25 Samstag, 23. Mai Wie in jedem Jahr beginnt der Samstag der TAM Regensburg mit dem Empfang der Stadt im Salzstadel. Dieses Festival ist ein Juwel, aber eben ein rares Juwel. Das obligatorische 11-Uhr-Konzert hatte sich eine Künstlerin ganz alleine reserviert: die britische Geigerin Rachel Podger spielte in der golden-barocken Pracht der Alten Kapelle Solo-Musik von Bach sowie von Tartini und Biber – beides Großmeister der Violinmusik und –technik. Von Bach gab es als Original die Partita Nr. 2 d-Moll, die mit der gewaltigen Chaconne am Ende, und als Transkription die Flötensonate g-Moll, BWV 1013. Aber wie immer bei Bach: Er hat für jedes Instrument das Richtige geschrieben, und wenn er ein anderes wollte, dann schrieb er dafür auch. Podgers Violinfassung der Flötensonate geht nicht derart unter die Haut wie die Originalwerke für ihr Instrument – obwohl es natürlich beste Bach-Musik bleibt. Bibers Rosenkranzsonaten, Podger spielte daraus die Passacaglia „Schutzengel“, sind in der Violinliteratur über jeden Zweifel erhaben, während Giuseppe Tartini (1692-1770) - mit Ausnahme der berühmten „Teufelstriller“-Sonate, die den meisten „modernen“ Geigern zu einen Kauderwelsch verkommt - mehr etwas für Eingeweihte ist. Jedenfalls wurde klar, dass die Musik der vorgestellten Komponisten ohne die historisch informierte Aufführungspraxis entweder nicht funktionierte (Biber, Tartini) oder ein permanentes Missverständnis bliebe (Bach). Jedes dieser Stücke ist extremste Klangrede und auf Interpreten angewiesen, die mit ihrem Instrument und Spiel „sprechen“ können, ohne sentimental zu werden oder der Sprache fremde Inhalte aufzubürden. Podger ist darin perfekt, aber leicht neigt sie schon dazu, gerade bei Bach Interpretationen anzubieten. Das sollte sie nicht weiter verfolgen – selbst der „moderne“ Geiger Frank Peter Zimmermann sagt zu Bach, man müsse ihn ganz bei sich und nur aus sich selbst sprechen lassen. Dann hieß es Kräfte einteilen, denn am Abend versprachen sowohl das Orchester Musica humana 430 um 20 Uhr als auch die Ensembles The Marian Consort und Rose Consort of Viols zur Nacht um 22 Uhr 45 interessante Programme. Und mit einem Ende des Nachtkonzertes vor 0 Uhr 15 war auch für diesen Tag nicht zu rechnen. 20 Uhr, Neuhaussaal im Theater am Bismarckplatz – ein klar gegliederter, klassizistischer Raum im akustisch idealen Schuhkarton-Format. Orchesterkonzerte haben hier Platz und sie klingen schön. Musica humana 430 ist ein Kammerorchester auf historischen Instrumenten, das erst 2012 von der polnischen Oboistin Magdalena Karolak und dem aus Kolumbien stammenden Geiger Santiago Medina gegründet wurde. Wie so üblich in der Szene, spielen die meisten der Musiker auch in anderen bekannten Orchestern mit, etwa im Freiburger Barockorchester, in Il Giardino Armonico oder in der Akademie für Alte Musik. Die neue Formation bewährter Musiker widmet sich gezielt der Musik der Klassik und der Vorklassik, also Empfindsamkeit und Mannheimer Schule. Auf dem Programm standen Musik der Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus, Johann Baptist Vanhal und Paul Wranitzky; Mozart war mit der aus Salzburger Zeiten stammenden Sinfonie A-Dur, KV 201 dabei. Und spielte alle anderen an die Wand. Wieder einmal Mozart war es, der im Orchester und bei Konzertmeister Timoti Fregni den entscheidenden Funken zündete und sie das ganze geniale Feuer frei legen ließ, das der 18-jährige offenbar unauslöschlich in seine Musik geschrieben hat. Mozart überstrahlte sie alle; da stehen die anderen Herren nur noch als Lieferanten kunstfertiger – und spieltechnisch durchaus anspruchsvoller - Vergnügungsware da. Wie sich gleich beim Nachtkonzert zeigen sollte, war dieser Unterschied in früheren Epochen nicht so eklatant. Das Samstags-Nachtkonzert um 22 Uhr 45 fand wieder am idealen Ort statt, der Dominikanerkirche, einer der frühesten Schöpfungen der deutschen Gotik. Ihr Schiff erscheint länger als der Regensburger Dom, ist aber schlanker, optisch wie akustisch konzentrierter. Ein ganz wunderbarer, idealer Raum für die Vokalpolyphonie der Renaissance, die dort bei den TAM regelmäßig ihr Zuhause hat. Bei diesem Anlass brachten

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